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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Anwendung der MarteMeo®- Methode bei Menschen mit der verhaltensbetonten Variante der Frontotemporalen Demenz und deren pflegenden Angehörigen (AMEO-FTD) – Eine Machbarkeitsstudie

Meeting Abstract

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  • Martin Berwig - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Standort Witten, Arbeitsgruppe Versorgungsinterventionen, Witten
  • Claudia Dinand - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Standort Witten, Witten
  • Ursula Becker - Psychotherapeutische Praxis und Marte Meo-Ausbildungszentrum, Alfter
  • Margareta Halek - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Standort Witten, Witten

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf159

doi: 10.3205/18dkvf159, urn:nbn:de:0183-18dkvf1598

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Berwig et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die verhaltensbetonte Variante der frontotemporalen Demenz (Englisch: behavior variant frontotemporal dementia, bvFTD) ist mit beeinträchtigten sozialen Kognitionsfähigkeiten assoziiert. Daher ist es oft schwierig, mit Menschen mit bvFTD in Kontakt zu kommen, insbesondere für ihre Angehörigen. Die MarteMeo® Methode ist eine video-basierte Beratung und wurde ursprünglich entwickelt, um die dyadische Beziehung zwischen Kindern mit Autismus und ihren Eltern durch die Förderung der sensiblen Anpassung des elterlichen Kommunikationsverhalten an die beeinträchtigten sozialen kognitiven Fähigkeiten ihrer Lieben zu verbessern. Sie basiert auf der Annahme, dass eine gute und reziproke Beziehung eine Voraussetzung für die Entwicklung und Aufrechterhaltung sozialer kognitiver Fähigkeiten ist. Im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen ist das Ziel der Intervention nicht die Förderung der Entwicklung, sondern, auch hier basierend auf einer guten Beziehungsqualität, Ressourcen für das Funktionieren und die Erhaltung des Selbst zu aktivieren.

Fragestellung: In der vorliegenden Machbarkeitsstudie wurde die MarteMeo® Methode erstmals bei Menschen mit bvFTD und deren Hauptpersonen angewendet. Das Ziel bestand darin, die Nützlichkeit der Methode für diese Zielgruppezu bewerten, ein optimales Interventionsformat (z. B. Dosis und Intensität) zu bestimmen und mögliche Effekte zu untersuchen.

Methoden: Zielgrößen waren die Feinfühligkeit der Hauptbezugspersonen, die Qualität der Beziehung zwischen der Hauptbezugsperson und der Person mit bvFTD, das psychologische Wohlbefinden bzw. die gesundheitsbezogene Lebensqualität und herausfordernde Verhaltensweisen des Angehörigen mit bvFTD. An drei Untersuchungszeitpunkten (T0, T1 nach zwei Wochen, und T2 nach sechs Wochen) wurde ein Video der dyadischen Interaktion in einer Alltagssituation (Essenssituation) aufgenommen und folgende Fragebögen zur Erfassung der Zielgrößen durchgeführt: Quality of Carer-Patient Relationship (QCPR), Neuropsychiatrisches Inventar (NPI), die Subskalen `positive´ und `negative Emotionen´ des QUALIDEM und Feinfühligkeitsindex (FFI). Der Zeitraum zwischen T0 und T1 diente als Kontrollzeitraum. Zwischen T1 und T2 erhielten die Hauptbezugspersonen in ihrer Häuslichkeit fünf MarteMeo® - Beratungen. Die Videosequenzen wurden mit Hilfe der Videointeraktionsanalyse mikro-analysiert, um die angenommen Wirkmechanismen der Intervention zu überprüfen, und die Varianz der Effekte bestimmt. Außerdem wurden die erhobenen Prozessdaten genutzt, um den Nutzen und die Akzeptanz der Intervention zu evaluieren.

Ergebnisse: Die Ergebnisse beschreiben Veränderungen hinsichtlich der Beziehungsqualität, psychologischem Wohlbefinden (positiver und negativer Affekt) und herausforderndem Verhalten zugunsten der MarteMeo®- Beratung. Die Angehörigen profitierten etwas mehr von den Beratungen als sie zuvor erwartet hatten und bewerteten die Beratungen insgesamt als sehr nützlich. Außerdem scheinen das gewählte Format und die Dosierung der Intervention angemessen zu sein. Ein bedeutsamer hemmender Faktor für die Durchführung der Beratungen war, aus Sicht der MarteMeo® -Therapeutin, die Nicht –Akzeptanz der Demenzerkrankung durch die Hauptbezugsperson. In diesem Fall müssen zunächst andere Themen, wie z.B. die Trauer um den allmählichen Verlust der Person, welche der Angehörige mit bvFTD vor Beginn seiner Erkrankung war, im Rahmen einer Angehörigenberatung bearbeitet werden.

Diskussion: Die MarteMeo®- Methode scheint bei Menschen mit bvFTD und ihren Hauptbezugspersonen anwendbar und nützlich zu sein und ermutigen dazu diesen videobasierten Beratungsansatz bei dieser Zielgruppe im Rahmen einer größer angelegten Studie zu untersuchen. Die Akzeptanz der Demenzerkrankung sollte in einer solchen Folgestudie beim Teilnehmereinschluss berücksichtigt werden und ein multizentrisches Design zur Erreichung einer größeren Stichprobe gewählt werden.

Praktische Implikationen: Es zeigte sich, dass die MarteMeo® Beratung das Potential hat Menschen mit bvFTD und ihre Hauptbezugspersonen effektiv bei der Bewältigung ihres Alltags zu unterstützen. Da bislang kaum Unterstützungsinterventionen für die untersuchten Zielgruppen vorliegen, könnte hier in der Zukunft eine Versorgungslücke geschlossen werden.