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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Antidementive Behandlung bei Demenzpatienten mit und ohne dokumentiertem MCI-Prodromalstadium

Meeting Abstract

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  • Jens Bohlken - Praxis für Neurologie und Psychiatrie, Demenz-Referat im Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN), Berlin
  • Karel Kostev - IQVIA, Epidemiologie, Frankfurt am Main

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf140

doi: 10.3205/18dkvf140, urn:nbn:de:0183-18dkvf1403

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Bohlken et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die aktuelle S3 Demenz-Leitlinie fordert eine möglichst rechtzeitige Diagnose von Demenzerkrankungen, um den Krankheitsverlauf bei den degenerativen bedingten Demenzen durch eine möglichst frühzeitige Intervention positiv zu beeinflussen. In universitären Gedächtnissprechstunden und Memory Kliniken werden Patienten mit kognitiven Störungen zunehmend häufiger bereits mit leichten kognitiven Störungen oder frühen Demenzstadien diagnostiziert und behandelt. Auch in der Routineversorgung finden Patienten mit leichten kognitiven Störungen bzw. mild cognitive impairment (MCI) als mögliches Prodromalstadium einer Demenz Berücksichtigung. Es kann vermutet werden, dass die Demenz-Diagnose bei Patienten mit einer prädiagnostischen MCI Phase in einem früheren Krankheitsstadium gestellt wird als bei Patienten mit Demenz (PmD) ohne MCI-Diagnose. Diese Patienten haben dann eine größere Chance, rechtzeitig und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum mit einer Leitlinien gerechten antidementiven Medikation behandelt zu werden.

Fragestellung: Es sollte geprüft werden, ob Demenzpatienten mit einer vorgeschalteten MCI Diagnose eine größere Antidementiva-Behandlungskontinuität aufweisen als solche ohne eine vorgeschalteten MCI Diagnose.

Methode: Im Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2016 wurden in 203 neurologisch-psychiatrischen Praxen insgesamt 1.471.409 Patienten untersucht oder behandelt. Eine erstmalig dokumentierte Demenz-Diagnose (ICD 10: F01, F03, G30) erfolgte bei 78.470 Patienten. Von diesen erhielten 13.054 Patienten (16,6%) erstmalig ein Antidementivum verordnet. Bei 339 Patienten, die mit einem Antidementivum behandelt wurden, fand sich in der Vorgeschichte eine MCI-Diagnose (ICD 10: F 06.7). 12.715 Patienten mit Antidementiva-Behandlung waren ohne dokumentierte MCI-Diagnose in der Vorgeschichte. Aus dieser Gruppe wurden im 1:1 Verfahren bezüglich der Variablen Alter, Geschlecht, Wohnstätte (im Heim und zu Hause lebend), Demenzdiagnose und Depressionsdiagnose eine Vergleichsgruppe gebildet

Mittels Kaplan-Meier Analyse wurde die Kontinuität der Antidementiva-Verordnungen verglichen. Für die Analysen standen 339 Demenz-Patienten mit vorheriger MCI-Diagnose und 339 Demenz-Patienten ohne MCI-Diagnose zur Verfügung.

Ergebnisse: Die Behandlungskontinuitäten der Antidementiva-Verordnungen bei PmD mit und ohne vorherige MCI Diagnose weisen keine Unterschiede auf. Nach 24 Monaten erhalten 60% der PmD ohne und 58,9% der PmD mit MCI Vorlauf noch Antidementiva verordnet. In beiden Gruppen wurde die Behandlung in 40% bzw. 41,1% der Fälle abgebrochen.

Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Dauer der Antidementiva Behandlung von PmD in neuro-psychiatrischen Facharztpraxen war im Untersuchungszeitraum zwischen 2010 und 2016 nicht abhängig von einer der Demenzdiagnose zeitlich vorangestellten und dokumentierten MCI-Diagnose. Mögliche Ursachen für dieses unerwartete Ergebnis werden diskutiert: Das MCI Konzept im ICD 10 ist zu unspezifisch. MCI-Diagnosen werden in der Routineversorgung bisher noch sehr selten diagnostiziert. Darüber hinaus können die Gründe für die Beendigung oder den Abbruch der Antidementiva-Therapie in den beiden Gruppen unterschiedlich sein.

Praktische Implikationen: Das MCI-Konzept als Prodromal-Stadium von neurogenerativen Demenzen hat in der Routineversorgung gegenwärtig keinen Einfluss auf die Behandlungskontinuität mit Antidementiva. Dies wird sich vermutlich erst dann ändern, wenn krankheitsmodifizierende Therapiestrategien zugelassen sind, die bereits im MCI-Stadium eingesetzt werden können.