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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

„Mittendrin im Alter statt allein“ (MIASA): Eine wirksame Intervention zur Reduzierung von Einsamkeit und Verbesserung des Wohlbefindens bei älteren Menschen

Meeting Abstract

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  • Vera Kölligan - Katholische Hochschule NRW, Köln
  • Michael Klein - Katholische Hochschule NRW, Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung, Köln

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf130

doi: 10.3205/18dkvf130, urn:nbn:de:0183-18dkvf1303

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Kölligan et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Einsamkeit ist ein Risikofaktor für psychische Störungen, beispielsweise Depressionen, und hat somatische Folgen, wie z. B: eine Schwächung des Immunsystems oder eine Erhöhung des Blutdrucks. Auch führt es zu einer Steigerung des Mortalitätsrisikos, vergleichbar mit dem durch Adipositas oder regelmäßigem Zigarettenkonsum. Im höheren Lebensalter wird Einsamkeit durch veränderte Familienstrukturen, Mobilitätseinschränkungen, knappe finanzielle Ressourcen sowie kritische Lebensereignisse wie Berentung oder Tod von Vertrauenspersonen zu einer besonderen Herausforderung.

Fragestellung: Die Wirksamkeit von bisherige Ansätze zur Reduzierung von Einsamkeit und sozialer Isolation bei älteren Menschen ist eingeschränkt. Hinzu kommt, dass bisherige Hilfsangebote sozial isolierte Senior*innen nur eingeschränkt erreichen. Daher ist das Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes „Mittendrin im Alter statt allein“ („MIASA“) ein wirksames zielgruppenspezifisches, niedrigschwelliges und ökonomisches Kleingruppenprogramm zur Förderung der sozialen Teilhabe und Einsamkeitsreduzierung für Personen ab 65 Jahre zu entwickeln. Jede Kleingruppe beinhaltet 10 modularisierte, circa. 90-minütige Treffen, die auf etablierten verhaltenstherapeutischen und achtsamkeitsbasierten Methoden fußen, und endet mit einem gemeinsamen Halbtagesausflug. Themen, die in den Gruppen interaktiv behandelt werden, umfassen die Bereiche Selbstfürsorge, Aktivitätsaufbau, soziale Kompetenzen und Umgang mit belastenden Gedanken.

Methoden: Teilnehmende werden über Flyer oder durch direkte Ansprache von kooperierenden Vertrauenspersonen, wie Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen oder Apotheker*innen, angeworben. Die Wirksamkeitsevaluation des Programms erfolgt mittels eines Single-Group, Prä-Post-Designs mit dreimonatigem Follow-Up (t0: zu Programmbeginn, t1: nach Programmende, t2: Follow-Up 3 Monate nach Programmende). Ziele des Programms sind u. a. (a) eine kurz und langfristige Steigerung sozialen Integration und Zufriedenheit (F-SozU), sowie (b) eine kurz- und langfristige Reduzierung von Einsamkeit und emotionaler Isolation (UCLA-LS), Somatisierung, Ängstlichkeit und Depressivität (BSI-18) und dysfunktionaler Einstellungen (DAS18-B). Um die Intervention kontinuierlich zu optimieren, werden im Rahmen der Interventionsentwicklung zusätzlich alle Treffen mittels einer formativen Prozessevaluation auf Stärken und Schwächen überprüft.

Ergebnisse: Bis zur Abstracteinreichung nahmen 29 Personen (weiblich: 76 %, männlich: 24 %) zwischen 65 und 90 Jahren (M = 74, SD = 6.88) in 6 Kleingruppen zu je 3-6 Teilnehmenden teil. 20 Personen absolvierten alle 10 Treffen (Dropout: 31 %). In eine vorläufige Datenauswertung flossen Daten von n = 18 zu t0, n = 17 zu t1 und n = 11 Personen zu t2 ein. Subjektiv bewerteten die Teilnehmenden das Programm zu t1 insgesamt als überwiegend „sehr gut“ oder „gut“ (73,3 %). Die verwendeten Skalen zeigen (a) eine signifikante Steigerung der sozialen Integration (t(14) = -2.47, p < .05) und (b) eine signifikante Reduzierung der Einsamkeitsgefühle (t(14) = 2.77, p < .01), der Somatisierung (t(14) = 1.98, p < .05), Ängstlichkeit (t(14) = 3.01, p < .01) und Depressivität (t(14) = 2.31, p < .05), sowie der Subskala „Anerkennung“ der Skala dysfunktionaler Einstellungen (t(13) = 2.21, p = .01) von t0 zu t1. Von t1 zu t2 zeigen sich nicht-signifikante Tendenzen in dieselben Richtungen. Die anderen Maße waren bei bisheriger Datenlage nicht signifikant.

Diskussion: Den bisherigen Resultaten zufolge ist das Programm MIASA attraktiv für die Zielgruppe und kurzfristig wirksam. Weitere, dann größere, Kleingruppen mit 6 bis 10 Teilnehmende beginnen im Frühjahr 2018, sollen die Datenbasis vergrößern und Rückschlüsse über längerfristige Effekte ermöglichen.

Praktische Implikationen: Da das Programm ökonomisch in der Durchführung ist (kostengünstig, kurz und durch die Modularisierung ohne lange Vorbereitungszeit für die Gruppenleitung), ist ein Eingang in verschiedenen Einrichtungen, u.a. der Altenhilfe, möglich. Eine im August 2018 stattfindende Fachkräfteschulung fördert den Transfer in die Versorgungseinrichtungen.