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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Evaluation der Pneumokokken- und Influenza-Impfung mit GKV-Routinedaten: Impfverhalten im Zeitverlauf

Meeting Abstract

  • Josephine Römhild - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena
  • Inga Petruschke - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena
  • Cornelia Eichhorn - Universitätsklinikum Jena, Zentrum für Klinische Studien, Jena
  • Thomas Lehmann - Universitätsklinikum Jena, Zentrum für Klinische Studien, Jena
  • Anna Mikolajetz - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena
  • Carolin Fleischmann-Struzek - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena
  • Christina Forstner - Universitätsklinikum Jena, Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Jena
  • Ole Wichmann - Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Berlin
  • Cornelia Betsch - Universität Erfurt, Psychologie & Kommunikationswissenschaft, Erfurt
  • Constanze Rossmann - Universität Erfurt, Kommunikationswissenschaft, Erfurt
  • Regina Hanke - Lindgrün GmbH, Design Strategie, Berlin
  • Horst Christian Vollmar - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena
  • Antje Freytag - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf126

doi: 10.3205/18dkvf126, urn:nbn:de:0183-18dkvf1262

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Römhild et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Impfungen sind eine wichtige Maßnahme der Primärprävention. Dennoch sind die Impfraten bei der Pneumokokken- und Influenza-Impfung unter Thüringer Bürgern im Alter von über 60 Jahren niedrig. Zur Vermittlung von Impfwissen und somit zur Steigerung der Impfquoten wurde die thüringenweite Informationskampagne impfen60+ ins Leben gerufen (BMBF-Fkz 03ZZ0819A). Im Teilprojekt zur gesundheitsökonomischen Evaluation der Impfungen werden die Unterschiede in Versorgungskosten, Inanspruchnahme und Krankheitslast von geimpften im Vergleich zu nicht-geimpften Bürgern über 60 Jahren untersucht. Der Analyse vorausgehend sollen die betrachteten Impfgruppen anhand ihres Impfverhaltens in den Jahren 2012–2016 näher beschrieben werden.

Fragestellung: Welches Impfverhalten lässt sich bei Menschen im Alter von ≥60 Jahren hinsichtlich Pneumokokken- und Influenza-Impfungen im Zeitverlauf beobachten?

Methode: Die Analyse erfolgt im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie auf Basis von Abrechnungsdaten der AOK Plus für Thüringen. Eingeschlossen werden in Thüringen wohnhafte Versicherte, die zum 01.01.2014 mindestens 60 Jahre oder älter waren und seit 2008 (Kohorte der Nicht-Geimpften) bzw. 2012 (Kohorte der Geimpften) durchgängig bei der AOK Plus versichert waren oder aber nach dem Jahr 2014 verstorben sind. Als Nicht-Geimpfte gelten diejenigen Versicherten, die sich in 2008–2016 weder gegen Pneumokokken, noch in 2012–2016 gegen Influenza impfen ließen. Die Kohorte der Geimpften wird aus Versicherten gebildet, die in 2014 eine Pneumokokken-Impfung und/oder im 3. oder 4. Quartal 2014 (2014Q3/4) eine Influenza-Impfung erhalten haben. Diese Impf-Kohorte wird in drei Subgruppen unterteilt: 1) Versicherte mit Impfung gegen Pneumokokken und Influenza, 2) Versicherte mit Impfung gegen Pneumokokken, nicht aber gegen Influenza, und 3) Versicherte mit Impfung gegen Influenza, nicht aber gegen Pneumokokken. Zusätzlich wird das Vor- und Nachimpfungsverhalten von Versicherten mit Pneumokokken- bzw. Influenza-Impfung in 2014 bzw. 2014Q3/4 über die Jahre 2012–2016 anhand der abgerechneten Impfleistungen beschrieben.

Ergebnisse: Insgesamt wurden Daten von N=217.305 Thüringer AOK-Versicherten im Alter von über 60 Jahren übermittelt. Von diesen konnten n=72.867 (33,5%) der Kohorte der Nicht-Geimpften zugeordnet werden, welche im Zeitraum von 2008 bzw. 2012–2016 weder gegen Pneumokokken noch gegen Influenza geimpft waren. Die Kohorte der Geimpften umfasst n=144.438 Versicherte (66,5%), die 2014 gegen Pneumokokken bzw. in 2014Q3/4 gegen Influenza geimpft waren. Dabei zeigte sich im Rahmen einer ersten Analyse, dass sich in der Kohorte der Geimpften 1) n=5.728 Versicherte (4,0%) gegen Pneumokokken und Influenza, 2) n=2.416 Personen (1,7%) nur gegen Pneumokokken und 3) n=136.294 Versicherte (94,4%) nur gegen Influenza impfen ließen. Bezogen auf das Vor- und Nachimpfungsverhalten zeigte sich, dass von den in 2014 gegen Pneumokokken-Geimpften (n=8.144) n=43 Versicherte (0,5%) in 2012 und n=45 Versicherte (0,6%) in 2013 bereits vorgeimpft waren sowie n=55 (0,5%) in 2015 und n=86 (1,1%) in 2016 gegen Pneumokokken nachgeimpft wurden. Von denjenigen Versicherten, die sich in 2014Q3/4 gegen Influenza impfen ließen (n=142.022), waren in 2012Q3/4 n=114.906 (80,9%) und in 2013Q3/4 n=118.243 (83,3%) Versicherte gegen Influenza vorgeimpft. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich im Nachimpfungsverhalten: n=112.330 (79,1%) der Influenza-Geimpften ließen sich in 2015Q3/4 und n=103.470 (72,9%) in 2016Q3/4 erneut impfen.

Diskussion: Diese vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass allgemeinen Impfempfehlungen entsprechend sehr wenige der älteren AOK-Versicherten in Thüringen, die in 2014 gegen Pneumokokken geimpft wurden, bereits im Vorbeobachtungszeitraum 2012–2013 ebenfalls gegen Pneumokokken vorgeimpft worden waren oder aber sich im Nachbeobachtungszeitraum 2015–2016 haben nachimpfen lassen. Vereinzelte Fälle, die über den gesamten Beobachtungszeitraum geimpft wurden, können auf chronisch Kranke hinweisen, bei denen eine wiederholte Pneumokokken-Impfung empfohlen wird. Ebenso hat sich entsprechend der Impfempfehlungen der Großteil der Versicherten, die bereits in 2014Q3/4 gegen Influenza geimpft worden waren, jährlich gegen saisonale Influenza impfen lassen. Für eine genauere Beschreibung des individuellen Impfverhaltens sind weiterführende Analysen nötig.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse dieser ersten Deskription zeigen das Impfverhalten von Thüringer AOK-Versicherten im Alter von über 60 Jahren über mehrere Jahre bzw. Saisons hinweg. Die Daten geben Hinweise darauf, inwieweit Impfempfehlungen umgesetzt wurden. Zudem lassen sich die nach dem Impfverhalten abgegrenzten Versichertengruppen für weiterführende Subgruppenanalysen im Rahmen der geplanten gesundheitsökonomischen Analysen nutzen. Daten über das tatsächliche Impfverhalten im Zeitverlauf können für zukünftige Maßnahmen zur Steigerung der Impfquoten hilfreich sein.