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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Projektbegleitende Reflexion eines Projekts mit partizipativem Ansatz als interne Prozessevaluation

Meeting Abstract

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  • Cornelia Thierbach - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin
  • Lorena Dini - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf093

doi: 10.3205/18dkvf093, urn:nbn:de:0183-18dkvf0935

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Thierbach et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Das Projekt „Frauen 5.0“ (Juli 2017- Juni 2019) hat den Anspruch Erkenntnisse zu liefern, die dem Gesetzgeber als Grundlage für strukturelle Veränderungen des gesetzlichen Rahmens dienen. Ausgangspunkt des Projekts ist die Feststellung, dass Frauen über 50 Jahre in bestimmten Regionen Deutschlands von gynäkologischer Unterversorgung bedroht sind. Diese Situation kann sich in den nächsten Jahren verschärfen. Vor diesem Hintergrund soll das Projekt ein Modellversorgungskonzept entwickeln, das eine engere Zusammenarbeit zwischen den Facharztgruppen Allgemeinmedizin und Gynäkologie erprobt. Damit die Erkenntnisse nachhaltig in die Regelversorgung integriert werden können, ist die Partizipation der beteiligten Akteure (u.a. Hausärztinnen/Hausärzte, Gynäkologinnen/Gynäkologen, Patientinnen, Kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern, Berufsverbände, Krankenkassen) erwünscht.

Fragestellung: Wie gestaltet sich in der ersten Projekthälfte die Partizipation beteiligter Akteure im Projekt „Frauen 5.0“? Welche Erkenntnisse lassen sich für weitere Forschungsprojekte gewinnen?

Methode: Zwei-stufiges Studiendesign: Mixed Methods-Design (komplementärer Ansatz) zum Erfassen der Sichtweisen der Facharztgruppen mittels postalischer Befragung und der Patienten mittels qualitativer Telefoninterviews. Zusätzlich wird mittels Literaturrecherche und Sekundäranalysen die gynäkologische Versorgung der Untersuchungsregion (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) analysiert. Auf Grundlage der Erkenntnisse wird ein Modellkonzept entwickelt. Dazu finden Gruppendiskussionen wie auch Roundtable-Diskussionen mit Stakeholdern verteilt über die gesamte Projektlaufzeit statt und zu gegebenen Anlässen wird der Projekt-Beirat konsultiert.

Dieser Beitrag versteht sich als systematische Reflexion der Beteiligung unterschiedlicher Akteure über sämtliche Phasen des Projekts hinweg. Hierfür werden bisherige Roundtable-Diskussionen, Response bei der Umfrage, (unaufgeforderte) Feedback-Mails, informelle und formelle Gespräche mit Akteuren in Bezug auf das Projekt zusammengestellt, auf die Formen der Einflussnahme der Partizipierenden hin analysiert und aufbereitet.

Ergebnisse: Es zeigt sich, dass Partizipation von beteiligten oder betroffenen Akteuren unterschiedliche Formen annehmen kann, z.B. Protest, Gatekeeper-Funktion, Berater-Funktion, Meinungsäußerung etc. und regionale Unterschiede in der Beteiligung von Leistungserbringern festgestellt werden. Die bisherige Annahme der Einladung zur Mitgestaltung am Projekt war unter den regionalen Vertretern der ärztlichen Selbstverwaltung unterschiedlich.

Partizipation gestaltet sich als dynamischer Prozess. Zu den beeinflussenden Faktoren zählen die Kommunikation von Informationen und die Transparenz von Absichten. Dabei spielen die Form (mündlich/schriftlich, persönliche Kontakte) und der Zeitpunkt der Informationsvermittlung eine wichtige Rolle. Die Reflexion über Machtverteilungen und Einflussnahmen zeigte, dass sich Forschende und betroffene Akteure unterschiedlicher Mittel (z. B. aktive Förderung, (öffentliche) Kritik, Akzeptanz, Ignoranz, gemeinsamer Wissensaustausch) bedienen, um ihre Ansichten klarzustellen. Durch die Partizipation beteiligter Akteure zu unterschiedlichen Phasen im Projektverlauf profitierten Forschende vor allem vom umfangreichen Fach und Erfahrungswissen, um beispielsweise Fragen zu präzisieren, die Ergebnisse im Kontext unterschiedlicher Perspektiven zu interpretieren und Machbarkeitsprüfungen durchzuführen.

Diskussion: Die Partizipation von Stakeholdern bei der Mitgestaltung von Forschungsprojekten erfordert sowohl von Forschenden wie auch von Stakeholdern eine Einigung im Projektzweck. Auch bezüglich des Umgangs mit sensiblen Informationen sowie das Bewusstsein über den Impact und Folgen der Projektergebnisse soll Konsens bestehen. Kompatibilität der Werte und Einstellung bezüglich der Bereitschaft zur Kommunikation sind weitere Voraussetzungen. In gesundheitspolitischen und vom öffentlichen Interesse geprägten Projekten ist die frühzeitige Beteiligung betroffener Akteure von Vorteil. Es stellt sich die Frage, ob in der Versorgungs- und Gesundheitsforschung generell wissenschaftliche Forschungsprozesse und Praxis stärker verzahnt werden sollten, damit ein erfolgreicher Transfer der Erkenntnisse in das Gesundheitssystem gelingen kann.

Praktische Implikation: Die frühzeitige und aktive Reflexion über interne Prozesse bei Forschungsvorhaben mit partizipativem Ansatz ermöglicht Formen der Partizipation durch Akteure und Betroffene zu identifizieren und darauf zu reagieren. Dieses wird als eine projektbegleitende Reflexion, als interne Evaluation bzw. Prozessauditing verstanden. Die Rolle und Einflussnahmen von Betroffenen und Beteiligten sollte vor allem bei gesundheitspolitischen Forschungsprojekten von vornherein mitbedacht oder aktiv gefördert werden.