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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Die Rehabilitation im allgemeinpädiatrischen Versorgungskontext – eine qualitative Studie zu Stellenwert und Erwartungen aus Arztperspektive

Meeting Abstract

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  • Nadine Schumann - Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Soziologie, Halle/Saale
  • Olaf Martin - Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Soziologie, Halle/Saale
  • Matthias Richter - Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Soziologie, Halle/Saale

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf075

doi: 10.3205/18dkvf075, urn:nbn:de:0183-18dkvf0756

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Schumann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Chronische Erkrankungen sowie psychische Störungsbilder stellen ein steigendes Gesundheitsproblem bei Heranwachsenden dar. Diese Entwicklungen führen zu einem wachsendenden Stellenwert rehabilitativer Leistungen im pädiatrischen Versorgungskontext, mit dem Ziel die Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen zu bessern und nachhaltig zu sichern. Ärzte der ambulanten medizinischen Grundversorgung fungieren hierbei als wichtige Lotsen im Zugang zu diesen Maßnahmen. Vorangegangene Studien weisen auf Probleme im Reha-Zugang hin, die sich u.a. auf inhaltliche Wissensdefizite sowie eine geringe Mitwirkungsbereitschaft bei und in der Akzeptanz von Rehabilitationsleistungen bei der niedergelassenen Ärzteschaft zurückführen lassen.

Fragestellung:

1.
Welchen Stellenwert hat die medizinische Rehabilitation in der Versorgung chronisch kranker Kinder- und Jugendlicher aus Sicht der Allgemeinpädiatrie?
2.
Welche Erwartungen haben die niedergelassenen Ärzte an die medizinische Rehabilitation?
3.
Wann erfolgt eine Reha-Zuweisung bzw. Reha-Empfehlung durch die Ärzte?

Methoden: Die Datenerhebung erfolgte mittels 25 leitfadengestützter Einzelinterviews sowie drei Fokusgruppendiskussionen mit niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten aus Mitteldeutschland. Die Fragen des Leitfadens beschäftigten sich mit den gegenwärtigen Einstellungen, Problemen, Erfahrun-gen, und Kenntnissen der Kinderärzte zu Kinderrehabilitationsmaßnahmen. Alle Gespräche wurden digital aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisevaluation erfolgte mittels Expertenrunde mit Vertreter der Rentenversicherung Mitteldeutschland sowie des kinderärztlichen Berufsverbandes.

Ergebnisse: Die inhaltsanalytischen Auswertungen zeigen, dass der Rehabilitation allgemein ein hoher Stellenwert in der Versorgung chronisch kranker Kinder und Jugendlicher zugesprochen wird („Reha ist wertvoll“), im täglichen Praxisalltag jedoch häufig „am Rande steht“. Trotz eines gestiegenen Patientenanteils mit besonderen Versorgungsbedarfs, wird der Praxisalltag weiterhin durch akutmedizinische Fälle dominiert. Auf die Frage, was Reha leisten kann, werden Schulungsmaßnahmen, ein verbessertes Krankheitsmanagement sowie Möglichkeiten einer intensiven Betreuung durch ein interdisziplinäres Expertenteam am häufigsten genannt. Ferner sind Möglichkeiten einer verbesserten Diagnostik in der Reha-Klinik sowie eine Therapieüberprüfung und ggf. -anpassungen wichtige Gründe einer Reha-Empfehlung durch die Ärzte. Trotz einer allgemein positiven Grundeinstellung ggü. der Rehabilitation kommen viele Ärzte ihrer Beratungs- und Zuweisungsfunktion im Praxisalltag häufig nicht nach. Neben Zeitmangel können Gründe einerseits auf strukturelle Wissensdefizite bzgl. der Zielsetzung und Antragsstellung rehabilitativer Leistungen zurückgeführt werden. Aber auch negative Erfahrungen bzgl. des Erfolgs beantragter Rehabilitationsmaßnahmen und eine wahrgenommene erschwerte Antragsstellung führen zu Demotivation sowie geringe Mitwirkungsbereitschaft der Ärzteschaft im Reha-Zugangsverfahren.

Diskussion: Vor dem Hintergrund steigender Prävalenzen chronischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, ist der Wunsch nach einer intensiven Verzahnung zwischen ambulanter (spezial-)ärztlicher Versorgung und rehabilitativen Maßnahmen von hoher Aktualität. Die vorliegenden Befunde zeigen, dass die Integration der Rehabilitation in das Gesamtversorgungskonzept chronisch kranker Kinder und Jugendlicher aus Perspektive der ambulant tätigen Ärzte aktuell noch nicht gelungen ist und die Einbindung der Allgemeinpädiatrie in den Reha-Prozess in besonderem Maße zu fördern ist.

Praktische Implikationen: Die Studienergebnisse geben einen aktuellen Einblick über den wahrgenommenen Stellenwert rehabilitativer Leistungen im pädiatrischen Versorgungskontext aus Sicht der niedergelassenen Allgemeinpädiatrie. Ferner ermöglichen sie die Ableitung von Handlungsempfehlungen, inwieweit niedergelassenen Ärzte für eine künftig bedarfsgerechte Reha-Zuweisung erreicht werden können.