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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Antragsverhalten zur onkologischen Reha–eine Expertenstudie

Meeting Abstract

  • Carolin Dresch - Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für onkologische Rehabilitation in der Klinik für Tumorbiologie, Freiburg
  • Joachim Weis - Universitätsklinikum Freiburg, Tumorzentrum/CCC Freiburg, Freiburg
  • Hans Helge Bartsch - Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Onkologische Rehabilitation in der Klinik für Tumorbiologie, Freiburg
  • Phillip Maiwald - Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Onkologische Rehabilitation in der Klinik für Tumorbiologie, Freiburg
  • Walter Baumann - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO), Köln
  • Stefanie Joos - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen
  • Ulrich Kurlemann - Universitätsklinikum Münster, Stabsstelle Sozialdienst/Case Management, Münster
  • Jan Valentini - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf073

doi: 10.3205/18dkvf073, urn:nbn:de:0183-18dkvf0734

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Dresch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Daten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zeigen in den letzten Jahren sowohl im Bereich der Anschlussrehabilitation als auch im Bereich der allgemeinen Heilverfahren einen Rückgang der Anträge für onkologische Rehabilitationsmaßnahmen auf. Diese Entwicklung zeigt sich trotz der steigenden Inzidenzzahlen in der Gruppe der Krebserkrankungen [1]. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Gründe für diese (Nicht-) Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen nur wenig erforscht und bestehende Veröffentlichungen beschränken sich zumeist auf patientenseitige Untersuchungen [2]. Die Perspektive der in der onkologischen Versorgung und Beratung tätigen Experten sollte jedoch ebenfalls berücksichtigt werden, da diese die Antragstellung zur Rehabilitation über Informationsvermittlung, Beratung, Bedarfserhebung sowie andere Maßnahmen steuern.

Fragestellung: Welche Ursachen und Gründe gibt es für die Veränderung des Antragsverhaltens im Bereich der onkologischen Rehabilitation (stationäre und ambulante Maßnahmen) aus Sicht von verschiedenen Expertengruppen?

Methode: Es handelt sich um eine explorative multizentrische Querschnittserhebung mit qualitativer und quantitativer Methodik, wobei in diesem Beitrag ausschließlich die qualitativen Studienergebnisse beschrieben werden. Zwischen September 2017 und April 2018 wurden bundesweit 61 teilstrukturierte Interviews mit den folgenden in der onkologischen Versorgung tätigen Expertengruppen geführt: Ärzte (n=26), Sozialarbeiter (n=22), Psychologen/Psychoonkologen (n=6), medizinische Fachangestellte (n=5), Verwaltungsangestellte der DRV (n=2). Mittels eines zielgruppenspezifischen Leitfadens wurden die Teilnehmer zu ihren Erfahrungen mit Anträgen zur onkologischen Rehabilitation sowie ihren Einschätzungen und Bewertungen bezüglich möglicher Gründe für eine (Nicht-) Inanspruchnahme befragt. Die Interviews wurden transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring [3] EDV-gestützt (MAXQDA) induktiv ausgewertet.

Ergebnisse: Aus dem Datenmaterial konnten drei Hauptkategorien (patientenbezogene, systembezogene und expertenbezogene Barrieren) gebildet werden. Bei den patientenbezogenen Barrieren liegt ein besonderer Fokus auf der Subkategorie Krankheitsverarbeitung. Hierbei stellen der Wunsch der Patienten nach Hause zu kommen und den Alltag wieder erleben zu können sowie die Angst in der Rehabilitationsklinik mit der Krankheit konfrontiert zu werden besonders relevante Gründe für die Ablehnung einer onkologischen Reha dar. Zudem geben 24 der befragten Experten als wesentlichen Hinderungsgrund die nicht ausreichende Rehabilitationsfähigkeit der Patienten an. Weiterhin können soziale Verpflichtungen (z. B. Kinder, Beruf, Haustiere) den Zugang zur onkologischen Rehabilitation erschweren. Bei der Hauptkategorie Systembezogen wurden am häufigsten jene Barrieren genannt, die sich auf das Antragsverfahren beziehen. Hierunter zählen bestehende unklare Zuständigkeiten im Prozess der Antragsstellung und die Einschätzung, dass die Antragsstellung kompliziert/aufwendig sei. Betrachtet man die expertenbezogenen Barrieren, so steht eine unzureichende Aufklärung des Patienten zur onkologischen Reha im Vordergrund. Darüber hinaus umfasst die Subkategorie Informiertheit ein auf Expertenseite bestehendes Informationsdefizit bezüglich des Antragsverfahrens.

Diskussion: Einige der identifizierten Barrieren decken sich mit den Ergebnissen aus anderen empirischen Untersuchungen [2] und ergänzen diese durch die Expertensicht. Die vorliegenden Ergebnisse bilden eine notwendige Vorarbeit für die Entwicklung eines standardisierten Fragebogens, sodass die gewonnenen qualitativen Studienergebnisse in einer quantitativen Querschnittserhebung überprüft werden.

Praktische Implikationen: Die dargelegten Studienergebnisse bilden die Basis, um mögliche Ursachen für den Antragsrückgang in der onkologischen Rehabilitation zu identifizieren. Zusammen mit Studienergebnissen, die den Fokus auf die Patientenperspektive legen, werden mögliche Ansatzpunkte für den Abbau von bestehenden Barrieren des Zugangs zur onkologischen Rehabilitation aufgezeigt.


Literatur

1.
Robert Koch-Institut. Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. Epidemiologisches Bulletin. 2017; (5):43-54.
2.
Deck R, Walther AL. Warum gehen onkologische Reha-Anträge und Reha-Leistungen der Deutschen Rentenversicherung zurück? Ergebnisse qualitativer Interviews mit Patienten aus onkologischen Versorgungszentren. Prävention und Rehabilitation. 2017;29(2):76-83.
3.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11. Aufl. Weinheim: Beltz; 2017.