gms | German Medical Science

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Frühmobilisation auf der Intensivstation: Ein qualitative Studie zur Identifizierung von Förderfaktoren und Barrieren in der interprofessionellen Zusammenarbeit

Meeting Abstract

  • Marietta Handgraaf - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Bochum
  • Ariane Demirci - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Bochum
  • Mona Ruda - Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel gGmbH, Reha-Kupferdreh, Essen
  • Jennifer Albert - Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel gGmbH, Reha-Kupferdreh, Essen
  • Thomas Klein - Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel gGmbH, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Essen
  • Christian Grüneberg - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Bochum

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf058

doi: 10.3205/18dkvf058, urn:nbn:de:0183-18dkvf0582

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Handgraaf et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Frühmobilisation von Patienten auf der Intensivstation ist ein interprofessionelles und evidenzbasiertes Konzept zur Verbesserung der Patientenversorgung. Nachgewiesene Effekte sind eine Reduktion der Beatmungsdauer, eine Zunahme der Gehfähigkeit und eine verbesserte respiratorische Funktion. Zudem kann durch eine Frühmobilisation die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und die Gesamtliegezeit im Krankenhaus verkürzt werden. Voraussetzung ist dabei eine stringente Implementierung von strukturierten Mobilisations- und Dokumentationsstandards innerhalb eines interprofessionellen Teams auf der Intensivstation. Eine Umfrage zur Umsetzung von Frühmobilisation in Deutschland zeigt allerdings Unklarheiten bezüglich der Verantwortung für die Initiierung, Durchführung und Evaluation im interprofessionellen Team. Die Implementierung eines interprofessionellen Mobilisationsalgorithmus zur Definition und regelgeleiteten Steuerung von Zuständigkeitsbereichen und Handlungsoptionen innerhalb eines interprofessionellen Teams (Professionen Physiotherapie, Pflege und Medizin) erscheint erforderlich.

Fragestellung: Welchen Förderfaktoren und Barrieren begegnet man bei der Implementierung eines interprofessionellen Mobilisationsalgorithmus im Rahmen der interprofessionellen Zusammenarbeit?

Methode: Auf einer gemischten Intensivstation (12 Betten) wurde ein Mobilisationsalgorithmus implementiert, welcher Zuständigkeit und Handlungsoptionen klar regelt. Die Vorgehensweise in der Indikationsstellung, Assessments vor der Mobilisierung und als entsprechendes Outcome, Durchführung der Mobilisation und Abbruchkriterien wurden im Vorfeld durch das interprofessionelle Team (Physiotherapie, Pflege und Medizin) abgestimmt und in einem Mobilisationsprotokoll festgehalten. Zur Evaluation von Förderfaktoren und Barrieren bei der Implementierung eines interprofessionellen Mobilisationsalgorithmus wurde eine Fokusgruppe zu drei verschiedenen Zeitpunkten (zu Beginn, in der Mitte und zum Ende der Studienlaufzeit) durchgeführt. An den Fokusgruppen nahmen Vertreter*innen der am Algorithmus beteiligten Professionen Medizin, Pflege und Physiotherapie teil. Zusätzlich zu den Fokusgruppen wurden zur Halbzeit semistrukturierte Interviews mit einzelnen Vertreter*innen der verschiedenen Professionsgruppen geführt.

Die Fokusgruppen zu den einzelnen Zeitpunkten sowie die Interviews wurden aufgenommen und transkribiert. Die Analyse der Förderfaktoren und Barrieren wurden auf der Basis einer Checkliste von Wensing et al. (2005) in die Determinanten (1) individuelle Ebene, (2) Organisationsebene, (3) professionelle Interaktion und (4) faktorenbezogene Strukturen klassifiziert und entsprechend Ihrer Passung diskutiert. Die Analyse erfolgte mit der Auswertungssoftware MAXQDA 12 für Windows.

Ergebnisse: Die Fokusgruppen setzten sich aus 5 bis 6 Teammitglieder der Intensivstation zusammen (Physiotherapie, Pflege und leitende Oberarzt/-ärztin). Interviews wurden mit jeweils einem/r Vertreter*in von jeder Profession durchgeführt. Die Analyse zeigt die meisten Förderfaktoren auf der individuellen und der Interaktionsebene, einige davon wurden erst während des Projektverlaufs identifiziert. Insgesamt zeigt sich, dass standardisierte Strukturen und Abläufe die Zusammenarbeit zwischen den Professionen fördern. Geregeltere Besprechungszeiten, Zuständigkeiten sowie feste Ansprechpartner sind Förderfaktoren, die die Kommunikation untereinander begünstigen. Neue Prozessabläufe wie Abstimmungen beim Legen von mobilisationserleichternden Zugängen oder der Bildung von zielgerichteten und abgestimmten Handlungsketten am Patienten entstehen. Die Barrieren werden vermehrt auf der Organisationsebene identifiziert, wie z.B. erhöhter Zeitaufwand für die interprofessionellen Mobilisationsprotokolle, Organisation der Verordnungsstruktur sowie Zeitmangel im Allgemeinen. Manche Themen wie z.B. das Sedierungsmanagement wurden in Zusammenhang mit der Frühmobilisation noch nicht vollumfänglich (inter)professionell analysiert und besprochen.

Diskussion: Ein interprofessioneller Mobilisationsalgorithmus steuert die Arbeitsabläufe zwischen den Berufsgruppen der Physiotherapie, Pflege und Medizin und regelt damit die Zuständigkeiten zwischen den Professionen und deren Entscheidungsfindung. Die identifizierten Förderfaktoren und Barrieren sind bei der Implementierung und Anpassung von Frühmobilisierungskonzepten auf einer Intensivstation zu berücksichtigen. Sedierungsmanagement und Verordnungsstrukturen sind weiter auf ihre Einflussnahme von Frühmobilisation zu prüfen.

Praktische Implikationen: Die Implementierung von Frühmobilisation auf der Intensivstation mittels eines interprofessionellen Mobilisationsalgorithmus fördert die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsprofessionen.