gms | German Medical Science

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Gut informierte Arzt-Patienten-Kommunikation bei Rückenschmerz: Die cluster-randomisierte GAP-Studie

Meeting Abstract

  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Freiburg
  • Sebastian Voigt-Radloff - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Institut für Evidenz in der Medizin (für Cochrane Deutschland Stiftung), Freiburg
  • Andrea Schöpf - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Freiburg
  • Martin Boeker - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Freiburg
  • Klaus Kaier - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Institut für Medizinische Biometrie und Statistik, Freiburg
  • Mirjam Körner - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Medizinische Fakultät, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Freiburg
  • Katharina Kunzweiler - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Institut für Evidenz in der Medizin (für Cochrane Deutschland Stiftung), Freiburg
  • Britta Lang - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Institut für Evidenz in der Medizin (für Cochrane Deutschland Stiftung), Freiburg
  • Jörg Meerpohl - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Institut für Evidenz in der Medizin (für Cochrane Deutschland Stiftung), Freiburg
  • Ralph Möhler - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Institut für Evidenz in der Medizin (für Cochrane Deutschland Stiftung), Freiburg
  • Wilhelm Niebling - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Lehrbereich Allgemeinmedizin, Freiburg
  • Julia Serong - Technische Universität Dortmund, Institut für Journalistik, Dortmund
  • Renate Lange - BKK Landesverband Bayern, Versorgungsmanagement, München
  • Piet van der Keylen - Universitätsklinikum Erlangen, Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen
  • Andy Maun - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Lehrbereich Allgemeinmedizin, Freiburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf038

doi: 10.3205/18dkvf038, urn:nbn:de:0183-18dkvf0383

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Farin-Glattacker et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Rückenschmerzen haben einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen und verursachen in der Behandlung hohe Kosten. In Deutschland wird das Fehlen von verständlichen und niedrigschwelligen Informationsquellen als wesentlicher Mangel für förderliches Gesundheitsverhalten und adäquate Gesundheitsentscheidungen angesehen. Als Grundlage für verständliche und patientengerechte Information liegt der Großteil der international verfügbaren Evidenz zur Wirksamkeit von Gesundheitsinterventionen nur auf Englisch vor. Zudem fehlt oft eine ausgeglichene Darstellung von Nutzen und Risiken. Deutschsprachige Informationsangebote sind für Patienten häufig nicht ausreichend verständlich und ihre Qualität und wissenschaftliche Fundierung für sie schwer zu bewerten. Vor diesem Hintergrund hat auch das IQWIG Anfang 2018 ein „Konzept für ein nationales Gesundheitsportal“ vorgelegt.

Fragestellung: Die Studie „Gut informierte Arzt-Patienten-Kommunikation“ (GAP) untersucht die Wirkung eines leicht navigierbaren und gut verständlichen internetbasierten Informationsportals zur Nutzung durch Patienten mit Rücken¬schmerzen und ihre Hausärzte. Evaluiert werden die Wirkungen auf primären Endpunkte a) Informiertheit von Hausärzten und Patienten und b) Arzt-Patient-Kommunikation sowie auf die sekundären Endpunkte Gesundheitskompetenz, kommunikationsbezogene Selbstwirksam-keitserwartung und Arbeitsunfähigkeitstage. Die Studie wird gefördert vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss, Förderkennzeichen 01NVF17010.

Methode: Das Projekt besteht aus einer Pilotstudie, der Hauptstudie und einer Teilstudie zur Prüfung der Generalisierbarkeit. In der Pilotstudie wird bei 25 Hausärzten und Rückenschmerz-Patienten durch Interviews und Eye-Tracking untersucht, wie verständlich, navigierbar und nutzbar eine erste Fassung des Internetportals ist. Die Hauptstudie untersucht die zentrale Frage der Wirkungen des Portals auf die primären und sekundären Endpunkte. Realisiert wird ein prospektiver cluster-RCT mit prä-, post- und einer Follow-Up-Messung. Befragt werden 150 Hausärzte und 1.500 BKK-Versicherte mit Rückenschmerz (jeweils zwei Drittel davon in der Interventionsgruppe, ein Drittel in der Kontrollgruppe). Die Kontrollgruppe erhält die Routinekonsultation (ohne Nutzung des Rückenschmerzportals). In der abschließenden Teilstudie zur Generalisierbarkeit wird untersucht, wie verständlich, navigierbar und nutzbar ein Internetportal für andere Indikationen als Rückenschmerz ist. Eingesetzt wird eine Suchmaschine für unabhängige, aktuelle, evidenzbasierte und verständliche Informationen zu medizinischen Themen außerhalb von Rückenschmerz. Es werden 25 Hausärzte und Patienten interviewt und ca. 200 Hausärzte und Patienten im Internet mit einem Online-Fragebogen befragt. Endpunkte sind Nutzer-Zufriedenheit, Akzeptanz, Qualität und Praktikabilität der Suchmaschine sowie Nutzungsverhalten.

Ergebnisse: Mit der Studie wird eine Entscheidung über folgende zentrale Hypothesen möglich sein:

1.
Hausärzte und Patienten, die das Portal nutzen, beurteilen ihre Informiertheit und die Arzt-Patient-Kommunikation nach der Konsultation als signifikant besser als diejenigen, die das Portal nicht nutzen.
2.
Patienten, die das Portal nutzen, bewerten ihre Gesundheitskompetenz und Selbstwirksamkeitserwartung drei Wochen nach der Konsultation als signifikant besser als diejenigen, die die Ressource nicht nutzen.
3.
Die Arbeitsunfähigkeitstage der Patienten, die das Portal nutzen, sowie ihre Inanspruchnahme des Gesundheitsversorgungssystems fallen signifikant niedriger aus als bei denjenigen, die die Ressource nicht nutzen.

Diskussion: Durch eine evidenzbasierte Auswahl und die nutzerfreundliche Aufbereitung von Informationen für Patient und Arzt kann das GAP-Informationsportal dazu beitragen, die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu optimieren. Eine gut funktionierende Kommunikation hat auf weitere Endpunkte wie z.B. Adhärenz einen positiven Einfluss. Gut informierte Patienten sind zudem besser in der Lage, partizipativ an der Behandlung mitzuwirken. Die persönliche Kommunikation wird durch die digitalen Techniken nicht ersetzt, sondern unterstützt. Die Ergebnisse der Studien könnten auch im Rahmen anderweitiger Initiativen (wie z.B. dem vom IQWIG konzipierten „nationalen Gesundheitsportal“) aufgegriffen werden.

Praktische Implikationen: Bei positiven Evaluationsergebnissen soll das Portal allen Hausarztpraxen und Patienten zugänglich gemacht werden. Über eine Vergütung der besonderen Konsultationsform durch gesetzliche Krankenkassen im Rahmen der Regelversorgung müssen Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen geführt werden. Mit der dritten Studienphase zur Generalisierbarkeit werden Grundlagen zur Übertragbarkeit der Intervention auf andere Indikationen geschaffen.