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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Entwicklung und Validierung eines generischen Instruments zur Erfassung von Patienten-Empowerment

Meeting Abstract

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  • Anna Ehmann - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen
  • Ingo Meyer - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln
  • Monika A. Rieger - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen
  • Achim Siegel - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf036

doi: 10.3205/18dkvf036, urn:nbn:de:0183-18dkvf0362

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Ehmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Für das Konzept des Patienten-Empowerments (PE) gibt es weltweit 21 Definitionen (Castro et al. 2016). Zusätzlich bestehen ähnliche Konzepte, die teils synonym und teils ergänzend verwendet werden (Fumagalli et al. 2015). Obwohl es Schwierigkeiten bei der Erfassung des Konzepts PE gibt, stellt PE einen wichtigen Bestandteil der Behandler-Patient-Beziehung dar und kann zu positiven gesundheitlichen Outcomes führen. Im deutschen Sprachraum gibt es bislang noch kein validiertes Instrument zur Erfassung von PE, das indikationsunabhängig eingesetzt werden kann. Ziel der Studie war es, ein solches zu entwickeln und in einer Stichprobe von Patienten mit und ohne chronische Erkrankung zu validieren.

Fragestellung: Kann der entwickelte Fragebogen zur Erhebung von Patienten-Empowerment reliable und valide Ergebnisse liefern?

Methode: Auf Basis einer Literaturrecherche zu PE und möglichen Teilaspekten wurden Items entwickelt, die PE erfassen sollen. Um die Inhaltsvalidität zu gewährleisten und die Verständlichkeit der Items zu überprüfen, wurde ein Pretest mit 26 Personen durchgeführt. Entsprechend den Rückmeldungen wurden die Items angepasst. Eine Version mit 13 Items resultierte und floss in eine postalische Befragung mit dem Hauptzielkriterium Patientenzufriedenheit ein.

Die entwickelten Items waren Bestandteil einer Querschnittsbefragung eingeschriebener Versicherter in ein Integriertes Versorgungsmodell. Im Sommer 2017 wurden 3218 eingeschriebene Versicherte zufällig ausgewählt und nach ihrer Zufriedenheit mit dem Leistungserbringer ihres Vertrauens und der Zufriedenheit mit der gesundheitlichen Versorgung befragt.

1168 Fragebögen konnten ausgewertet werden. Zur Validierung des Erhebungsinstruments wurden zwei Subgruppen gebildet. Zunächst wurde explorativ eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt (n = 584). Zur Ermittlung der Reliabilität wurde der Cronbachs-Alpha-Koeffizient (interne Konsistenz) für die Gesamtstichprobe und beide Subgruppen errechnet. Zur Konstruktvalidierung wurde mit der zweiten Subgruppe (n = 584) eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt. Zusätzlich wurden die konvergente Validität mit der Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) (Jerusalem & Schwarzer 1999) ermittelt sowie weitere Hypothesentests durchgeführt.

Ergebnisse: Der Rücklauf der Befragung lag bei 36,3%. Die soziodemographischen Merkmale (Alter, Geschlecht, höchster Schulabschluss, allgemeiner Gesundheitszustand, chronische Erkrankung) der beiden Subgruppen unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Das Alter der Befragungsteilnehmer lag durchschnittlich bei 62 Jahren (SD = 15,9). Über die Hälfte der Befragungsteilnehmer war weiblich (56,7%). Knapp über die Hälfte der Befragungsteilnehmer (51,1%) schätzte den allgemeinen persönlichen Gesundheitszustand als sehr gut oder gut, 38,2% als mittel und 8,7% als schlecht oder sehr schlecht ein. 55,7% der Befragten gaben an, unter einer oder mehreren chronischen Erkrankungen zu leiden.

In der explorativen Analyse konnten zwei zugrundeliegende Faktoren ermittelt werden: Selbstmanagement und Behandler-Patient-Kommunikation. Ein Item wurde aufgrund geringerer Faktorladung herausgenommen. Die interne Konsistenz der beiden Faktoren (9 und 3 Items) lag zwischen α = 0,799 und α = 0,904. In der konfirmatorischen Analyse zeigte das Zwei-Faktoren-Modell mit 12 Items eine akzeptable Modellgüte (CFI = 0,922; TLI = 0,899). Die Hypothesen zur konvergenten Validität konnten bestätigt werden: Die Scores PE und SWE korrelierten hoch miteinander (r = 0,559; p < 0,000); die Korrelation mit einem Score zur Gesundheitskompetenz fiel geringer aus (r = 0,281; p < 0,000); es besteht eine moderate Korrelation mit dem allgemeinen Gesundheitszustand (r = 0,465; p < 0,000).

Diskussion: Diese Studie deutet darauf hin, dass sich das entwickelte Instrument dazu eignet, reliable und valide Ergebnisse zur indikationsunabhängigen Erfassung von PE zu ermitteln. Die beiden Faktoren, die mit Selbstmanagement und Behandler-Patient-Kommunikation beschrieben werden können, decken sich mit anderen Studien (Chiauzzi et al. 2016; Small et al. 2013) und können zu einem verbesserten Verständnis von PE beitragen. Möglich ist jedoch, dass nicht alle Teilaspekte von PE mit den Items abgedeckt sind.

Eine Einschränkung stellt die positive Selektion der Befragungsteilnehmer als eingeschriebene Versicherte in die Integrierte Versorgung dar. Daher sollten die Ergebnisse in einer anderen Stichprobe verifiziert werden. Wünschenswert wäre zudem die Überprüfung der Änderungssensitivität des Instruments.

Praktische Implikationen: Das entwickelte und validierte Instrument kann unabhängig von bestimmten Indikationen zur Erfassung des Patienten-Empowerment im Versorgungsforschungskontext eingesetzt werden.