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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Entwicklung und Evaluation von E-Mental-Health-Interventionen zur Entstigmatisierung von Suizidalität (4E)

Meeting Abstract

  • Mareike Dreier - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Julia Ludwig - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut für Medizinische Soziologie, Hamburg
  • Martin Härter - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Olaf von dem Knesebeck - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut für Medizinische Soziologie, Hamburg
  • Johanna Baumgardt - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg
  • Thomas Bock - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg
  • Jörg Dirmaier - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Sarah Liebherz - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf011

doi: 10.3205/18dkvf011, urn:nbn:de:0183-18dkvf0117

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Dreier et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Jahr 2015 starben in Deutschland knapp 10.000 Menschen durch Suizid, die Anzahl der Suizidversuche ist deutlich höher. Die Mehrheit dieser Todesfälle erfolgt in den westlichen Industrieländern vor dem Hintergrund einer psychischen Erkrankung. Angst vor Stigmatisierung, fehlende Angebote und ungenügende Information verhindern oft, dass Hilfe in Anspruch genommen wird. Menschen, die keinen Zugang zur Versorgung finden, sollten barrierefreie Möglichkeiten angeboten werden, sich über die eigene Problematik zu informieren und diese durch eine verbesserte Gesundheitskompetenz besser zu bewältigen. Internetbasierte Anwendungen können helfen, sich zu informieren, das Ausmaß der eigenen Betroffenheit abzuschätzen, lokale Behandlungsangebote zu finden und sich auf Behandler/innenkontakte vorzubereiten. Aufklärungskampagnen können helfen, Stigmatisierung zu reduzieren und die Aufgeschlossenheit gegenüber Hilfsangeboten zu fördern. Zu E-Mental-Health-Ansätzen in der Suizidprävention liegen bislang wenige Studien vor.

Fragestellung: Ziele und Hauptfragestellungen des Projekts sind

1.
Durchführung einer Bevölkerungsbefragung zu Wissen und Einstellungen zu Suizidalität: Was weiß und denkt die Bevölkerung über Suizidalität?
2.
Erstellung von E-Mental-Health-Interventionen zur Verbesserung des Wissens und zur Reduktion von Stigmatisierung von Suizidalität
3.
Evaluation der interaktiven Online-Intervention: In welchem Ausmaß reduziert eine interaktive Online-Intervention Selbst-Stigmatisierung sowie subjektiv wahrgenommene Fremd-Stigmatisierung und verbessert das Wissen über Suizidalität?

Methode:

Ziel 1) Mithilfe einer telefonischen Querschnittbefragung durch ein professionelles Sozialforschungsinstitut werden in Deutschland N=2000 Personen zu Wissen und Einstellungen bezüglich Suizidalität befragt. Dazu werden acht Fallvignetten (variiert nach Alter, Geschlecht und Krisensituation) eingesetzt, in denen suizidgefährdete Personen beschrieben werden. Jeder/m Befragten wird eine Vignette per Zufall zugeordnet. Dabei kommen Instrumente aus der Stigmaforschung zu psychischen Erkrankungen und Suizidalität zum Einsatz. Die statistische Auswertung erfolgt mit verschiedenen Verfahren: Mann-Whitney-U-Test bzw. t-Test, χ2-Test, multiplen linearen Regressions- und Varianzanalysen.

Ziel 2) Unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien zur Erstellung von Gesundheitsinformationen (z.B. Manual „Gute Praxis Gesundheitsinformation“) werden evidenzbasierte Informationen zu Suizidalität entwickelt. Als Quellen werden Versorgungsleitlinien und systematische Übersichtsarbeiten herangezogen und neben Expert/innen, auch Betroffene von Suizidalität sowie Angehörige in die Erstellung einbezogen. Zudem wird eine interaktive Online-Intervention (inkl. Erfahrungsberichten in Videoform von Betroffenen und Angehörigen) – orientiert am australischen Projekt „The Ripple Effect“ erstellt. Zielgruppe der Intervention sind Menschen mit Suizidgedanken oder -versuchen in der Vorgeschichte, deren Angehörige sowie an der Thematik Interessierte.

Ziel 3) Zur Evaluation der Online-Intervention wird eine Interventionsstudie ohne Kontrollgruppe mit Mixed-Methods-Design und drei Messzeitpunkten realisiert. Zu Beginn (t0) sowie zum Ende der Intervention (t1) werden Einstellungen und Wissen zu Suizidalität (Stigma of Suicide Scale (SOSS) und Literacy of Suicide Scale (LOSS)) erhoben. Zu einem dritten Messzeitpunkt (t2; drei Monate nach Abschluss der Intervention) erfolgen halbstrukturierte Follow-up-Telefoninterviews mit 10 freiwilligen Teilnehmer/innen. Nach einer konservativen Powerkalkulation wird eine Stichprobe von mindestens N=344 angestrebt.

Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert (Förderkennzeichen: 2517FSB117).

Ergebnisse: Die Bevölkerungsbefragung befindet sich aktuell in der Pilotphase (N=30) und wird im April 2018 durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragung werden präsentiert. Wissenslücken und stigmatisierende Tendenzen sollen mithilfe der Befragung detektiert und im Anschluss von der Online-Intervention adressiert werden. Erste Module der E-Mental-Health-Interventionen (z.B. Gesundheitsinformation zu Suizidalität) sollen inkl. Nutzerzahlen vorgestellt werden. Die Online-Intervention befindet sich in der Entwicklungsphase. Es wird erwartet, dass die Teilnehmer/innen nach der Online-Intervention mehr Wissen über Suizidalität und weniger stigmatisierende Einstellungen zeigen.

Diskussion: Das Konzept der gesamten Studie, die finalen Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung sowie erste Bestandteile der E-Mental-Health-Interventionen sollen in diesem Beitrag vorgestellt und diskutiert werden.

Praktische Implikationen: Eine wirksame Intervention mit evidenzbasierten Informationen zu Suizidalität kann zur Entstigmatisierung von Suizidalität beitragen, das Aufsuchen von Hilfsangeboten befördern und somit einen Beitrag zur Suizidprävention leisten.