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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Patientenindividuelle Impfdaten zu Masern, Mumps, Röteln und Varizellen in niedergelassenen Praxen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Detlef Schröder-Bernhardi - IMS HEALTH, Frankfurt am Main, Germany
  • presenting/speaker Stefanie Sarah Grunow - IMS HEALTH, Frankfurt am Main, Germany
  • York Francis Zöllner - Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO5-3-05-164

doi: 10.3205/13dkvf317, urn:nbn:de:0183-13dkvf3178

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Schröder-Bernhardi et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Impfungen gehören zu den wirksamsten Präventivmaßnahmen, die der Medizin zur Verfügung stehen. Anders als z.B. in Schweden (http://www.smittskyddsinstitutet.se/amnesomraden/vaccinationer/vaccinationsregister/), Dänemark [1] oder Norwegen (http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=20147) existiert in Deutschland kein Impfregister, das die Zahl verimpfter Dosen und geimpfter Personen oder Nebenwirkungen von Impfstoffen erfasst.

In Deutschland besteht keine Impfpflicht - die Sicherstellung des Impfschutzes ist Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Die Dokumentation des Arztes ist unzureichend; Abrechnungen erfolgen über Impfziffern. In vielen KVen werden Impfungen als Sprechstundenbedarf zu Lasten der zuständigen Krankenkassen abgerechnet, wenige Impfungen erfolgen patientenbezogen auf Muster16-Rezepten.

Impfdaten werden über Befragungen erfasst, Verdachtsfälle von Impfkomplikationen sind durch Ärzte und Apotheker dem Paul-Ehrlich-Institut zu melden [2].

Mittlerweile dokumentieren viele Ärzte Impfungen über einen elektronischen Impfassistenten, einem Softwaremodul zur Verwaltung von Impfpatienten. Auf Basis ausgewählter Haus- und Fachärzte mit einem Impfassistenten, wurde die Datenbank Vaccine Analyzer zu patientenindividuellen Impfungen aufgebaut, die inzwischen Informationen zu geimpften Patientenanonymen von über 3 Jahren enthält. Die Daten werden zeitnah monatlich aktualisiert. Eingeschlossene Praxen stellen Impfdaten zur Verfügung, die mit Patientenhistorien aus dem Praxisverwaltungssystem verknüpft und in die Datenbank Vaccine Analyzer integriert werden. Aufbau und Struktur des Vaccine Analyzers entsprechen dem Disease Analyzer, der seit vielen Jahren für pharmakoedidemiologische und gesundheitsökonomische Fragestellungen verfügbar ist. Für den Disease Analyzer wurden Validität und Repräsentativität nachgewiesen [3].

Um den Ausbruch von Pandemien und Epidemien zu vermeiden, empfiehlt die STIKO prophylaktisch zu impfen [4]. Dazu gehören Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR), u.a. auch gegen Varizellen (MMR-V), da der Ausbruch zu schweren Schädigungen oder lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen führen kann.

Methodik: Der Vaccine Analyzer untersucht, ob sich die Empfehlungen der STIKO in einem adäquaten Impfverhalten widerspiegeln. Die Datenbank basiert aktuell auf 250 hausärztlichen, pädiatrischen und gynäkologischen Stichprobenpraxen und wird auf 400 Praxen ausgebaut. Zurzeit liegen Historien von 200.000 Patienten mit mindestens einer Impfung in den letzten 37 Monaten vor.

Mit Hilfe einer Datenbankabfrage wurde die Versorgungssituation bei der empfohlenen 3- bzw. 4-Fach-Impfung zu MMR(-V) exploratorisch analysiert. Es wurden über 9.000 Patienten beim Pädiater mit mindestens einer MMR(-V) Impfung in den letzten 12 Monaten selektiert. Die hierarchisch aufgebaute Datenbank erlaubt Stratifizierungen, z.B. nach Alter, Geschlecht oder Impfabständen.

Ergebnisse: Auf Basis von 39 pädiatrischen Praxen zeigt der Vaccine Analyzer zu MMR(-V) Impfungen für den Zeitraum April 2012 - März 2013 folgende Ergebnisse, die sich ausschließlich auf den Analysezeitraum beziehen:

Impfpraxen impfen im Durchschnitt 240 Kinder gegen MMR(-V)

  • 83% sind 0-2 Jahre alt
  • 51% der geimpften MMR(-V) Patienten sind männlich
  • 36% erhalten ausschließlich MMR Impfstoffe
  • 48% ausschließlich MMR-V Impfstoffe
  • 16% sowohl MMR als auch MMR V Impfungen

Bei der 1. MMR-V Impfung zeigt die Versorgungsrealität:

  • 48% werden, wie empfohlen, zwischen dem 11. und 14. Lebensmonat geimpft
  • 44% später, aber noch im 2. Lebensjahr
  • 8% werden erstmalig nach dem 2. Lebensjahr geimpft

Der Impfabstand zwischen 1. und 2. MMR-V Impfung soll laut Fachinfo 6 Wochen bis 3 Monate betragen. Der Versorgungsalltag zigt:

  • 5% erhalten ihre 2. Impfung vor Ablauf von 6 Wochen
  • 48% innerhalb von 6-12 Wochen
  • 26% innerhalb von 12-16 Wochen
  • 21% zwischen 16 und 44 Wochen

Zusatzanalysen evaluieren, wie viele Patienten nach dem 24. Lebensmonat bzw. mit einem Impfabstand > 11 Monate eine 2. Impfung erhalten.

Diskussion/Schlussfolgerung: Der Vaccine Analyzer dokumentiert und analysiert auf patientenindividueller Ebene Impfungen und ergänzt die Daten aus randomisierten klinischen Studien.

Die Datenbank liefert belastbares Zahlenmaterial; die Validität wird durch Qualitätsprüfungen abgesichert.

Die Repräsentativität kann auf Grundlage der teilnehmenden Praxen nicht abschließend sichergestellt werden, jedoch zeigen Vergleiche zu anderen Sekundärdatenquellen hohe Übereinstimmungen.

Apotheken haben im Analysezeitraum 1,2 Millionen MMR(-V) Impfdosen an niedergelassene Pädiater abgegeben. Im Vaccine Analyzer wurden 11.889 MMR(-V) Impfungen analysiert. Dies entspricht einer Abdeckung von 1%.


Literatur

1.
Euro Surveill: The Danish vaccination register.
2.
§ § 6, 8 IfSG und § 11 IfSG bzw. § 63 b Arzneimittelgesetz.
3.
Becher H, et al. Validity and representativeness of the Disease Analyzer. Int J Clin Pharmacol Ther. 2009; 47:617-26.
4.
Empfehlungen der STIKO am RKI; Stand: Juli 2