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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Interprofessionelle Fortbildungen im Gesundheitswesen – Vorhandene Qualifizierungsangebote im deutschsprachigen Raum

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Sibel Altin - Institut für Gesundheitskonomie und klinische Epidemiologie, Köln, Germany
  • Ralf Tebest - Institut für Gesundheitskonomie und klinische Epidemiologie, Köln, Germany
  • Stephanie Stock - Institut für Gesundheitskonomie und klinische Epidemiologie, Köln, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO4-3-04-277

doi: 10.3205/13dkvf283, urn:nbn:de:0183-13dkvf2836

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Altin et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Gesundheitswesen sind viele unterschiedliche Berufsgruppen an der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger beteiligt und von ihrer reibungslosen Zusammenarbeit hängt die Kontinuität der Versorgung und somit insbesondere bei chronischen Erkrankungen die Sicherheit der Patienten ab. Einen Ausbau der Interpro¬fessionalität in der Gesundheitsversorgung erhofft man insbesondere durch eine interprofessionelle Gestaltung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe zu erreichen. Das Angebot an interprofessionellen Fortbildungen in Deutschland und dem weiteren deutschsprachigen Raum ist bisher jedoch wenig erforscht.

Das vorliegende Projekt hat das Ziel:

1.
einen umfassenden Überblick über die Anbieter und das Angebot interprofessioneller Fortbildungen im deutsch¬sprachigen Raum zu geben
2.
Erfahrungen der Anbieter bei der Umsetzung interprofessioneller Fortbildungen zu erheben

Methodik: Zur Identifizierung der Anbieter wurde in den Suchmaschinen google, yahoo und MetaGer eine systematische Webrecherche durchgeführt. Dabei wurde eine dreidimensionale Suchstrategie verwendet, die indikations-, einrichtungs- und professionsbezogene Angebote umfasste. Auf diese Weise konnten im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, deutschsprachige Schweiz) 51 Anbieter identifiziert werden. Die Erfahrungen der identifizierten Anbieter mit der Umsetzung interprofessioneller Fortbildungen wurden durch 23 telefonische Experteninterviews mit den LeiterInnen der Bildungseinrichtungen erhoben. Hierzu wurde ein semistrukturierter Interview-leitfaden nach Helferrich et al. 2005 entwickelt pre-getestet und eingesetzt. Die Auswertung der Experteninterviews erfolgte nach den Methoden der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring 2003.

Ergebnisse: Die identifizierten 51 Bildungseinrichtungen bieten insgesamt 261 interprofessionelle Fortbildungsangebote zur Stärkung von Fach-, Personal- und Sozialkompetenzen an. Circa 75 % und somit die Mehrheit der identifizierten interprofessionellen Fortbildungen wird von Bildungseinrichtungen im stationären Sektor vorgehalten. Etwa 80,1 % (n=41) der insgesamt 51 identifizierten Anbieter sind in Deutschland verortet, wobei große regionale Unterschiede zu beobachten sind (vgl. Abb. 3). So weisen NRW (26,8 %; n=11), Bayern (19,5 %; n=8) sowie Baden-Württemberg (12,2 %; n=5), Berlin (12,2 %; n=5) und Hessen (9,8 %; n=4) einen hohen Anteil an Einrichtungen mit einem interprofessionellen Fortbildungsangebot auf. Insgesamt verteilten sich ca. 68 % (n=33) aller identifizierten Einrichtungen auf diese fünf Bundesländer. In Österreich und der deutschsprachigen Schweiz konnten indes 6 bzw. 4 Anbieter von interprofessionellen Fortbildungen ausfindig gemacht werden, was einem Anteil von 11,8 % bzw. 7,8 % des Gesamtangebots entspricht.

Inhaltlich konzentrieren sich die identifizierten interprofessionellen Fortbildungen auf die Bereiche Kommunikation/Umgang mit Patienten, Angehörigen und Angehörigen unterschiedlicher Gesundheitsberufe sowie auf den Erwerb von Koordinations- und Teamkompetenzen und die Umsetzung des Qualitäts- und Risikomanagements im klinischen Versorgungsalltag. Mängel bezüglich des Angebots finden sich in den Bereichen Pädiatrie und der Versorgung behinderter Patienten. Auch Beratungskompetenzen bei rechtlichen (z.B. Patientenverfügung, Delegation von Leistungen) und ethischen Problemstellungen werden derzeit unzureichend thematisiert. Angebote zur Stärkung der Entscheidungskompetenzen und zur Sensibilisierung für Fragen in den Bereichen Veränderungsmanagement und Fehlerkultur sind bisher nur rudimentär vorhanden und sollten ausgebaut werden.

Trotz der grundsätzlichen Überzeugung vom Nutzen interprofessioneller Fortbildungen wird deren Wirkungsgrad bei der derzeitigen Umsetzungspraxis als gering angesehen. So ist zwar eine kontinuierliche Öffnung der Fortbildungen für alle Gesundheitsberufe zu erkennen, jedoch werden die interprofessionellen Angebote bisher hauptsächlich von Pflegekräften in Anspruch genommen. Hier gilt es zukünftig neue Strategien zu entwickeln, um vermehrt Angehörige anderer Gesundheitsberufe für die interprofessionellen Angebote zu gewinnen. Maßnahmen in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und die Restrukturierung der Unternehmens¬organisation (z.B. Zentralisierung von Bildung, Akademiebildung) bieten mögliche Ansatzpunkte.

Diskussion/Schlussfolgerung: Es wäre von großem Vorteil mehr Transparenz über das derzeit bestehende Angebot zu schaffen. Dies könnte durch die Entwicklung einer Plattform für interprofessionelle Fortbildungen erfolgen, auf der bestehende Angebote gesammelt und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten.

Bei den interviewten ExpertInnen besteht Konsens darüber, dass die Verankerung der Interprofessionalität im Versorgungsalltag Anstrengungen erfordert, die über die Implementierung interprofessioneller Fortbildungen hinausgehen. Hierzu gehört insbesondere die Integrierung interprofessioneller Ansätze in die Ausbildung der Gesundheitsberufe.