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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal – Förderung der physiologischen Geburt und der eigenständigen Tätigkeit von Hebammen im klinischen Setting

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Nicola H. Bauer - Hochschule für Gesundheit, Bochum, Germany
  • Hermann Pohlabeln - Leibniz-Institut – BIPS GmbH, Bremen, Germany
  • Beate A. Schücking - Universität Leipzig, Leipzig, Germany
  • Friederike zu Sayn-Wittgenstein - Hochschule Osnabrück, Verbund Hebammenforschung, Osnabrück, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO4-3-01-119

doi: 10.3205/13dkvf281, urn:nbn:de:0183-13dkvf2811

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Bauer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Nach den Kriterien der World Health Organization (WHO 1996) sollten circa 70 bis 80 % aller Schwangeren bei Geburtsbeginn als Low-Risk einzustufen sein, das heißt, ihre Geburten bedürfen keiner medizinischen Intervention. Faktisch steigen die Raten der geburtshilflichen Interventionen und der Kaiserschnitte weltweit aber kontinuierlich. In Deutschland erfahren nur 8,2 % aller Low-Risk-Frauen in der Klinik keine invasiven Interventionen während der Geburt (Schwarz 2008). Im Jahr 2008 betrug die Kaiserschnittrate 30,8 % (BQS 2009). In Deutschland bringen circa 98 % der Frauen ihr Kind im Krankenhaus zur Welt.

Hebammengeleitete klinische Versorgungskonzepte existieren international in verschiedenen Formen. Auf der Grundlage einer Analyse der zwischen 1980 und 2008 erschienenen Studien zu den unterschiedlichen Versorgungskonzepten zur hebam¬men¬¬geleiteten Geburtshilfe werden die Faktoren benannt, die sich positiv auf die Unterstützung der physiologischen Geburt und die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mutter und Kind auswirken. Förderliche Faktoren sind unter anderem die Kontinuität der Betreuung in der Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, die individualisierte, frau-zentrierte Betreuung und die Vermeidung unnötiger medizinischer Interventionen.

Methodik: Die vorliegende Arbeit untersucht das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal in Deutschland anhand einer prospektiv kontrollierten Studie. Die Studie ist ein Teilprojekt des Verbundprojektes Frauen- und familienorientierte geburtshilfliche Versorgungskonzepte: Gesundheitsförderung im Geburtsprozess - Implementierung eines Modellprojektes Hebammenkreißsaal im Verbund Hebammenforschung an der Hochschule Osnabrück durchgeführt. Der Verbund Hebammenforschung (Fachhochschule Osnabrück, Universität Osnabrück und Universität Bremen) wurde im Förderschwerpunkt Angewandte Pflegeforschung vom 01.02.2004 bis 31.01.2007 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Ziel der Studie ist es, für Deutschland Aufschluss über die Auswirkungen des Versorgungskonzeptes Hebammenkreißsaal im Vergleich zum üblichen, ärztlich geleiteten Kreißsaalmodell zu erhalten. Gesunde Schwangere werden im klinischen Setting in der Schwangerschaft und während der Geburt ausschließlich von Hebammen betreut.

Primäre Endpunkte der Studie sind das maternale und kindliche Outcome, medizinische und hebammengeburtshilfliche Interventionen, das Stillverhalten sowie das physische und das psychische mütterliche Wohlbefinden nach der Geburt. Ferner wird die Einstellung der Frauen zu relevanten Aspekten der erfahrenen Betreuung während der Geburt explorativ untersucht. Die Auswertung erfolgt nach Intention-to-Treat.

Die Geburtsverläufe von 238 gesunden Schwangeren, die entweder den Hebammen¬krei߬saal oder das übliche Kreißsaalmodell einer Klinik in der Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006 gewählt und der Studienteilnahme zugestimmt haben, wurden dokumentiert. Acht Wochen nach der Geburt wurden die Studienteilnehmerinnen mittels eines Fragebogens mit validierten und selbstkonstruierten Instrumenten schriftlich befragt (Rücklaufquote 83,2 %).

Ergebnisse: Es zeigen sich signifikante Ergebnisse hinsichtlich einer höheren Rate an Spontangeburten, einer niedrigeren Rate an Kaiserschnitten, weniger medizinischen Interventionen, häufiger eingesetzten hebammengeburtshilflichen Maßnahmen sowie alternativen Geburtspositionen. Es wurde eine höhere Stillrate nach sieben Tagen und acht Wochen postpartum in der hebammengeleiteten Gruppe gemessen. Insgesamt 50 % der Frauen der Interventionsgruppe erfahren eine interventionsfreie Geburt, gegenüber 22,6 % in der Kontrollgruppe. Das kindliche Outcome ist in beiden Gruppen vergleichbar gut.

Diskussion/Schlussfolgerung: Dies ist die erste Studie in Deutschland, die zwei verschiedene gebrutshilfliche Betreuungsmodelle im klinischen Setting untersucht.

Das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal bietet eine Betreuungsoption für gesunde Schwangere und Gebärende im klinischen Setting durch Hebammen, die die Ressour-cen, Bedürfnisse und den Bedarf von Frauen und ihren Familien in den Mittelpunkt der Betreuung stellt. Der Wunsch vieler Frauen, auch in der Klinik eine möglichst interven-tionsarme Geburt mit kontinuierlicher und vertrauter Unterstützung zu erleben, kann in diesem Modell umgesetzt werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Betreuung von gesunden Schwan-geren und Gebärenden durch Hebammen im klinischen Setting positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind hat. Zudem wird durch die hebammengeleitete Geburtshilfe die Möglichkeit einer physiologischen Geburt gefördert.