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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Welche Assoziationen bestehen zwischen einem Aufnahmeassessment zur sozialen Situation geriatrischer Patienten und dem Tätigkeitsaufwand eines Krankenhaussozialdienstes in der Geriatrie und inwieweit sind Prädiktoren erkennbar

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Michaela Pantke - Forschungsgruppe Geriatrie der Charité am EGZB, Berlin, Germany
  • Rolf Nieczaj - Forschungsgruppe Geriatrie der Charité am EGZB, Berlin, Germany
  • Elisabeth Steinhagen-Thiessen - Forschungsgruppe Geriatrie der Charité am EGZB, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO4-2-06-124

doi: 10.3205/13dkvf275, urn:nbn:de:0183-13dkvf2754

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Pantke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Zu den Kennzeichen geriatrischer Patienten zählen Multimorbidität und chronische Erkrankungen, die die funktionellen Fähigkeiten beeinträchtigen und mit tatsächlichen oder drohenden Einschränkungen für die selbständige Lebensführung verbunden sind. In der stationären geriatrischen Behandlung werden deswegen vielfach akutmedizinische und frührehabilitative Leistungen miteinander verknüpft, um den komplexen Problemlagen der Patienten Rechung zu tragen. Zur systematischen Erfassung der spezifischen physischen, psychischen, emotionalen und sozialen Problembereiche eignet sich das geriatrische Assessment, das die Basis der stationären geriatrisch frührehabilitativen Komplexbehandlung bildet. In die geriatrischen Stationsteams ist in der Regel der Sozialdienst integriert, der die individuelle psychosoziale Situation der Patienten erfasst. Dabei wird weit verbreitet das soziale Assessment nach Nikolaus angewendet, in dem die Bereiche soziale Kontakte, Aktivitäten, Wohnsituation und ökonomische Situation beleuchtet werden. Der zentrale Aufgabenbereich des Sozialdienstes ist auf dieser Grundlage die Ermittlung erkrankungsbedingt auftretender Versorgungslücken und die Organisation einer geeigneten nachstationären Versorgung, um die Entlassung aus der stationären Behandlung zu gewährleisten.

Dennoch sind die Sozialdienstleistungen anders als andere therapeutische Maßnahmen bei der Abrechnung der geriatrisch frührehabilitativen Komplexbehandlung nach der Ziffer 8-550 des amtlichen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) weder adäquat erfassbar und dokumentierbar noch für die Vergütung der Abrechnungsziffer relevant. Eine auch abrechnungsfähige Verankerung der Sozialdienstleistungen in den Strukturen der geriatrischen Komplexbehandlung ist wegen der hohen Relevanz für viele Behandlungsfälle und als ein Qualitätsmerkmal anzustreben. In diesem Zusammenhang ist die systematische Erfassung und nachvollziehbare Darstellung der sozialdienstlichen Tätigkeit grundlegend.

Die vorliegende Untersuchung beschäftigte sich vor diesem Hintergrund mit der Fragestellung, welche Assoziationen zwischen der mit dem sozialen Assessment nach Nikolaus bewerteten sozialen Situation der behandelten Patienten in einem geriatrischen Krankenhaus und dem sozialdienstlichen Tätigkeitsaufwand bestehen, der mit Hilfe der OPS-analogen Sozialdienstprozeduren für die Geriatrie (SozOPS-G) erfasst wurde. Daneben wurde untersucht, inwieweit Prädiktoren für den sozialdienstlichen Aufwand erkennbar sind.

Methodik: In der retrospektiven Untersuchung wurden die Daten von 2274 Patienten ausgewertet, die in einem geriatrischen Akutkrankenhaus vollstationär behandelt und in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2007 entlassen wurden. In die statistischen Analysen wurden Basis- und ergänzende Parameter wie der sozialdienstliche Tätigkeitsaufwand einbezogen. Daneben wurden die Befunde aus dem geriatrischen Assessment als Variablen für die Einschränkungen und Ressourcen der Patienten im physischen, psychischen, emotionalen und sozialen Bereich einbezogen.

Ergebnisse: Die Ergebnisse der Analysen zeigen, dass die Patienten der Stichprobe hinsichtlich der funktionellen und kognitiven Fähigkeiten deutliche Einschränkungen aufwiesen und sozialdienstliche Leistungen durchschnittlich im Umfang von nahezu zwei Stunden erhielten. Statistisch signifikante Gruppenunterschiede konnten nachgewiesen werden für die Patienten, bei denen das soziale Assessment durchgeführt wurde, im Vergleich mit der Patientengruppe, bei der kein soziales Assessment durchgeführt wurde. Ferner waren signifikante Unterschiede erkennbar zwischen der Patientengruppe, deren Befund im sozialen Assessment nach Nikolaus oberhalb des Grenzwertes lag, im Vergleich mit der Patientengruppe unterhalb des Grenzwertes, was auf eine abklärungsbedürftige soziale Situation hinweist. Für diese Patientengruppe lag der sozialdienstliche Aufwand bei durchschnittlich mehr als 145 Minuten und war damit auch verglichen mit der Gesamtstichprobe deutlich höher. Die Ergebnisse einer multiplen linearen Regressionsanalyse wiesen statistisch signifikant den Punktwert des sozialen Assessments neben anderen Einflussfaktoren wie Barthel-Index, Verweildauer und kognitiver Status als einen Prädiktor für den sozialdienstlichen Aufwand aus.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Ergebnisse können dazu beitragen, das Leistungsgeschehen in der geriatrischen Behandlung in Bezug auf den Sozialdienst differenziert darzustellen und damit die Argumente für die Verankerung des Sozialdienstes als erlösrelevanten Bestandteil und als ein Qualitätsmerkmal der geriatrisch frührehabilitativen Komplexbehandlung zu untermauern. Sinnvoll sind weitere Untersuchungen zu dem jeweiligen Einfluss der Teilbereiche des sozialen Assessments wie soziale Kontakte, Aktivitäten, Wohnsituation und ökonomische Situation auf den sozialdienstlichen Tätigkeitsaufwand. Ferner sind einrichtungsübergreifende Analysen und Evaluationen zu der sozialdienstlichen Leistungserfassung nach SozOPS-G anzustreben.