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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Stress am Arbeitsplatz: Wie schätzen Pflegefachkräfte in der Psychiatrie ihre Arbeitsbelastung ein?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Hüsniye Bilgic - ZfP Südwürttemberg, Ravensburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO4-2-03-262

doi: 10.3205/13dkvf272, urn:nbn:de:0183-13dkvf2728

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Bilgic.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Es besteht zunehmend die Schwierigkeit, im Gesundheitswesen vakante Stellen mit geeignetem Personal zu besetzen bzw. bereits Beschäftige zu binden. Das Thema Stress am Arbeitsplatz genießt hier eine besondere Aufmerksamkeit. Anliegen der Studie ist es, herauszufinden, wie Pflegefachkräfte in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus ihre Arbeitsbelastung einschätzen, um mehr Erkenntnisse in diesem Bereich zu gewinnen. Die Ergebnisse sollen dann mit anderen aktuellen Studien verglichen werden.

Methodik: Auf zehn Stationen in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus wurde im Jahr 2012 bei Pflegefachkräften die aktuell erlebte Arbeitsbelastung erfragt. Die Teilnahme an der Befragung war freiwillig und anonym und die Studie wurde zuvor von den Instanzen Personalrat, Personalabteilung und Datenschutzbeauftragte überprüft und genehmigt. Für die Analyse konnten 113 Fragebögen verwendet werden (Rücklauf 86 %). Als Messinstrument diente das Selbstbeurteilungsinstrument ERI (Effort-Reward Imbalance), das auf der Grundlage des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen von Siegrist [1] entwickelt wurde. Eine Gratifikationskrise definiert das Missverhältnis zwischen dem Empfinden einer starken Verausgabung und niedriger Belohnung im Erwerbsleben. Zum Einsatz kam die neu entwickelte Kurzversion. Der Fragebogen besteht einerseits aus den sogenannten extrinsischen Faktoren Effort (Arbeitsaufwand) und Reward (Belohnung) und aus dem intrisischen Faktor der übersteigerten Verausgabungsneigung (Overcommitment). Grundsätzlich waren auf allen 3 Subskalen Punktwerte zwischen 6 und 24 erreichbar. Je höher der Effort, die Gratifikation und die übersteigerte Verausgabungsneigung ist umso höher fallen die Punktwerte aus.

Ergebnisse: Der geringste Wert für Effort lag bei 10, der höchste Wert bei 22 Punkten, der Mittelwert bei 17,67 Punkten. Für die Subskala Reward lag der geringste Wert bei 6, der höchste Wert bei 21 und im Mittelwert bei 14,82. Bei 79 Probanden wurde eine berufliche Gratifikationskrise festgestellt, was insgesamt 70% der Stichprobe entspricht. 34 Probanden hingegen erfuhren keine Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand und der erlebten Gratifikation. Insgesamt erreichten 26 % der Befragten in der intrinsischen Subskala Overcommitment Werte im Risikobereich. Dies bedeutet beispielweise, dass die Thematik der Arbeit diese Person selten loslässt, die Probanden abends aber auch morgens beim Aufwachen schon an Arbeitsprobleme denken. Außerdem lagen 23 % der Befragten im sogenannten Hochrisikobereich, was bedeutet, dass sie neben einem Overcommitmentwert im Risikobereich zusätzlich eine Gratifikationskrise im Erwerbsleben erfuhren. Für die Subskala Overcommitment wurde ein Mittelwert von 13,84 Punkten errechnet.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Tatsache, dass über 2/3 der befragten Pflegefachkräfte nach ihren Angaben eine Gratifikationskrise erlebten, scheint sehr bedenklich. In einer Studie aus dem Jahr 2009 mit einer fünfstufigen Antwortvorgabe waren 26 Prozent der Pflegefachkräfte in der Somatik und nur 11 Prozent in der Psychiatrie von einer Gratifikationskrise betroffen [2]. Bei Studien mit einer vierstufigen Antwortmöglichkeit kam es zu folgenden Ergebnissen: nach Queri et al. erreichten 67 Prozent der Beschäftigten in der Psychiatrie eine Gratifikationskrise [3]. Nach einer Studie von Unrath et al. erlebten sogar 86 Prozent der befragten 808 Hausärztinnen und Hausärzte in Nordrhein-Westfalen eine Gratifikationskrise [4]. Somit lässt sich das hier erreichte Resultat in die Reihe der aktuellen Studien einordnen. Mögliche Ursachen für die Zunahme einer Gratifikationskrise könnten sein, dass sich die subjektive Einschätzung der Beschäftigten gegenüber dem Erwerbsleben geändert hat, die Arbeitsverdichtung auf psychiatrischen Stationen zugenommen hat oder aber die Fragebogenvariante der Kurzversion mit einer vierstufigen Antwortmöglichkeit zu anderen Ergebnissen führt.


Literatur

1.
Siegrist J. Soziale Krisen und Gesundheit. Eine Theorie der Gesundheitsförderung am Beispiel von Herz-Kreislauf-Risiken im Erwerbsleben. Göttingen: Hogrefe; 1996.
2.
Schulz M, et al. Effort-reward imbalance and burnout among German nurses in medical compared with psychiatric hospital settings. Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing. 2009;16: 225-33.
3.
Queri S, et al. Ein Stressmodell in der psychiatrischen Rehabilitation - Effekte von Person- und Organisationsmerkmalen. Rehabilitation. 2012;51:245-53.
4.
Unrath M, et al. Arbeitssituation und Gesundheit in Rheinland-Pfalz: Erste Ergebnisse einer landesweiten Befragung. Das Gesundheitswesen. 2012;74: 389-96.