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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Die deutsche Version der PROMIS® Itembank zu Schmerzbeeinträchtigung: Übersetzung und Methodische Eigenschaften

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Michaela Nagl - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Lukas Gramm - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Katja Heyduck - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Manuela Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-4-01-16

doi: 10.3205/13dkvf251, urn:nbn:de:0183-13dkvf2511

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Farin-Glattacker et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Jahr 2004 wurde in den USA die PROMIS®-Initiative (Patient-Reported Outcomes Measurement Information System) gegründet, die das Ziel verfolgt, generische, methodisch anspruchsvolle und lizenzfrei verfügbare Messinstrumente für patientenberichtete Endpunkte zu entwickeln. Zurzeit liegen 11 Itembanken in englischer und spanischer Sprache vor, von denen aber bisher keine komplett in eine andere Sprache übersetzt und methodisch geprüft wurde. Unsere Forschungsgruppe hat vom PROMIS®-Netzwerk die Genehmigung erhalten, die Itembanken bzgl. Schmerzbeeinträchtigung, Depressivität sowie Zufriedenheit mit Teilhabe ins Deutsche zu übersetzen. Der hier vorgelegte Beitrag berichtet von der Prüfung der Itembank bzgl. Schmerzbeeinträchtigung (kurz: SB-Itembank) an Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (kurz: RS-Patienten).

Methodik: Nach einem vom PROMIS-Netzwerk vorgegebenen sechsstufigen Übersetzungsprozess wurden mit N=10 Patienten kognitive Interviews durchgeführt, um Verständlichkeit und Akzeptanz der ersten Version der SB-Itembank zu bewerten. Die anschließende Prüfung der methodischen Eigenschaften erfolgte an einer Stichprobe von N=262 RS-Patienten, die zu zwei Messzeitpunkten (Beginn und Ende einer Rehabilitationsmaßnahme) befragt wurden. Neben der SB Itembank, dem Oswestry Disability Index (ODI) und dem Pain Disability Index (PDI) wurden drei weitere Instrumente zur Prüfung von Konstruktvalidität und Änderungssensitivität eingesetzt: Eine visuelle Schmerzanalogskala VAS, der SF-36 und die HADS. Die Prüfung der methodischen Eigenschaften erfolgte in Anlehnung an das Vorgehen der PROMIS®-Initiative. Geprüft wurden Eindimensionalität, lokale Unabhängigkeit, Passung zu einem Item-Response-Modell (Rasch-Modell), Differential-Item-Functioning, Reliabilität, Änderungssensitivität und Konstruktvalidität.

Ergebnisse: Die SB-Itembank ist insgesamt betrachtet nicht eindimensional, mit Hilfe explorativer Faktorenanalysen lassen sich aber drei Teilskalen bilden, die gute methodische Eigenschaften aufweisen: Schmerzbeeinträchtigung im psychischen Bereich (SB-psychisch, 13 Items; z.B. aufgrund von Schmerzen niedergeschlagen oder seelisch angespannt sein, Konzentration und Erinnerungsvermögen), Schmerzbeein-trächtigung im funktionalen Bereich (SB-funktional, 11 Items; z.B. Beeinträchtigungen bei Freizeitaktivitäten, sozialen Aktivitäten, Alltagsaktivitäten und Hausarbeiten) und Schmerzbeeinträchtigung im körperlichen Bereich (SB-körperlich, 4 Items; z.B. dass die Schmerzen einen hindern, weite Strecken zu gehen, länger zu sitzen oder länger zu stehen). Von ursprünglich 41 Items bleiben 28 Items erhalten. Alle drei Skalen sind eindimensional, genügen den Anforderungen des Rasch-Modells, weisen kein Differential-Item-Functioning auf und sind sehr reliabel (Cronbachs Alpha: 0.95, 0.97 und 0.84).

Die Zusammenhänge zwischen den drei SB-Skalen und anderen Instrumenten sprechen für Konstruktvalidität: Es ergeben sich erwartungsgemäß deutliche Korrelationen (r>0.50) zur VAS und zur Skala Körperliche Schmerzen des SF-36. Die Korrelationen zu Ängstlichkeit und Depressivität liegen über 0.30 und sind um so höher, je deutlicher die jeweilige SB-Skala psychische Aspekte erfasst.

Bemerkenswert sind die Ergebnisse zur Änderungssensitivität: Alle drei PROMIS®-Skalen schneiden deutlich besser als ODI und PDI ab. Z.B. bildet die Skala SB-funktional die Verbesserung nach der Reha mit einer Effektstärke von Cohens d=0.79 ab. Beim ODI werden nur 0.40, beim PDI 0.43 erreicht.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die hier entwickelten PROMIS®-Skalen weisen gute psychometrische Eigenschaften auf und können für die Nutzung im deutschsprachigen Raum empfohlen werden. Die Stärken gegenüber ODI und PDI bestehen darin, dass Schmerzbeeinträchtigung differenzierter erfasst und eine deutlich höhere Änderungssensitivität erreicht wird. Dies führt u.a. zu geringeren Anforderungen an die Fallzahl bei klinischen Studien und Evaluationsprojekten. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass Änderungssensitivität generell vom Erhebungskontext abhängig ist, so dass nicht sicher ist, ob die hier im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation gefundenen Resultate auf andere Behandlungssettings übertragbar sind.

Die in unserer Studie deutlich gewordenen Probleme mit der Eindimensionalität der Gesamt-Itembank sind nicht überraschend. Auch Yamashiro et al. (2011) haben im Rahmen einer psychometrischen Prüfung der Pain Disability Assessment Scale die Struktur von Schmerzbeeinträchtigung untersucht und kommen zu dem Ergebnis, dass ein Ein-Faktor-Modell nur einen schlechten Modellfit besitzt. Die Autoren finden ähnliche Sub-Faktoren wie wir. Eine für computeradaptive Anwendungen erforderliche hinreichende Eindimensionalität der Gesamt-Itembank ließe sich u.U. nachweisen, wenn die in unserer Studie entwickelte 28-Item-Version mittels eines Bi-Faktor-Modells geprüft wird. Entsprechende Analysen werden zurzeit durchgeführt.