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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Modellierung einer prospektiven Kohortenstudie auf der Basis von GKV-Routinedaten am Beispiel inzidenter Komorbiditäten der Neurodermitis

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Jochen Schmitt - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung Dresden, Dresden, Germany
  • Stefanie Deckert - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung Dresden, Dresden, Germany
  • Christian Kopkow - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung Dresden, Dresden, Germany
  • Kristin Meisel - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung Dresden, Dresden, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-3-09-274

doi: 10.3205/13dkvf248, urn:nbn:de:0183-13dkvf2480

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Schmitt et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Neurodermitis (Syn: Atopische Dermatitis, Atopisches Ekzem) zählt mit einer Prävalenz von ca. 15% im Kindes- und 3% im Erwachsenenalter zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen und hat fächerübergreifende Versorgungsrelevanz. 70% der Patienten erkranken bereits innerhalb der ersten beiden Lebensjahre. Die Lebensqualitätseinschränkung für betroffene Patienten und deren Familien ist häufig beträchtlich. Querschnittsstudien und Fall-Kontroll-Studien deuten auf einen möglichen inversen Zusammenhang von Neurodermitis und Diabetes mellitus Typ 1 und einen positiven Zusammenhang von Neurodermitis und TH-17 mediierten Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa hin. Kohortenstudien fehlen bisher, wären jedoch wichtig, um das angenommene Komorbiditätsspektrum zu bestätigen und um den zeitlichen Zusammenhang im Erkrankungsauftreten besser zu verstehen.

Methodik: Wir modellierten eine prospektive Kohortenstudie auf der Basis ambulanter Routinedaten der AOK-PLUS der Jahre 2005 bis 2011. Die Ausgangskohorte bildeten alle am 1.1.2005 Versicherte im Alter von 0 bis 40 Jahren (n=1.073.686). Das Relative Risiko (RR) für inzidenten Diabetes mellitus Typ 1, Rheumatoide Arthritis und chronisch entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn / Colitis ulcerosa) im Zeitraum 2007 bis 2011 von Personen mit vs. ohne prävalente(r) Neurodermitis im Jahr 2005 bis 2006 wurde mittels Regressionsmodellen berechnet. Als mögliche Confounder wurden Alter, Geschlecht und Inanspruchnahme-Verhalten (Gesamtzahl der Abrechnungsscheine) berücksichtigt. Im Rahmen von Sensitivitätsanalysen wurde die Neurodermitisschwere in Form der Häufigkeit der Arztkontakte und der atopischen Komorbidität berücksichtigt. Die Untersuchung wurde gemäß den Prinzipien der Guten Praxis Sekundärdatenanalyse durchgeführt.

Ergebnisse: Im Vergleich zu Personen ohne Neurodermitis hatten Versicherte mit prävalenter Neurodermitis in den Jahren 2005 bis 2006 (n=61.217; 5,7%) ein erniedrigtes Risiko, an Diabetes mellitus Typ 1 zu erkranken (RR 0,53; 95%KI 0,39 - 0,73) und ein erhöhtes Risiko, an Rheumatoider Arthritis (RR 1,51; 95%KI 1,12 - 2,03) und an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (RR 1,16; 95%KI 1,02 - 1,32) zu erkranken. Stärkere Zusammenhänge (für Diabetes Typ 1 stärker protektiv, für die anderen Erkrankungen höhere Risiken) fanden sich jeweils erwartungsgemäß für Neurodermitis-Patienten mit mehreren Arztkonsultationen aufgrund Neurodermitis und für Patienten mit mehreren Erkrankungen des atopischen Formenkreises (allergische Rhinitis, Asthma bronchiale).

Diskussion/Schlussfolgerung: Die auf der Basis von GKV-Routinedaten durchgeführte Kohortenstudie bestätigt die Hypothesen früherer Beobachtungsstudien mit niedrigerem Evidenzlevel und gibt erstmals wichtige Hinweise für den zeitlichen Zusammenhang im Auftreten der Neurodermitis und der assoziierten entzündlichen Erkrankungen. Die Ergebnisse sind biologisch plausibel. Kohortenstudien basierend auf Routinedaten bieten einen effizienten Ansatz für die Untersuchung von Erkrankungszusammenhängen, die in primärepidemiologischen Studien nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand ermittelt werden können. Eine Limitation dieses Ansatzes besteht in der eingeschränkten Möglichkeit, den sozioökonomischen Status der Versicherten adäquat zu berücksichtigen. Die hypothesenkonform nachgewiesene inverse Assoziation von Neurodermitis und Diabetes mellitus Typ 1 widerspricht der Annahme, dass in Routinedatenanalysen aufgrund eines Diagnosebias quasi automatisch positive Assoziationen entstehen. Die vorgeschlagenen Methoden für die Abbildung der Erkrankungsschwere in Routinedaten liefern plausible Befunde, bedürfen jedoch weiterer Validierung.