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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Bundesweite Unterschiede bei potentiell vermeidbaren Krankenhaus-Aufnahmen in Deutschland: Berücksichtigung regionaler Prävalenzen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Saskia Drösler - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Germany
  • Silke Knorr - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Germany
  • Henriette Steppuhn - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Enno Nowossadeck - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Christa Scheidt-Nave - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Maria Weyermann - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-2-08-163

doi: 10.3205/13dkvf238, urn:nbn:de:0183-13dkvf2385

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Drösler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bevölkerungsbezogene Raten stationärer Aufnahmen im Sinne der potentiell vermeidbaren Aufnahmen ins Krankenhaus werden international als Indikatoren zur Beurteilung der ambulanten Versorgungsqualität herangezogen und auch als Ambulatory Care Sensitive Conditions (ACSC) bezeichnet. So berichtet die Organisation für ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) diese Indikatoren regelmäßig im Vergleich, wobei die Raten zwischen den OECD-Ländern erheblich schwanken [1]. Deutliche Unterschiede ergeben sich ebenso zwischen den deutschen Bundesländern; so sind z.B. die Raten für Bluthochdruck oder Amputationen bei Diabetes in Thüringen, dem Bundesland mit den höchsten Raten, dreifach erhöht gegenüber den Bundesländern mit den niedrigsten Raten (Berlin und Hamburg).

Für verschiedene chronische Erkrankungen (Diabetes mellitus, COPD, Herzinsuffizienz, Hypertonie und Asthma bronchiale) wird zunächst geprüft, inwieweit auf regionaler Ebene Häufigkeiten krankheitsspezifischer Krankenhaus-Aufnahmen und geschätzte Krankheitsprävalenzen korrelieren. Anschließend wird untersucht, ob und inwieweit regionale Unterschiede der krankheitsspezifischen ACSC durch eine Adjustierung für Prävalenzunterschiede verringert werden.

Methodik: Die Untersuchung wurde auf Basis von Routinedaten aus 1758 Akutkrankenhäusern aller deutschen Bundesländer aus dem Jahr 2010 durchgeführt. In der Analyse wurden die nach ICD-10 kodierten Hauptdiagnosen der Behandlungsfälle ab 15 Jahren berücksichtigt. Regionale Prävalenzen (12-Monats-Prävalenz der Erkrankungen Diabetes mellitus, Hypertonie, Herzinsuffizienz, chronische Bronchitis und Asthma) wurden aus den GEDA-Studien des Robert Koch-Instituts aus den Jahren 2009 und 2010 für 12 Bundeslandaggregate bereitgestellt [2]. Die Prävalenzadjustierung wurde nach einer Methodik durchgeführt, die die OECD bereits für die Adjustierung der Patientensicherheitsindikatoren verwendet hat [1], [3]: Für jeden Indikator wurde ein auf der Methode der kleinsten Quadrate basierendes Regressionsmodell geschätzt, bei dem die jeweilige Prävalenz als unabhängige Variable dient (R2= 34 - 75%). Das sich für das jeweilige Bundesland ergebende Residuum wurde linear in eine adjustierte Aufnahmerate transformiert, bei unverändertem Mittelwert, der sich zuvor aus den standardisierten Raten ergeben hatte.

Ergebnisse: Signifikante Assoziationen bestehen zwischen der Prävalenz für Bluthochdruck und den alters- und geschlechtsstandardisierten Krankenhausaufnahmeraten für Bluthochdruck (Pearsons CC 0,86) sowie zwischen der Prävalenz chronischer Bronchitiden und stationären Aufnahmeraten für COPD (CC 0,59) auf der Ebene der Bundesländer. Auf dieser regionalisierten Ebene zeigten sich ebenfalls positive Korrelationen zwischen Diabetesprävalenz und stationären Aufnahmeraten für diabetische Entgleisungen (CC 0,63), diabetische Spätkomplikationen (CC 0,87) und diabetische Amputationen (CC 0,74). Im Gegensatz dazu ergab sich weder für diabetische Frühkomplikationen (CC 0,47) und Asthma (CC 0,30) noch für Herzinsuffizienz (CC 0,26) eine Assoziationen zwischen Krankheitsprävalenz und den jeweiligen krankheitsspezifischen Aufnahmerate. Die Bundesland-bezogenen Unterschiede der ACSC-Raten sind erwartungsgemäß nach der Adjustierung erheblich gesunken: Für Bluthochdruck von 29,9 auf 15,5; für COPD von 15,7 auf 12,7; von 30,9 auf 15,4 für diabetische Spätkomplikationen und von 30,1 auf 20,2 für diabetische Amputationen. Die Rangfolge der Bundesländer nach Höhe der ACSC-Raten veränderte sich für elf Bundesländer um mehr als 2 Positionen für den Indikator COPD, für sechs Bundesländer um mehr als 2 Positionen bei diabetischen Amputationen und für vier Bundesländer um mehr als zwei Positionen bei Bluthochdruck.

Diskussion/Schlussfolgerung: Für die meisten, jedoch nicht alle der betrachteten chronischen Erkrankungen korrelieren geschätzte Krankheitsprävalenz und stationäre Aufnahmeraten positiv und signifikant. Warum statistisch signifikante Zusammenhänge nicht in allen Fällen bestehen, muss weitergehend untersucht werden. Adjustierte Qualitätsindikatoren zeigen eine geringere Variabilität als nicht adjustierte. Bei der vergleichenden Berichterstattung der potentiell vermeidbaren Krankenhausaufnahmeraten sollte eine Berücksichtigung der Prävalenz in Erwägung gezogen werden.


Literatur

1.
Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). HEALTH AT A GLANCE 2011: OECD INDICATORS. http://www.oecd.org/health/health-systems/healthataglance2011.htm Externer Link
2.
Robert Koch-Institut. GEDA: Gesundheit in Deutschland aktuell. http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Geda/Geda_node.html Externer Link
3.
Drösler SE, Romano PS, Tancredi DJ, Klazinga NS. International comparability of patient safety indicators in 15 OECD member countries: a methodological approach of adjustment by secondary diagnoses. Health Serv Res. 2012 Feb;47(1 Pt 1):275-92.