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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Werden Personen mit Migrationshintergrund in der Versorgungsforschung ausreichend berücksichtigt? Beispiel einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Karola Mergenthal - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany
  • Lisa-Rebekka Ulrich - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany
  • Corina Guethlin - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany
  • Juliana J. Petersen - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany
  • Julia Hirschfeld - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany
  • Ina Roehl - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany
  • Sandra Rauck - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany
  • Andrea Siebenhofer - Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO2-3-08-256

doi: 10.3205/13dkvf208, urn:nbn:de:0183-13dkvf2082

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Mergenthal et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Nach bisherigem Forschungsstand ist die gesundheitliche Versorgung von Migranten in Deutschland schlechter als die der deutschen Bevölkerung. Gesundheitsangebote werden von Personen mit Migrationshintergrund (MH) aufgrund von Sprachbarrieren oder Informationsdefiziten seltener genutzt. Können Patienten ihre Beschwerden und Bedenken nicht ausreichend mitteilen bzw. werden diese von den Behandlern nicht ausreichend verstanden, kann es zu Missverständnissen kommen und daraus resultierend zu einer inadäquaten Diagnostik oder Therapie. Spezifische Zugangsbarrieren, z.B. Einschlusskriterien wie gute Deutschkenntnisse führen dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen systematisch von Forschungsprojekten ausgeschlossen werden.

Im Rahmen der Patientenrekrutierung und des Screenings für eine cluster-randomisierte kontrollierte Studie, in der das hausärztliche Gerinnungsmanagement von Personen mit Langzeitindikation zur oralen Antikoagulation (OAK) verbessert werden soll, wird der Frage nachgegangen, ob Versorgungsunterschiede bei Personen mit und ohne MH existieren und ob Personen mit MH in dieser versorgungsforschungsrelevanten Studie ausreichend repräsentiert sind.

Methodik: Bei der Praxisvisite zur Patientenrekrutierung wurde anonymisiert (anhand der Patienten-Nummer der Praxis-Software) und zufallsgeneriert beurteilt, ob Patienten prinzipiell geeignet sind an der Studie teilzunehmen (z.B. ob eine Indikation zur OAK gegeben ist). Zusätzlich wurde, ebenfalls anonymisiert, der MH nach Kenntnis der Hausärzte erfasst. Falls ein MH vorlag, beurteilten die Hausärzte zusätzlich die Sprachkompetenz entsprechend der Schulnoten eins bis sechs. Nachfolgend wurden geeignete Patienten postalisch kontaktiert und zur Baseline-Screeningvisite eingeladen. Nach Erreichen der notwendigen Teilnehmerzahl von mindestens 690 Patienten wurde der Screeningprozess beendet. Es handelt sich somit um eine Querschnittserhebung, die zum Zeitpunkt der Patientenrekrutierung und des Screenings für eine klinische Studie durchgeführt wurde. In Abhängigkeit vom Skalenniveau wurden Unterschiede parametrisch und nicht-parametrisch getestet. Die Auswertung erfolgte mit SPSS (IBM SPSS Statistics 20).

Ergebnisse: Die Datensätze von 1.761 rekrutierten Patienten wurden ausgewertet, darunter befanden sich 9,1% (n=160) mit MH, für 4 Personen waren keine Angaben zum MH vorhanden. Bei insgesamt 1.469 (83,4%) Personen lagen keine Ausschlussgründe vor, sie wurden um Studienteilnahme gebeten. Davon entfielen 92,1% (n=1.353) auf Personen ohne MH und 7,9% (n=116) auf Personen mit MH. In die Studie eingeschlossen wurden 736 Personen, wovon 92,7% (n=682) keinen MH und 7,3% (n=54) einen MH hatten. Das bedeutet der Anteil der rekrutierten Patienten, die letztlich an der Studie teilnahmen, war bei Personen mit MH signifikant niedriger (p=0,03).

Vergleich der rekrutierten Personen mit MH (n=160) und ohne MH (n=1.597):

Bei 77,5% (n=124) der Personen mit MH und bei 79,4% (n=1.268) der Personen ohne MH war Vorhofflimmern die häufigste Langzeitindikation. 91,9% (n=147) der Migranten und 93,4% (n=1.491) der Vergleichsgruppe hatten eine Langzeitindikation und nahmen auch ein OAK ein. Vitamin-K-Antagonisten als Dauermedikation nahmen 93,3% (n=140) der Migranten und 93,6% (n=1.412) der Personen ohne MH ein. Der Anteil der Personen mit MH, deren INR-Wert im therapeutischen Zielbereich lag, war mit 63% (n=87) etwas geringer als in der Gruppe der Personen ohne MH mit 67,1% (n=917).

Diskussion/Schlussfolgerung: Personen mit MH und vor allem Personen mit mangelnden deutschen Sprachkenntnissen sind in unserer Studie unterrepräsentiert. Bezüglich verschiedener Aspekte der gerinnungshemmenden Versorgung von Personen mit und ohne MH zeigten sich in dieser Studie keine Unterschiede. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass nicht oder schlecht deutsch sprechende Personen mit MH aus methodischen oder konzeptionellen Gründen bei der Studienplanung und Rekrutierung oft nicht berücksichtigt werden.