gms | German Medical Science

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Einzeln oder lieber gemeinsam? – Präferenzen deutscher Patienten im Hinblick auf die Praxisform

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • presenting/speaker Alexander Haarmann - Institut für Allgemeinmedizin – Universität Magdeburg, Magdeburg, Germany
  • presenting/speaker Wolfram J. Herrmann - Institut für Allgemeinmedizin – Universität Magdeburg, Magdeburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO2-2-07-325

doi: 10.3205/13dkvf199, urn:nbn:de:0183-13dkvf1994

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Haarmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Bedeutung von Gemeinschaftspraxen für die ambulante medizinische Versorgung hat in den letzten 20 Jahren zugenommen: Die Anzahl Ärzte in Gemeinschaftspraxen ist in den letzten 20 Jahren um ca. 2/3 gestiegen, während der Anteil der Gemeinschaftspraxen an der Gesamtzahl Praxen mittlerweile knapp 20% ausmacht. Daneben hat sich die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren, Praxisgemeinschaften und Praxisnetzwerke in den letzten sieben Jahren mehr als verdreifacht. Gemeinschaftliche Formen der ambulanten Gesundheitsversorgung werden also immer beliebter.

Wie aber nehmen Patienten Gemeinschaftspraxen auf primärarztlicher Ebene wahr? Welche Vor- und Nachteile sehen sie?

Die in Medline gefundenen quantitativen Studien zur Patientenzufriedenheit, die a) etwas spezifisch zu Deutschland aussagen und b) bei der Erhebung zwischen Einzel- und Gemeinschaftspraxis unterschieden, nutzen alle den Europep-Fragebogen. Von diesen berichtet letztendlich nur eine Studie Ergebnisse getrennt nach Praxisform. Sie legt den Schluss nahe, dass Aspekte der Praxisorganisation im Ranking der Patientenpräferenz im Vergleich zu einer schnellen, kompetenten, erklärenden Hilfe weniger bedeutsam zu sein scheinen. Wichtig ist Patienten jenseits der Praxisform jedoch - von Ausnahmen abgesehen - die Behandlung durch denselben Arzt. Zudem zeigen sich Patienten in Deutschland in Bezug auf einen ihnen passenden Termin, die telefonische Erreichbarkeit sowie die Wartezeit zufriedener in Praxen mit weniger Ärzten. Bei der in der Studie angegebenen Zahl von durchschnittlich 1,3 Ärzten pro Praxis in Deutschland scheinen "weniger Ärzte" damit auf Einzelpraxis hinzudeuten.

Methodik: Im Rahmen einer qualitativen vergleichenden Studie zwischen Deutschland und Norwegen zu den subjektiven Patientenkonzepte zur Inanspruchnahme hausärztlicher Versorgung werden auch 20 Patienten in Deutschland interviewt. Über vier Praxen in Sachsen-Anhalt wurden potenzielle Interviewpartner rekrutiert. Zwei dieser Hausarztpraxen sind in Magdeburg, zwei auf dem Land, zwei sind Gemeinschaftspraxen und zwei sind Einzelpraxen. Aus den potenziell interessierten Interviewpartnern werden 20 Patienten kriteriengeleitet gezielt ausgesucht. Diese werden mittels episodischer Interviews zu ihren Erfahrungen und Ansichten zur hausärztlichen Versorgung interviewt. Die Auswertung erfolgt mittels thematischen Kodierens im methodischen Rahmenkonzept der Grounded Theory. Aus den Daten heraus werden Codes entwickelt und Kategorien in einer thematischen Struktur erstellt. Für die Beantwortung unserer Frage haben wir uns die Textsegmente zum Thema Praxisform angeschaut. In die Auswertung ist die Hälfte der angestrebten Interviews eingeflossen, sie ist daher vorläufig.

Ergebnisse: Das Thema Praxisform spielt nicht bei allen interviewten Patienten eine gleich wichtige Rolle. Insbesondere chronisch kranke Patienten mit einem erhöhten Versorgungsbedarf bzw. wechselhaften Krankheitsverläufen betonen die Wichtigkeit der Erreichbarkeit ihres Hausarztes. Bei kurzfristig eintretenden Komplikationen ist es ihnen vor dem Hintergrund ihrer komplexen Krankengeschichte wichtig, schnell einen Termin in der sie betreuenden Hausarztpraxis zu bekommen, also an gewohntem Ort zu gewohnten Zeiten. Für einige der Interviewpartner war die häufigere Erkrankung ihres Hausarztes in einer Einzelpraxis oder die als unsicher empfundene Versorgung während dessen Ferien Grund, einen Hausarzt zu wählen, der in einer Gemeinschaftspraxis praktiziert. Auch wenn in solchen Situationen eine Vertretung durch den/ die Praxispartner gewünscht wird, wird die langfristige medizinische Versorgung weiterhin durch den eigenen Hausarzt gesehen.

Diskussion/Schlussfolgerung: Wenngleich nicht explizit auf Praxisorganisation und -form ausgerichtet, legen die Ergebnisse unserer Studie ein zur bisherigen Studienlage widersprüchliches s Bild der Patientenpräferenzen nahe - zumindest für bestimmte Patientengruppen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass deutsche Gemeinschaftspraxen im internationalen Vergleich mit i. d. R. zwei bis drei Ärzten immer noch recht klein sind. Dem Wunsch nach einer individuellen Arzt-Patient Beziehung mit Behandlung durch denselben Arzt kann so weiterhin Rechnung getragen werden.

Die Unterschiede zwischen der genannten Europep-Studie und unseren Ergebnissen mag in in den Frageitems begründet sein. Hier wurde weder nach Erreichbarkeit in Notfällen noch bei Krankheit des Arztes gefragt. Zudem steht zu vermuten, dass die in den Interviews genannten Gründe für das Gros der Patienten eine weniger wichtige Rolle spielen mag. Da die Versorgung chronisch kranker Patienten in der Hausarztpraxis jedoch einen wichtigen Stellenwert einnimmt, kann die Praxisform für eine Vielzahl regelmäßiger Patienten einen nicht unerheblichen Unterschied in der empfundenen Versorgungssicherheit ausmachen.

Im weiteren Verlauf unserer Studie möchten wir diese vorläufigen Ergebnisse weiter untersuchen und bestätigen oder auch widerlegen.