gms | German Medical Science

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Anwendung des Medication Appropriateness Index in einer Einrichtung der Langzeitpflege – Optimierung der Kriterien

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • presenting/speaker Gero Joks - Klinische Pharmakologie Universität Witten/Herdecke, Wuppertal, Germany
  • Stephanie Pietzyk - Klinische Pharmakologie Universität Witten/Herdecke, Wuppertal, Germany
  • Petra Thürmann - Klinische Pharmakologie Universität Witten/Herdecke, Wuppertal, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocKV14-130

doi: 10.3205/13dkvf153, urn:nbn:de:0183-13dkvf1536

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Joks et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Hintergrund: Der Medication Approriateness Index (MAI) wurde 1992 von Hanlon et al [1] in den USA entwickelt. Im Gegensatz zur US-amerikanischen Situation verfügt ein Apotheker in Deutschland i.d. Regel über weniger klinische Informationen der Heimbewohner. Daher können einige Items des MAI nicht voll umfänglich beurteilt werden. Das ursprüngliche Gewichtungssystem beschäftigt sich nämlich lediglich mit der Wichtigkeit der einzelnen Fragen, berücksichtigt aber dabei nicht mögliche Informationsdefizite. In vorangegangenen Untersuchungen [2], [3] wurde festgestellt, dass verschiedene Rater identische Fälle oft recht unterschiedlich beurteilen. Die sich ergebende inter-rater Reliabilität war teilweise gering, was die Eignung des MAI als objektive Messmethode sehr einschränkte. Ziel des Projektes war anhand erhobener Medikationsdaten in einem Altenheim den MAI zu überprüfen, und ein für Deutschland praktikables Messinstrument zu entwickeln.

Methodik: Nach einer vollständigen Übersetzung und Anpassungen des MAI (2012) an nationale Besonderheiten erfolgte eine Transformation des dichotomen Bepunktungssystems auf ein dreigliedriges [3], [4]. Somit kann die Verordnung eines Arzneimittels entweder als vollständig angemessen, marginal unangemessen oder vollständig unangemessen in 9 voneinander unabhängigen Fragen bewertet werden. Angemessene Verordnungen erzielten 0 Punkte, marginal unangemessene Verordnungen erhielten entsprechend der Gewichtung der Frage 1, 2 oder 3 Punkte, vollständig unangemessene entsprechend 2,4 oder 6 Punkte. Nach einer Pilotanwendung des MAI anhand der Medikation von 15 Altenheimbewohnern erfolgte eine qualitative Analyse der Inter-observer Variabilität [3]. Daraus wurden möglichst allgemein gültige Regeln zur standardisierten Bewertung abgeleitet und in einem Handbuch niedergelegt.

Die Studienpopulation für die jetzige Evaluation bestand aus 68 Heimbewohnern (HB) [73,4% weiblich; durchschnittliches Alter 82 Jahre; Bereich 43-104]. Das Votum der zuständigen Ethikkomission und die Einwilligung der Patienten bzw. deren gesetzlicher Betreuer wurde eingeholt. Die MAI Bewertung von 681 Verordnungen für alle HB wurde durch zwei Apotheker (fachlicher Hintergrund Krankenhaus- bzw. geriatrische Pharmazie) unabhängig voneinander mit Hilfe des Handbuchs durchgeführt und von einer Fachärztin für klinische Pharmakologie supervidiert. Zur Abschätzung der Inter-Rater-Variabilität wurde die prozentuale Übereinstimmung berechnet sowie Kappa-Statistik nach Cohen [1], [4], [5]. Zusätzlich wurden Delta-Werte nach Andres & Marzo ermittelt [6].

Ergebnisse: Ergebnisse 45,90% (GJ) bzw. 43,11 % (SP) der einzelnen Verordnungen wurden in allen 9 Fragen als vollständig angemessen bewertet. Einzelne Kritikpunkte wurden jedoch in der Medikation aller HB gefunden, Frage 1 erhielt am häufigsten die Bewertung "unangemessen", d.h. die Indikation für die verordneten Arzneimittel wurde in 47% aller Fälle durch Bewertende SP und in 35% aller Fälle durch GJ angezweifelt. Frage 5 (Administrationsweg) hingegen wurde in 97% (SP), bzw. 93% (GJ) aller Fälle nicht beanstandet. Insgesamt wurde im Mittel ein Score von 3,89 ±2,02 (GJ) bzw. 3,67 ±1,66 (SP) erzielt, wobei das potenzielle Maximum von 42 Punkten (vollständig unangemessen) bei Weitem nicht erreicht wurde. Die höchsten ermittelten Scores betrugen 8,33 (GJ) bzw. 8,00 (SP).

Die durchschnittliche Übereinstimmung zwischen den beiden Bewertern betrug 93,9%. Bezogen auf die einzelnen Items lag die Übereinstimmung zwischen 90,23 % (Arzneimittel-Krankheits-Interkationen) und 97,36% (Nutzen), die dazugehörigen Kappa-Werte variierten zwischen 0,37 und 0,87, Delta-Werte zwischen 0,84 und 0,94. In der vorherigen Analyse der Medikation von 15 Patienten anhand des MAI betrug die mittlere Übereinstimmung nur 77,71% und konnte durch die standardisierte Anwendung des Messinstrumentes erheblich gesteigert werden.

Diskussion/Schlussfolgerung: Durch explizitere Kriterien konnte eine Verringerung der Inter-Rater-Variabilität im Vergleich zu einer eigenen Voruntersuchung erreicht werden. Der adaptierte MAI sollte nun auch geeignet sein, die Effekte von Interventionen zu erfassen. Verbleibende Differenzen in Bewertungen können einerseits aus den unterschiedlichen Hintergründen den Bewertenden, andererseits aber auch aus bestehenden Lücken des MAI resultieren. Vor der Anwendung des MAI zur Erfassung der Medikationsqualität und ggf. eines Interventionseffektes ist ein ausführliches Training der Rater anhand eines Handbuchs dringend zu empfehlen.


Literatur

1.
Hanlon et al. J Clin Epidemiol. 1992; 45:1045-51
2.
Côté et al. Inst of Health Econ. 2003; Working Paper 03-01
3.
Joks et al. Br J Clin Pharmacol. 2012;75(Suppl.1):1-19.
4.
Samsa et al. J Clin Epidemiol. 1994;47(8):891-6
5.
Cohen. Psychological bulletin. 1968;70(4):213.
6.
Andres & Marzo. Stat Methods Med Res. 2005;14:473.