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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz – Was ist über die Versorgunsform und gesundheitsbezogene Versorgungsoutcomes derzeit bekannt?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Karin Wolf-Ostermann - Alice Salomon-Hochschule Berlin, Berlin, Germany
  • Saskia Meyer - Alice Salomon-Hochschule Berlin, Berlin, Germany
  • Andreas Worch - Alice Salomon-Hochschule Berlin, Berlin, Germany
  • Johannes Gräske - Alice Salomon-Hochschule Berlin, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocKV12-91

doi: 10.3205/13dkvf133, urn:nbn:de:0183-13dkvf1336

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Wolf-Ostermann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland sind in den letzten Jahrzehnten Versorgungsformen für pflegebedürftige ältere Menschen auch und gerade mit demenziellen Erkrankungen entstanden, die eine Versorgung in einer möglichst häuslichen Umgebung mit alltagsnahen Strukturen in den Vordergrund stellen. So haben sich u.a. seit Mitte der 1990er Jahre ambulant betreute Wohngemeinschaften (WG) entwickelt, derzeit wird diese Versorgungsform im Rahmen des Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) seit 2013 explizit gefördert. Eine einheitliche und verbindliche Definition des Begriffes ambulant betreute WG existiert jedoch nicht. Rahmenbedingungen für ambulant betreute WG unterscheiden sich aufgrund landeseigener Gesetzgebungen zwischen den einzelnen Bundesländern. Verlässliche Daten zur tatsächlichen Anzahl von ambulant betreuten WG fehlen derzeit - ebenso wie eine Übersicht der derzeit vorliegenden Ergebnisse zu gesundheitsbezogenen Versorgungsoutcomes. Ziel der Studie ist es daher, einen ersten Überblick zur Verbreitung dieser Versorgungsform und ihren rechtlichen Grundlagen zu geben sowie einen systematischen Überblick über derzeitige Forschungsergebnisse zu liefern.

Methodik: Methodisch weist die Studie ein zweigeteiltes Design auf. Im Rahmen einer Querschnittstudie wurden 2012 unter Verwendung eines standardisierten Fragebogens Daten erhoben zur Anzahl gemeldeter WG, existenter Betreuungsplätze und Nutzer/innen je Bundesland sowie zu ordnungsrechtlichen Regelungen, Meldepflichten und Finanzierungsmodellen. Ergebnisse zu gesundheitsbezogenen Versorgungsoutcomes von Bewohner/innen ambulant betreuter WG wurden im Rahmen eines systematischen Literaturreviews erfasst. Die Literatursuche erfolgte 2013 in den Datenbanken: CareLit, CINAHL, GeroLit, PubMed mittels der Suchbegriffe: Demenz OR dementia AND Wohngemeinschaft OR shared-housing arrangement. Die Literatursuche basiert auf internationalen Standards zur Durchführung systematischer Übersichtsarbeiten. Der Reviewprozess orientiert sich für die Bewertung der methodischen Qualität an den Kriterien von Brodaty et al. (2003).

Ergebnisse: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine verlässliche, öffentlich verfügbare Datenbasis zur aktuellen Anzahl der in der BRD vorhandenen ambulant betreuten WG für Menschen mit Pflegebedarf und/oder Demenz, nur Bayern führt hierzu statistische Erhebungen durch. Melderegister existieren nicht in allen Bundesländern, zudem unterliegen in einigen Bundesländern selbstbestimmte WG keiner Meldepflicht. Mit Stand August 2012 wurden bundesweit 1.420 ambulant betreute WG mit 10.590 Plätzen recherchiert. Schwerpunkt der Versorgung ist das Bundesland Berlin (465 WG), danach folgen mit weitem Abstand Nordrhein-Westfalen (211 WG) sowie Bayern (135 WG) und Brandenburg (126 WG). Mit Ausnahme des Freistaates Thüringen existieren in allen Bundesländern landesrechtliche Regelungen zu ambulant betreuten WG. Selbstbestimmte WG werden überwiegend als privates Wohnen gewertet und bleiben zumeist aufsichtsfrei, sind jedoch in Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland anzeigepflichtig. Trägerverantwortete Wohnformen unterliegen zumeist einem abgestuften Ordnungsrecht.

Die Literatursuche zu ambulant betreuten WG ergab eine Gesamtzahl von 117 potenziell relevanten Publikationen. Die Mehrheit der eingeschlossenen Publikationen wurde in deutscher Sprache verfasst (n = 106), die Studienqualität liegt überwiegend im unteren Bereich. Bezüglich bewohnerbezogener Versorgungsoutcomes gibt es nur wenige Veröffentlichungen. Lediglich eine längsschnittliche Untersuchung ist publiziert, die bewohnerbezogene Versorgungsoutcomes in ambulant betreuten WG beschreibt und diese mit Ergebnissen aus Spezialwohnbereichen für Menschen mit Demenz vergleicht.

Diskussion/Schlussfolgerung: Mit der Zunahme des Anteils älterer Personen in der Gesellschaft wird die Frage nach Versorgungserfordernissen und dem entstehenden Hilfe- und Pflegebedarf zunehmend wichtig, insbesondere auch bzgl. einer angemessenen Versorgung von Menschen mit Demenz. Derzeit bestehen starke regionale Unterschiede im zahlenmäßigen Angebot von ambulant betreuten WG - auch aufgrund unterschiedlicher Fördergrundsätze. Die literaturbasierte Studienlage zu ambulant betreuten WG ist derzeit als ungenügend zu bezeichnen, zudem beziehen sich die vorhandenen Erkenntnisse häufig auf den Berliner Raum. Für den Bereich der Beurteilung der Versorgungsqualität fehlen konzeptionelle Grundlagen noch weitgehend. Bezgl. bewohnerbezogener Outcomes zeigen insbesondere die Berliner Studien, dass die Versorgungsform ambulant betreute WG keine generellen Vorteile gegenüber stationären Einrichtungen aufweist, was im Einklang mit internationalen Studien steht.