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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Nutzen von Bildungsangeboten zur Erhöhung der Gesundheitskompetenz von Bürgerinnen und Bürgern – Ausgewählte Ergebnisse einer retrospektiven Befragung

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Gabriele Seidel - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Veronika Weithe - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • presenting/speaker Marie-Luise Dierks - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocFV12-287

doi: 10.3205/13dkvf123, urn:nbn:de:0183-13dkvf1236

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Seidel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Seit 2007 werden an der Patientenuniversität der Medizinischen Hochschule Hannover Gesundheitsbildungsveranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger angeboten. Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz von Menschen zu erhöhen, sie zu befähigen, angemessen mit Gesundheit und Krankheit umzugehen und sich informiert im Gesundheitswesen zu bewegen. Dabei soll die Gesundheitsbildung nicht nur (chronisch) Erkrankte erreichen, sondern auch gesunde Bürger. Für die mehrteiligen Bildungsreihen unter zentralen Leitthemen wie -Das Organsystem- oder -Die Sinnesorgane- wurde ein didaktisches Format -Gesundheitsbildung für Jedermann- entwickelt, das Expertenvorträge von erfahrenen Klinikern sowie Personen aus der Wissenschaft mit interaktiven Formen der Wissensvermittlung kombiniert. Wichtiges Prinzip ist die aktive Einbindung der Teilnehmenden und das Lernen mit Kopf, Herz und Hand an sogenannten Lernstationen, die einer definierten Struktur folgen. Diese bieten die Möglichkeit, unter Anleitung, Körperzellen im Mikroskop zu betrachten, Organe im Tiermodell zu untersuchen, Modelle zum besseren Verständnis des Körpers und seiner Systeme zu analysieren, Experimente durchzuführen, präventive Maßnahmen zu verstehen und anzuwenden oder sich über Medikamente zu informieren. Die Lernstationen bieten auch Gelegenheit, en passant weitere Aspekte der Gesundheitskompetenz, nämlich Systemwissen, Hinweise auf Patientenrechte, Hinweise auf Selbsthilfemöglichkeiten oder den Umgang mit wissenschaftlicher Evidenz zu vermitteln. Themen, die erfahrungsgemäß von den Adressaten kaum genutzt würden, wenn sie als Hauptthema angekündigt werden. Ob und wie die Teilnehmer Gelerntes aktiv umsetzen, ist ein wichtiger Indikator für den Nutzen des Angebotes.

Methodik: Im Rahmen einer schriftlichen, anonymen Befragung wurden alle Teilnehmer, die zwischen 2007 und 2011 an mindestens fünf 3-stündigen Bildungsveranstaltungen teilgenommen haben (n=1234), befragt. Eingesetzt wurde ein teilstandardisierter anonymisierter Fragebogen, mit Fragebatterien zu Wissen und Einstellungen, präventivem Verhalten, Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitswesens und zum Umgang mit Professionellen. Die Dateneingabe erfolgte in Access, die Auswertung mit dem Statistikprogramm SPSS.

Ergebnisse: Die Response-Rate lag ohne Erinnerungsschreiben bei 42,7%. 71 % der Responder sind Frauen (Alter 17 bis 87 Jahre (Median 64)), 29 Männer (Alter 19 bis 82 Jahre (Median 66)). 49,5 % haben eine hohe Schulbildung, 59,2 % sind chronisch krank, 25,9% privat krankenversichert. Die Zusammensetzung der Responder spiegelt weitgehend die Struktur der Teilnehmer an den Veranstaltungen insgesamt. Thematisch fanden zwischen 2007-2011 vier unterschiedliche Veranstaltungsreihen statt, gut die Hälfte der Responder hat an einer oder an zwei Veranstaltungsreihen teilgenommen (56,2%,n=510). Insbesondere den Teilnehmenden mit niedriger Schulbildung, ist nach eigenen Aussagen durch den Besuch der Patientenuniversität klarer geworden, dass sie selbst Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen müssen (niedrige Bildung: 97,9 %, mittlere Bildung: 81,3 %, hohe Bildung 72,5 %, p=0,000). Fast alle Befragten haben ihre Kenntnisse über die Gesundheit verbessert und geben an, dass sie durch die Teilnahme an den Bildungsveranstaltungen mehr als vorher über ihren Körper wissen (95,7%), sich besser über Krankheiten informiert fühlen (93,6%), besser wissen, wie man Krankheiten vorbeugen kann (79,8 %) und auch eher in der Lage sind, Krankheitssymptome zu erkennen (68,8%). Vielen Teilnehmenden ist deutlicher geworden, dass ein Zusammenhang zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit besteht (89,3 %). Zudem finden sie sich nach dem Besuch der Patientenuniversität besser im Gesundheitswesen zurecht als vorher: Sie wissen eher, wo sie gute Gesundheitsinformationen finden können (83,3 %), finden leichter als früher Hilfe bei speziellen Fragen (72,9 %), können sich besser vorstellen, wie verschiedenen Behandlungseinrichtungen zusammenarbeiten (79,8 %) und kennen ihre Rechte als Patient besser (69,4 %). Einige haben ihre neuen Erkenntnisse und Hinweise über Krankheiten, Therapien, aber auch Hinweise zu Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen an ihr soziales Umfeld weitergegeben, hier hat die Kontinuität der Teilnahme einen signifikanten Einfluss auf die Intensität der Dissemination von Informationen.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Gesundheitskompetenz hat sich bei vielen Teilnehmenden weiterentwickelt. Die Responder haben nach eigenen Angaben ihr Gesundheits- und Gesundheitssystemwissen erhöht. Insbesondere Personen mit einem niedrigen Bildungsgrad konnten viel Wissen erwerben und ihre Gesundheit nach dem Besuch der Patientenuniversität aktiver in die Hand nehmen. Die Daten weisen auf einen Nutzen für die Teilnehmer der Patientenuniversität hin, dennoch wird in weiteren kontrollierten Studien überprüft werden müssen, inwieweit diese Selbsteinschätzungen der Teilnehmer als ein primärer Effekt des Besuchs der Veranstaltungen der Patientenuniversität zu bewerten sind.