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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Patientenbeteiligung an Tumorkonferenzen am Beispiel Brustkrebs

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Lena Ansmann - IMVR der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • presenting/speaker Nicole Ernstmann - IMVR der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Christoph Kowalski - IMVR der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Rachel Würstlein - Klinik der Universität München, München, Germany
  • Markus Wirtz - Inst. f. Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg, Germany
  • Holger Pfaff - IMVR der Universität zu Köln, Köln, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocFV12-145

doi: 10.3205/13dkvf121, urn:nbn:de:0183-13dkvf1212

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Ansmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Tumorkonferenzen sind regelmäßige Treffen innerhalb eines multidisziplinären Behandlungsteams, in denen die Diagnose und Behandlung von möglichst allen Krebspatienten eines Organkrebszentrums diskutiert wird. Für die Zertifizierung von Brustzentren durch die Ärztekammer Westfalen-Lippe stellen wöchentliche interdisziplinäre Tumorkonferenzen, in denen mind. 95% der operierten Primärfälle postoperativ vorgestellt werden müssen, ein Anforderungskriterium dar. Betroffene Patientinnen können auf Wunsch an der Konferenz teilnehmen.

Die Forschung liefert erste Hinweise auf den Nutzen von Tumorkonferenzen für das Patientenmanagement und das Überleben. Jedoch haben sich bisher kaum Studien mit der Teilnahme von Patienten an der Tumorkonferenz und der damit verbundenen Frage beschäftigt, ob die Teilnahme für Patienten empfehlenswert und für das Treffen von Entscheidungen nutzenbringend ist. In dieser Untersuchung gehen wir der Frage nach, welchen Brustkrebspatientinnen die Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten wird und welche Patientinnen dieses Angebot nutzen.

Methodik: Es werden Querschnittsdaten der jährlich in den nordrhein-westfälischen Brustzentren stattfindenden Patientinnenbefragung von Februar bis Juli 2010 (n=3856 Patientinnen aus 86 Krankenhäusern) ausgewertet. Patientinnen wurden gefragt, ob Ihnen die Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten worden ist und ob sie das Angebot genutzt haben. In logistischen Regressions- und Mehrebenenmodellen wird untersucht, (1) ob sich Patientinnen, die die Teilnahme angeboten bekamen, hinsichtlich soziodemografischer und krankheitsbezogener Merkmale von Patientinnen unterscheiden, denen die Teilnahme nicht angeboten wurde, und (2) ob sich Patientinnen, die das Angebot teilzunehmen genutzt haben von Patientinnen unterscheiden, die das Angebot nicht genutzt haben. In der logistischen Mehrebenenanalyse wird außerdem untersucht, wie sehr die Tatsache, ob einer Patientin die Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten wird, vom jeweiligen Krankenhaus abhängt.

Ergebnisse: Laut der Patientinnenbefragung wurde 14% der Patientinnen angeboten, an der Tumorkonferenz teilzunehmen. Von diesen nutzten 58% das Angebot und nahmen teil. Die logistische Mehrebenenanalyse ergab, dass Patientinnen mit fortgeschrittenem Erkrankungsstadium seltener und jüngeren Patientinnen häufiger eine Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten wurde. Zudem gaben Patientinnen ohne Schulabschluss häufiger an, ein Angebot zur Teilnahme erhalten zu haben. Hinsichtlich der Nutzung des Angebotes ergab die logistische Regression, dass Patientinnen, die neoadjuvant behandelt wurden und ein höheres Grading aufwiesen, häufiger an der Tumorkonferenz teilnahmen. Patientinnen mit Mastektomie nahmen seltener teil als Patientinnen mit brusterhaltender Operation. Zudem beurteilten Patientinnen, die die Tumorkonferenz nutzten, die Beteiligung an Entscheidungen als höher.

Der Anteil der befragten Patientinnen, denen die Teilnahme angeboten worden ist, variiert zwischen den Krankenhäusern von 0 bis 100% mit einem Durchschnitt von 14,5% (SD=19,4). In der Mehrebenenanalyse ergab der Intraklassenkorrelationskoeffizient, dass das Angebot der Teilnahme an der Tumorkonferenz zu ca. 28% davon abhängt, in welchem Krankenhaus die Patientin behandelt wurde.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Analysen ergeben, dass das Angebot der Teilnahme von Brustkrebspatientinnen an Tumorkonferenzen nach Erkrankungsstadium und Alter differenziert wird.

Patientinnen mit komplexer Erkrankungslage nahmen eher an der Tumorkonferenz teil, da in diesen Fällen möglicherweise mehr bzw. schwierigere Entscheidungen getroffen werden müssen, bei denen die Anwesenheit und die Präferenzen der Patientin hilfreich sein können. Patientinnen nach Mastektomie nehmen möglicherweise aufgrund einer klareren Indikation und eines höheren Alters seltener an der Tumorkonferenz teil. Trotzdem unsere Daten nicht kausal interpretiert werden können, geben sie einen Hinweis darauf, dass Patientinnen, die an der Tumorkonferenz teilgenommen haben, sich stärker an Entscheidungen beteiligt fühlten.

Außerdem verdeutlicht die Mehrebenenanalyse, dass die Praxis, Patientinnen in die Tumorkonferenz einzuladen, deutlich zwischen den Krankenhäusern variiert. Unterschiedliche Kulturen und Praktiken der Krankenhäuser scheinen die Teilnahme von Patientinnen an der Tumorkonferenz zu regeln. Neben der Beantwortung der wichtigen Frage, ob die Teilnahme einer Patientin an der Tumorkonferenz für die Patientin und das Behandlungsteam von Vorteil und umsetzbar ist, sollten sich weitere Studien damit befassen, wie das Angebot und die Teilnahme an der Tumorkonferenz in Krankenhäusern geregelt ist.