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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Wie setzen Schlaganfallpatienten und ihre Therapeuten eine für das häusliche Setting modifizierte Form der Constraint Induced Movement Therapy um? Analyse eines in der ambulanten Therapie neuen, lernpsychologisch basierten Therapiekonzepts (HOMECIMT)

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Anne Barzel - Institut für Allgemeinmedizin, Uni.klin. Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Heike Krüger - Physiotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Britta Tetzlaff - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Anne Stark - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Gesche Ketels - Physiotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Martin Scherer - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocFV11-268

doi: 10.3205/13dkvf111, urn:nbn:de:0183-13dkvf1112

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Barzel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In der Cluster-randomisiert kontrollierten Studie HOMECIMT erhalten die Patienten der Interventionsgruppe eine für das häusliche Setting modifizierte Form der Constraint Induced Movement Therapy (CIMT at home) [1]. Es wird untersucht, ob bei Schlaganfallpatienten mit einer motorischen Beeinträchtigung der oberen Extremität der Einsatz des betroffenen Armes bei Alltagsaktivitäten durch CIMT at home besser gefördert wird als durch konventionelle Physio- oder Ergotherapie. Die CIMT basiert auf dem lernpsychologischen Modell des Learned Nonuse [2] und beinhaltet vier Therapieprinzipien: 1. gemeinsam mit den Patienten formulierte individuelle, alltagsrelevante Therapieziele (kognitive Vorbereitung), 2. an den Alltagsanforderungen der Patienten orientierte, repetitive Übungen (motorisch-funktionelles Training), 3. regelmäßige Erfolgskontrolle, um die Anforderungen individuell so zu steigern, dass an der Leistungsgrenze trainiert wird (Shaping) und 4. erfolgt zusätzlich eine Bewegungsrestriktion der nicht betroffenen Hand. CIMT at home ist bislang in der ambulanten Physio- und Ergotherapie noch nicht etabliert. Neben der Verbesserung des Armeinsatzes bei Alltagsaktivitäten (primäre Zielgröße) untersuchten wir die Frage, in welchem Maße Therapeuten und Patienten die Therapieprinzipien dieses für sie neuen Konzepts umsetzen. Die Studie HOMECIMT wird vom BMBF im Förderschwerpunkt zur Versorgungsnahen Forschung gefördert.

Methodik: Alle 37 Therapeuten der Interventionsgruppe erhielten eine standardisierte Schulung in den Prinzipien der CIMT und eine Anleitung zur praktischen Umsetzung von CIMT at home, incl. Handbuch und Materialien zur Durchführung. Zusätzlich wurde eine Telefon-Hotline für Nachfragen bereitgestellt. Die 85 Patienten der Interventionsgruppe erhielten eine Studienmappe mit Erläuterungen zur Durchführung und Dokumentation der vierwöchigen Intervention. Die darin enthaltenen Dokumentationsbögen für die Therapievereinbarung, Therapieziele, Zielerreichung, Alltagsaktivitäten und das Übungstagebuch wurden quantitativ und qualitativ ausgewertet, um Rückschlüsse auf die Umsetzung der Therapieprinzipien zu erhalten.

Ergebnisse: Von 77 der insgesamt 85 Patienten der Interventionsgruppe liegen bisher die Studienmappen zur Auswertung vor. Alle 77 Patienten vereinbarten mit ihren Therapeuten zwischen 1 und 5 Therapieziele (im Mittel 3,5) für den Einsatz des betroffenen Armes bei Alltagsaktivitäten. Die inhaltliche Analyse zeigt, dass mehrheitlich aktivitätsbezogene Ziele wie z.B. >die volle Gabel zum Mund führen< , >aus einem Glas trinken< formuliert wurden. Es finden sich aber auch funktionsbezogene Ziele wie z.B. >Schulterabduktion verbessern<. Die Möglichkeit, die Zielerreichung zu dokumentieren, nutzten 72% der Patienten. Davon haben 36,4% ihr erstes Ziel erreicht und 38,2% die Erwartungen sogar übertroffen, knapp ein Viertel (23,6%) gab keine Veränderung an, eine Person eine Verschlechterung. Den Einsatz des betroffenen Armes bei Alltagsaktivitäten dokumentierte die Mehrzahl der Patienten (77,6%) vollständig für den vierwöchigen Interventionszeitraum, 11,8% hingegen überhaupt nicht (im Mittel 3,38 Wochen). Das Ziel von 20 Übungstagen erreichten 68,2% der Patienten.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die in Cimt at home eingesetzten Methoden der strukturierten Therapiezielvereinbarung und der Formulierung alltagsorientierter Übungen sowie der Überprüfung der Zielerreichung sind für Therapeuten und Patienten in dieser Komplexität neu. Die Auswertung der Studienmappen zeigt, dass die Mehrzahl der Patienten und Therapeuten die Prinzipien dieses für sie neuen Therapiekonzepts umsetzt. Mögliche Gründe für die nicht erfolgte Dokumentation könnten in einer allgemeinen Ablehnung, aber auch in einer Überforderung liegen, zusätzlich zur Therapie zu dokumentieren. In einem nächsten Schritt soll die dokumentierte Einschätzung der Zielerreichung der in den primären Zielgrößen erreichten Verbesserung gegenübergestellt werden, um mögliche Zusammenhänge tiefer gehend zu analysieren. Die Erkenntnisse können genutzt werden, um das Therapiekonzept weiterzuentwickeln und an den Bedarf der Patienten optimal anzupassen. Zusätzlich dient die Sammlung und Auswertung der Therapieziele u.a. dazu, den Therapeuten bei zukünftigen Fortbildungen, die von Leitlinien empfohlene alltagsorientierte, therapiezielbasierte Therapie praxisnäher zu vermitteln.


Literatur

1.
Barzel A, Liepert J, Haevernick K, Eisele M, Ketels G, Rijntjes M, van den Bussche H. Comparison of two types of Constraint-Induced Movement Therapy in chronic stroke patients: A pilot study. Restor Neurol Neurosci. 2009; 27: 673-80.
2.
Taub E, Miller NE, Novack TA, Cook EW, Fleming WC, Nepomuceno CS, u. a. Technique to improve chronic motor deficit after stroke. Arch Phys Med Rehabil. 1993;74:347-54.