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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

„… einfach offen und ehrlich sein …“ – Was Patienten mit chronischen Rückenschmerzen und deren Behandler unter kompetentem Kommunikationsverhalten verstehen

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Erika Schmidt - Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin (AQMS), Freiburg, Germany
  • Andrea Schöpf - Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin (AQMS), Freiburg, Germany
  • Erik Farin-Glattacker - Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin (AQMS), Freiburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocFV11-32

doi: 10.3205/13dkvf108, urn:nbn:de:0183-13dkvf1087

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Schmidt et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Eine gelungene Patient-Behandler-Kommunikation geht bei chronisch Kranken u.a. mit höherer Adhärenz (Zolnierek & DiMatteo, 2009) und besserem Behandlungsergebnis einher (Griffin et al., 2004). Während jedoch meist die Kommunikationskompetenzen (kurz: KOKO) der Behandler untersucht (Vail et al., 2011) und geschult (Gulbrandsen et al., 2013) werden, liegen nur wenige Erkenntnisse zu den wirksamen KOKO der Patienten vor. Vor dem Hintergrund des Patienten-Empowerment-Paradigmas (Aujoulat et al., 2007) ist ergänzende Forschung mit Fokussierung auf den Patienten angezeigt.

Die vorliegende qualitative Untersuchung widmet sich den KOKO der gesundheitsökonomisch relevanten Patientengruppe mit chronischen Rückenschmerzen (kurz: CRS) und untersucht, welche patientenseitigen KOKO aus Sicht von Patienten und Behandlern im Gespräch mit dem Arzt wichtig sind. Dabei wird auch geprüft, ob sich die Ansichten der Patienten von denen der Behandler unterscheiden.

Methodik: Diese prospektive Studie wurde im Projekt KoKoPa des Förderschwerpunktes zur Versorgungsnahen Forschung (BMBF) umgesetzt. Es wurden 4 leitfadengestützte Fokusgruppen (Agan et al., 2008) mit Patienten und 3 mit Behandlern durchgeführt. Der Moderator fragte: "Wie sollte sich ein Patient im Gespräch mit dem Arzt verhalten, damit das Gespräch erfolgreich wird, damit es also wirksam und nützlich für den Patienten ist?".

Insgesamt nahmen N=22 Patienten mit CRS und N=20 Behandler aus 4 Rehabilitations-Einrichtungen teil. An den Behandler-Fokusgruppen nahmen Ärzte (26,3%), Psychologen (15,8%), Therapeuten (31,6%) und Pflegekräfte (26,3%) teil. Unter den befragten Behandlern waren 75% Frauen, das Durchschnittsalter lag bei M=42,2 Jahren (SD=8,6) und die Hälfte (50%) hatte über 10 Jahre Berufserfahrung mit chronischen Krankheiten. Die befragten Patienten mit CRS waren in der Mehrzahl weiblich (77,3%), das Durchschnittsalter betrug M=51,1 Jahre (SD=11,2) und die Hälfte (50%) litt bereits mehr als 10 Jahre an CRS.

Nach der Transkription der Gespräche wurden die Daten inhaltsanalytisch mit der Software ATLAS.ti ausgewertet, wobei sich das Vorgehen an der Methode von Mayring (2003) orientierte.

Ergebnisse: Die 365 kodierten Aussagen der Patienten und Behandler konnten zu 93 unterschiedlichen Kommunikations-Kategorien zugeordnet werden, welche zu folgenden 12 Themenbereichen zusammengefasst wurden: "allgemeiner Kommunikationsstil des Patienten", "Anforderungen stellen", "Fakteninformation geben", "Emotionen wahrnehmen und mitteilen", "über Privates kommunizieren", "sich an der Gesprächsführung beteiligen", "Fragen stellen", "eigene Meinungen und Wahrnehmungen", "sich vorbereiten", "aktiver und partizipierender Patient sein", "dem Behandler Rückmeldungen geben" und "mit Meinungsverschiedenheiten umgehen".

Die 209 kodierten Aussagen der Patienten mit CRS wurden 73 Kommunikationskategorien zugeordnet. Dabei fanden diese am häufigsten die Verhaltensweisen "Rückfragen stellen" (Zitat: "Und manche Begriffe, die [sind] ja lateinisch, ...das sind ja böhmische Dörfer für uns. Also die habe ich mir dann auch erklären lassen. Was ist jetzt das und was ist das?"), "Wünsche äußern" (Zitat: "Oder was man eben nicht so gerne mag, das habe ich hier auch gesagt und dann [hat die Ärztin] eben dadurch einige Therapien, die sie gerne für mich hätte, [...] weggelassen.") und "Offenheit im Gespräch" (Zitat: "Einfach offen mit dem Arzt reden. Die Offenheit ist wichtig dem Arzt gegenüber, das ist meine Meinung.") zielführend im Arztgespräch.

Bei den Behandlern konnten die 156 Aussagen 64 Kategorien zugeordnet werden. Am erfolgreichsten befanden die Behandler die patientenseitigen Kommunikationsstrategien "Offenheit im Gespräch", "selbst initiativ werden" und "Rückfragen stellen".

Es lassen sich auch Unterschiede zwischen Patienten und deren Behandlern aufzeigen, z.B. finden ausschließlich Patienten die KOKO zum Umgang mit Meinungsverschieden im Arztgespräch wichtig.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Patienten mit CRS, als auch deren Behandler zahlreiche patientenseitige Verhaltensweisen benennen können, die aus ihrer Sicht zu einem erfolgreichen Patient-Arzt-Gespräch beitragen. Daraus ergeben sich potentielle Ansätze für Kommunikationstrainings. Die gefundenen Unterschiede zwischen beiden Gruppen lassen sich u.U. auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erfahrungen zurückführen, die beide Seiten in einem Patient-Arzt-Gespräch einnehmen (vgl. z.B. Cegala et al., 2004).

Die vorliegenden Ergebnisse flossen in die Entwicklung eines Fragebogens zur Messung von KOKO der Patienten (Farin et al., under review). Ferner sollen die Erkenntnisse bei der Konzeption einer Schulung zur Förderung von KOKO bei chronisch kranken Patienten berücksichtigt werden.

Limitationen der Studie betreffen insbesondere die Generalisierbarkeit. Die Stichprobe bestand aus CRS-Patienten aus einem bestimmten Versorgungsbereich, so dass die Resultate nicht ohne weiteres auf andere Patienten und andere Versorgungssektoren übertragbar sind.