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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Stand der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln – welche Rolle spielen patientenberichtete Endpunkte?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Christine Blome - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, CVderm, Hamburg, Germany
  • Luise Geithner - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, CVderm, Hamburg, Germany
  • Matthias Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, CVderm, Hamburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT4-14-116

doi: 10.3205/13dkvf097, urn:nbn:de:0183-13dkvf0970

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Blome et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Seit der Einführung des Arzneimittelneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2011 muss bei Markteinführung eines Arzneimittels mit neuen Wirkstoffen dessen Zusatznutzen geprüft werden. Der Hersteller muss hierzu ein Nutzendossier einreichen, das den Zusatznutzen gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie empirisch darlegt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) beauftragt im Anschluss das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der wissenschaftlichen Beurteilung des Dossiers. Der Beschluss des GBA, ob und in welchem Ausmaß ein Zusatznutzen vorliegt, entscheidet schließlich darüber, welcher Betrag von den Gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird: Bei nicht nachgewiesenem Zusatznutzen wird lediglich ein Festbetrag von den Krankenkassen erstattet, der die Kosten von Vergleichsmedikamenten nicht übersteigen darf. Bei nachgewiesenem Zusatznutzen wird ein höherer Betrag ausgehandelt. Der GBA richtet bei der Bewertung des Zusatznutzens laut Gesetz (SGB V § 35b) und eigener Verfahrensordnung (§ 6) ein besonderes Augenmerk auf die patientenrelevanten Endpunkte Morbidität, Mortalität, Lebensqualität und Nebenwirkungen. Auch das IQWiG betont in seinem Methodenpapier, dass allein patientenrelevante Endpunkte für die Nutzenbewertung maßgeblich sind. Insbesondere die Lebensqualität, aber auch viele Morbiditätsendpunkte, können nur durch den Patienten selbst zuverlässig beurteilt werden (so genannte patientenberichtete Endpunkte). Ziel dieser Untersuchung war es daher zu überprüfen, welcher Stellenwert patientenrelevanten und insbesondere patientenberichteten Endpunkten in den bisher erfolgten Nutzenbewertungen des GBA tatsächlich eingeräumt wurde.

Methodik: Für 35 neue Wirkstoffe, zu denen der GBA einen Beschluss gefasst hat (Stand: 24.03.2013), wurden die entsprechenden Dokumente qualitativ und quantitativ ausgewertet. Quantitativ wurde ermittelt, ob ein Zusatznutzen nachgewiesen wurde sowie welches Ausmaß des Zusatznutzens und welche Aussagesicherheit hierfür bescheinigt wurde. Qualitativ wurden die Beschlüsse daraufhin ausgewertet, welche Endpunkte für die Zusatznutzenfeststellung ausschlaggebend waren und welche Begründungen angegeben wurden, wenn Endpunkte nicht als maßgeblich beurteilt wurden. Die Auswertung wird laufend fortgeführt und im September 2013 anhand der bis dahin abgeschlossenen Nutzenbewertungen aktualisiert.

Ergebnisse: Von den 35 bewerteten Wirkstoffen wurde für 21 ein Zusatznutzen nachgewiesen, wobei sich dieser bei 14 Wirkstoffen nur für bestimmte Patienten-Subgruppen anerkannt wurde. Unter diesen 21 Zusatznutzenfeststellungen waren drei nicht quantifizierbar, bei 12 Wirkstoffen wurde der Zusatznutzen als gering eingestuft, für sechs als beträchtlich. Hinsichtlich der Aussagesicherheit gab es in drei Fällen Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen, in acht Fällen Hinweise und in acht Belege, wobei letztere Kategorie drei Medikamente gegen seltene Leiden beinhaltete, bei denen der Zusatznutzen mit der Zulassung als belegt gilt. In zwei Fällen wurde die Aussagesicherheit nicht angegeben.

Die Analyse der für die Feststellung entscheidenden Endpunkte ergab, dass die Morbidität am häufigsten ausschlaggebend war (n=7). Die Senkung der Nebenwirkungen wurde sechs Mal, die Senkung der Mortalität fünf Mal als entscheidend benannt. Der Endpunkt Lebensqualität wurde für keine Zusatznutzenfeststellung explizit als entscheidendes Kriterium angegeben. In sechs Fällen wurde keine Information zum entscheidenden Endpunkt angegeben.

Eine detailliertere Betrachtung der Ausführungen zeigte, dass patientenberichteten Endpunkte wie insbesondere der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ein hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Die entsprechenden Daten aus den Nutzendossiers wurden jedoch häufig aufgrund methodischer Mängel wie zum Beispiel fehlender Validierungsdaten nicht in die Beurteilung einbezogen. Weitere Gründe dafür, dass patientenberichtete Endpunkte nicht für eine Zusatznutzenfeststellung herangezogen wurden, waren nicht-signifikante Ergebnisse, eine unzureichende Datenaufbereitung oder die Verwendung reiner Symptomscores, die nicht als Lebensqualitätsinstrumente anerkannt wurden.

Diskussion/Schlussfolgerung: Das IQWiG und der GBA weisen patientenberichteten Endpunkten, insbesondere bei der Lebensqualitätsmessung, in ihren Nutzenbewertungen einen hohen Stellenwert zu und folgen somit hinsichtlich der Patientenorientierung den gesetzlichen und selbstgesetzten Standards. Hierbei fordern sie eine hohe methodische Qualität der eingereichten Studien, was einer der Gründe dafür ist, dass der Endpunkt Lebensqualität bislang zu keiner positiven Zusatznutzenfeststellung beigetragen hat. Eine kontinuierliche Fortführung der Untersuchung und Aktualisierung der Daten bis September 2013 verspricht neue Erkenntnisse.