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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Zum Nutzen der Methodenvielfalt in der Versorgungsforschung: Ein Fallbeispiel

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Mirjam Thanner - Universität Bayreuth (IMG), Bayreuth, Germany
  • Eckhard Nagel - Universität Bayreuth (IMG), Bayreuth, Germany
  • Julika Loss - Universität Regensburg, Medizinische Soziologie, Regensburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT4-13-29

doi: 10.3205/13dkvf092, urn:nbn:de:0183-13dkvf0923

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Thanner et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Konzentration auf das Denken in unterschiedlichen wissenschaftlichen Schulen birgt die Gefahr, dass die Frage nach der Angemessenheit einer wissenschaftlichen Methode (quantitatives versus qualitatives Design) in den Hintergrund gerät. Zudem wird dabei vernachlässigt, dass gerade der bewusste Einsatz vielfältiger Methoden von hohem Nutzen für die jeweiligen Forschungsergebnisse sein kann.

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, Vorteile der Methodenvielfalt exemplarisch aufzuzeigen.

Methodik: Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes wurden niedergelassene Ärzte mittels fünf verschiedener Aussagen zu ihrem Arztbild befragt. Dabei sollte der Zustimmungsgrad jeweils auf einer ordinalen vierstufigen Antwortskala angegeben werden (von Trifft gar nicht zu bis Trifft völlig zu). Eine dieser Aussagen lautete Ärzte sind Dienstleister. Deutschlandweit wurden 2396 Fragebögen an Vertragsärzte aller Fachrichtungen verschickt (gültiger Rücklauf n=553). Zusätzlich zur standardisierten schriftlichen Befragung wurden semistandardisierte Interviews mit 17 niedergelassenen Ärzten (v.a. Allgemeinmedizinern) geführt. Folgende Fragestellungen flossen in die Gespräche ein: Welches Grundverständnis haben die Interviewpartner von einem Dienstleister? Inwieweit sehen sich die Befragten selbst als Dienstleister bzw. welche Vorbehalte hegen die Befragten gegenüber diesem Begriff?

Im Anschluss wurden die Ergebnisse in der Zusammenschau beider Methoden diskutiert und die Vorteile der Methodenvielfalt konkretisiert.

Ergebnisse: 22% der befragten Ärzte hielten die Aussage Ärzte sind Dienstleister für völlig zutreffend, 41% für eher zutreffend. Lediglich 12% gaben an, diese Aussage sei gar nicht zutreffend; 25% waren der Ansicht, sie sei eher nicht zutreffend. Insgesamt konnten sich damit mehr als die Hälfte (63%) der befragten Ärzte mit dem Begriff des Dienstleisters identifizieren.

Auch die qualitativen Interviews zeigten, dass die Einstellungen der Ärzte gegenüber dem Begriff des Dienstleisters von völliger Zustimmung (Ja, ich bin Dienstleister - voll und ganz) bis zur totalen Ablehnung reichen können (Von einem Arzt habe ich eine elementar andere Definition).

Darüberhinaus wurde deutlich, dass unter den Ärzten offenbar keine einheitliche Vorstellung eines Dienstleisters existiert. Die Befragten nannten eine Vielzahl an Definitionen, welche sich jedoch auch zum Teil widersprachen. In der ökonomischen Literatur vorherrschende Charakteristika, wie z. B. Integrativität (Einbezug des Kunden bzw. von Informationen des Kunden bei der Leistungserstellung), wurden von den Gesprächspartnern gar nicht thematisiert. Die Interviews zeigten auch, dass es offenbar Ärzte gibt, die eine Übertragung auf die ärztliche Tätigkeit ablehnen, weil dieser Begriff bei ihnen negative Assoziationen weckt (Das ist irgendwie so schematisiert, was eigentlich den Menschen nicht erfasst). Dieser Befund deckt sich nicht mit der wertfreien, rein deskriptiven Verwendung des Begriffs in der Ökonomie.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Untersuchung legt nahe, dass im vorliegenden Fallbeispiel die Methodenvielfalt von hohem Nutzen für die Interpretation der Forschungsergebnisse war. Durch die Erweiterung der quantitativ erhobenen Daten durch qualitative Methoden konnten die Vorteile beider Herangehensweisen miteinander verknüpft werden.

Obgleich der Fragebogen einem Pretest durch 5 Ärzte unterzogen wurde, machten erst die Interviews deutlich, dass unterschiedliche Definitionen und Konnotationen des Begriffs Dienstleister sowohl die Diskussion innerhalb der ärztlichen Gemeinschaft wie auch interdisziplinär, z. B. mit Ökonomen, erschweren. Auf diese Weise gelang es mit Hilfe der Interviews, Schwächen des Fragebogens aufzudecken und eine vertiefte Reflexion der quantitativen Ergebnisse anzustoßen.