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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Erste Ergebnisse einer berufsbezogenen Rehabilitationsmaßnahme (Kniekolleg) gemäß § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV) für kniebelastete Beschäftigte aus dem Baugewerbe mit degenerativen Kniegelenksbeschwerden unter Beachtung der Nachhaltigkeit

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Stefan Dalichau - BG Unfallambulanz und Rehazentrum, Bremen, Germany
  • Martin Giemsa - BG Reha City Hamburg, Hamburg, Germany
  • Thomas Solbach - ASD der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – HV, Berlin, Germany
  • Anette Wahl-Wachendorf - ASD der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – HV, Berlin, Germany
  • Frank Westphal - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – Hauptverwaltung, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT2-16-69

doi: 10.3205/13dkvf081, urn:nbn:de:0183-13dkvf0812

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Dalichau et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit Aufnahme der Berufskrankheit (BK) Nummer 2112 - Gonarthrose - durch berufsbezogene Tätigkeiten im Knien oder vergleichbare Kniebelastungen in die Liste der Berufskrankheiten ist insbesondere die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) aufgefordert, präventive sowie rehabilitative Maßnahmen einzuleiten, um arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten und das Auftreten der BK gemäß § 3 BKV zu verhindern. Allein 11 der 17 im Merkblatt zur BK 2112 aufgeführten gefährdenden Tätigkeiten sind BG BAU-assoziiert. Folglich wurde ein sekundärpräventives Rehabilitationsprojekt, das Kniekolleg, konzeptioniert, dessen Schwerpunkt neben der biopsychosozialen und arbeitsplatzbezogenen Ausrichtung insbesondere auf der Sicherung positiver Nachhaltigkeitseffekte liegt. An dieser Stelle wird über die ersten Ergebnisse dieses innovativen Reha-Projekts berichtet.

Methodik: Die Rekrutierung der Teilnehmer (TN) für das Kniekolleg erfolgt im Rahmen der im Baugewerbe durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen. In einer kontrollierten prospektiven Studie durchliefen so 43 männliche arbeitsfähige Beschäftigte aus dem Baugewerbe (48,1 ± 6,3 Lebensjahre; BMI: 27,8 ± 3,9) mit einer beruflichen Exposition von 30,4 ± 6,4 Jahren und degenerativbedingten Beschwerden des Kniegelenks eine 3-wöchige ambulante Reha-Aufbauphase (Mo-Fr), die sich inhaltlich an den Rahmenempfehlungen der BAR sowie am jeweiligen beruflichen Tätigkeitsprofil der TN orientiert. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit haben Rehabilitationsnachsorgebeauftragte (RNB) der Rehaeinrichtungen die Aufgabe, auf gesundheitspsychologischen Grundsätzen basierende intensive Einzel- sowie Gruppengespräche während der Aufbauphase durchzuführen. Des Weiteren organisieren die RNB gemeinsam mit den TN den Besuch in einem wohnortnahen Gesundheitszentrum (GZ) zum weiterführenden Muskelaufbautraining für 6 Monate. In diesem Zeitraum werden 3 zeitlich standardisierte Telefongespräche mit den TN zur Hilfestellung und Problembewältigung geführt. Im Anschluss absolvieren die TN einen einwöchigen Refresher-Kurs (Mo-Fr) in den Rehaeinrichtungen, um dann weitere 12 Monate im GZ zu trainieren, die von 4 Telefonaten der RNB begleitet werden. Den Abschluss der Reha-Maßnahme bildet ein zweiter einwöchiger Refresherkurs (Mo-Fr). Das Training im GZ wird von der BG BAU bei regelmäßiger Teilnahme bezuschusst. Zu Beginn (T1) und am Ende der 3-wöchigen Aufbauphase (T2) sowie zum Zeitpunkt des Refreshers 1 (T3) und 2 (T4) werden die TN mittels eines umfangreichen Assessmentinstrumentariums untersucht. An dieser Stelle wird über erste ausgewählte Ergebnisse von T1 zu T3 berichtet. 29 TN (67,4 %) führten das Training bis zum Refresher 1 regelmäßig (1-2mal wöchentlich) fort (Versuchsgruppe: VG). Die Nachhaltigkeitseffekte wurden an 14 Trainingsabbrechern (32,6 %) kontrolliert (Kontrollgruppe: KG). Die statistische Auswertung erfolgte mittels ANOVA mit Messwiederholung und posthoc-Testdesign.

Ergebnisse: Hinsichtlich der motorischen Funktionsdiagnostik erreichten beide Gruppen gemessen an T1 nach der Aufbauphase in T2 statistisch signifikante Verbesserungen in den Parametern anguläre Beweglichkeit des betroffenen Kniegelenks (p<.05), dynamische Maximalkraft der Oberschenkelmuskulatur (Isokinetik; p<.01), Gangsymmetrie (plantare Druckverteilung im Schuh; p<.05) sowie Ausdauerleistungsfähigkeit (Physical Work Capacity auf dem Fahrradergometer; p<.01). Zudem bewerteten beide Gruppen mittels schriftlicher Befragungen die Lebensqualität (SF-36; p<.01) und die berufliche Leistungsfähigkeit (PACT; p<.05) als signifikant erhöht sowie die Funktionseinschränkungen wegen Kniegelenksbeschwerden bei Alltagsaktivitäten als deutlich verringert (WOMAC; p<.01). Während diese positiven Ergebnisse in der VG in T3 stabilisiert und teilweise (Kraft, Ausdauer, SF-36) tendenziell weiter gesteigert werden konnten, remittierten die Effekte in der KG signifikant (p<.05) und erreichten nur noch 10-40 % der T2-Werte. Bezüglich des SF-36 und des PACT fielen die Ergebnisse in der KG tendenziell sogar unter den status quo ante in T1.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die präsentierten Resultate des Kniekollegs der BG BAU bestätigen die Ergebnisse der Literatur. Indikationsübergreifend ist dort zu konstatieren, dass durch 3-5-wöchige ambulante sowie stationäre qualitativ hochwertige Reha-Maßnahmen positive Effekte erzielt werden können, die sich jedoch bereits nach 6-12 Monaten ohne die Einbindung dezidierter Nachsorgestrategien wieder bedeutend abschwächen. Die Implementierung eines RNB, dessen Arbeitsinhalte überwiegend auf gesundheitspsychologischen Ansätzen gründen, erscheint zum jetzigen Zeitpunkt des Kniekollegs gemessen an der relativ niedrigen Drop out Rate von 32,6 % in T3 vielversprechend und wird weiter verfolgt. Es muss an dieser Stelle allerdings auch auf den hohen zeitlichen und personellen Aufwand eines seriösen Nachsorgeverfahrens hingewiesen werden, was jedoch durch den Kostenträger dieses Projekts finanziell honoriert wird.