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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Partizipation in der Forschung – Wie kann das gehen?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Silke Kirschning - Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT1-24-201

doi: 10.3205/13dkvf071, urn:nbn:de:0183-13dkvf0712

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Kirschning.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Politik propagiert die Beteiligung von Patientinnen und Patienten an Entscheidungsprozessen. Sie sollen nicht nur einbezogen werden, wenn ihre individuelle Gesundheitsversorgung zur Disposition steht (Stichwort: Shared-Decison-Making) sondern auch bei Entscheidungen, die Fragen des gesamten Gesundheitssystems betreffen können. Die 2009 von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention geht darüber noch deutlich hinaus. Sie fordert die Inklusion Betroffener in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen. Das Konzept der Inklusion kann als Weiterentwicklung des Teilhabekonzepts gesehen werden. Die Einbeziehung von Betroffenen in Forschungsprojekte ist ein weiterer Schritt, sich diesem demokratischen Leitbild zu nähern.

Methodik: Im Vortrag werden Begriffe und Konzepte der Rehabilitation vorgestellt, die im Zusammenhang mit partizipativer Reha-Forschung relevant sind. Die Bedeutung von Teilhabe als wesentlicher Komponente der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) wird dargelegt. Darüber hinaus werden die Konzepte Inklusion und Empowerment vorgestellt und ihre Bedeutung für die Rehabilitation erörtert. Es folgen die Ergebnisse zweier Workshops, in denen Forschende, Betroffene und Professionelle aus dem Bereich der Rehabilitation Ideen für die Beteiligung Betroffener an der Forschung entwickelten. Die Workshops wurden organisiert von der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW). Auch auf die einschlägige Literatur wird eingegangen.

Ergebnisse: Es wird ein Stufenmodell und ein erster Entwurf einer Matrix vorgestellt, die zur Ausgestaltung und Dokumentation der Beteiligung Betroffener geeignet sind. Zentrale Begriffe sind: Beratung, Zusammenarbeit und Kontrolle. Sie charakterisieren die möglichen Rollen, die Betroffene bzw. ihre Vertretungen im Forschungsprozess einnehmen können. Ihre Rolle kann darin bestehen, lediglich hilfreiche Informationen weiterzugeben. Sie kann aber auch durch Kooperation und Gleichberechtigung gekennzeichnet sein. Darüber hinaus kann sie das Kontrollieren zentraler Entscheidungen innerhalb des Forschungsprozesses allein durch die Betroffenen beschreiben.

Die Beteiligung von Betroffenen an Forschung kann sich grundsätzlich auf alle Phasen eines Forschungsprozesses beziehen. Beginnt die Beteiligung frühzeitig und ist sie intensiv, dann ist dies selbstverständlich aufwendiger als eine Beteiligung, die sich beispielsweise auf eine Mitwirkung von Betroffenen während der Erhebung der Daten beschränkt. Aufwand und voraussichtlicher Erkenntnisgewinn, aber auch der berechtigte Wunsch Betroffener nach Beteiligung, müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Es werden konkrete Empfehlungen für die Praxis rehabilitativer Forschung gegeben. Einige sind:

  • Die Einbeziehung Betroffener sollte so früh wie möglich geschehen.
  • Die zusätzlich benötigte Zeit und die erforderlichen Ressourcen müssen bei der Planung beachtet werden.
  • Die Vereinbarungen über Rechte und Pflichten sowohl der Betroffenen als auch der Wissenschaftler müssen möglichst eindeutig getroffen werden.
  • Der Aufbau einer wertschätzenden Beziehung ist notwendig, da Unterschiede sowohl im Status von Betroffenen und Wissenschaftlern als auch in Hinblick auf das relevante Wissen Potential für Konflikte beinhalten.
  • Ist die Mitarbeit der Betroffenen ein bedeutsamer Bestandteil des Forschungsprojektes, so sollte sie entsprechend dem Stufenmodell während der einzelnen Phasen des Forschungsprozesses dokumentiert werden.

Diskussion/Schlussfolgerung: Der Vortrag endet mit einer Liste offener Fragen, die in der Zukunft beantwortet werden sollten:

  • Wie beeinflusst die Partizipation die Qualität der Forschungsergebnisse?
  • Gefährdet das Bestehen auf der Beteiligung Betroffener die Freiheit der Forschung?
  • Nach welchen Kriterien kann entschieden werden, welche Betroffenen bzw. welche personellen Vertreter von Organisationen geeignet sind, sich am jeweiligen Forschungsprojekt zu beteiligen?
  • Was brauchen Betroffene, um ihre Rolle erfüllen zu können (bezogen auf Ressourcen, Wissen und in Hinblick auf ihre persönliche Situation etc.)?
  • Welche Voraussetzungen müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitbringen, um ihre Rolle erfüllen zu können und das Gelingen eines partizipativen Forschungsprojektes zu ermöglichen?

Literatur

1.
Arbeitsgruppe Teilhabeforschung des Ausschusses Reha-Forschung der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften. Diskussionspapier Teilhabeforschung. Die Rehabilitation. 2012;51 Supplement 1:28-33.
2.
Faukner A. Principles and motives. In: Wallcraft J, Schrank B, Amering M, editor. Handbook of Service User Involvement in Mental Health Research. Wiley-Blackwell: West Sussex; 2009. p.13-24.
3.
Kirschning S, Pimmer V, Matzat J, Brüggemann S, Buschmann-Steinhage R. Beteiligung Betroffener an der Forschung. Die Rehabilitation. 2012;51 Supplement 1:12-27.