gms | German Medical Science

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Evaluation des Sturzrisikoassessments am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Thomas Petzold - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany
  • Andreas Hanel - Zentralbereich Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement, Dresden, Germany
  • Maria Eberlein-Gonska - Zentralbereich Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement, Dresden, Germany
  • Jochen Schmitt - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT1-18-305

doi: 10.3205/13dkvf064, urn:nbn:de:0183-13dkvf0647

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Petzold et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Hintergrund: Ein Sturz ist für jeden Patienten eine potentielle Gefahr für seine Gesundheit, die durch verschiedene intrinsische und extrinsische Risikofaktoren beeinflusst wird. Die Entwicklung, Anwendung und der wissenschaftlich begleitete Einsatz eines Risikoassessments zur Erfassung des Sturzrisikos sind wesentliche Voraussetzungen für eine wirksame Sturzprävention im stationären Versorgungsalltag. Neben der Notwendigkeit der Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten bildet eine angemessene Risikobeurteilung auch die Grundlage für den gerechtfertigten Ressourceneinsatz abgeleiteter Prophylaxen. Am Universitätsklinikum Dresden (UKD) erfolgt die Dokumentation des Sturzrisikos seit 2009 bei allen Patienten durch entsprechend geschultes pflegerisches Fachpersonal. Dies geschieht mit Hilfe eines eigens entwickelten Sturzrisikoassessments (SRA) in Anlehnung an den Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. Fragestellungen für die Evaluation und Weiterent-wicklung des SRA waren:

1.
Klassifiziert das SRA das Sturzrisiko der Patienten valide?
2.
Welche Risikofaktoren für inzidente Stürze bestehen über das SRA hinaus?
3.
Welches ist der optimale Cut off für einen binären SRA Score, der zwischen erhöhtem und nicht erhöhtem Sturzrisiko differenziert?

Methodik: Studienbasis bilden alle im Zeitraum 2009 bis 2012 stationär am UKD aufgenommenen, nicht komatösen Patienten. Das SRA klassifiziert das individuelle Sturzrisiko von Patienten mit Hilfe eines Scores als gering (0-5 Punkte), mittelgradig (6-9) und erhöht (10-34). Zunächst wurden die Sturzinzidenzen für alle drei SRA-Kategorien berechnet. Anhand univariater logistischer Regressi-onsmodelle wurde das Risiko von Patientenalter (in Jahren), Verweildauer (in Tagen), Erkrankungs-schwere (PCCL), Aufenthalt auf Intensivstation (gegenüber Normalstation) für das Outcome inzidenter Sturz berechnet. Mit Hilfe der Area under the curve (AUC) der Receiver Operating Characteristic wurde die Performance eines binären SRA bei variierenden Cut off Punkten untersucht.

Ergebnisse: Im Beobachtungszeitraum wurden 119.807 nicht komatöse Patienten (49,5% weiblich, Durchschnittsalter 53,1 Jahre) stationär aufgenommen und erhielten einen SRA-Aufnahmebefund. 66,7% (n=79.854) der Patienten wurden als gering, 14,6% (n=17.550) als mittel und 18,7% (n=22.403) als erhöht sturzgefährdet eingestuft. Es wurden 949 Stürze dokumentiert. Die Sturzinzidenz betrug 0,2% bei Patienten mit niedrigem, 0,5% bei Patienten mit mittlerem und 1,8% bei Patienten mit erhöh-tem Sturzrisiko gemäß SRA. Signifikant mit dem Eintreten eines Sturzes assoziiert waren das Patien-tenalter (Odds Ratio (OR) 1,048; 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) 1,043-1,053 pro Jahr), die Verweil-dauer (OR 1,027; 95%-KI 1,025-1,030 pro Tag), die Erkrankungsschwere (PCCL) des Patienten (OR 1,75; 95%-KI 1,65-1,85) sowie der Aufenthalt auf Intensivstation (OR 2,18; 95%-KI 1,49-3,17) gegen-über Normalstation). Ein optimaler binärer Cut off zwischen nicht erhöhtem und erhöhtem Sturzrisiko beträgt 7, wobei an diesem Punkt die AUC 72,06% beträgt. Die Sensitivität des SRA zum Sturzereig-nis beträgt bei diesem Cut off Punkt 71,95%, die Spezifität 70,28%, der positive Vorhersagewert 1,33% und der negative Vorhersagewert 99,78%.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Evaluation zeigt, dass das derzeitige SRA am UKD valide zwischen Patienten mit hohem, mittlerem und niedrigem Sturzrisiko unterscheidet. Basierend auf unseren Ergebnissen sollte dennoch der Wechsel auf ein binäres SRA diskutiert werden. Als Risikofaktoren für einen Sturz während des stationären Aufenthalts wurden das Patientenalter, die Verweildauer, die Erkrankungsschwere und der Aufenthalt auf Intensivstation ermittelt. Einschränkend muss gesagt werden, dass nicht alle möglichen Risikofaktoren erfasst wurden und zur Auswertung zur Verfügung standen (z.B. Aufnahmeart und Versorgungsbereich der Behandlung). Wie auch in anderen Bereichen der Pflegedokumentation (z.B. Dekubitus) wird bisher das mittels eines Scores erhobene Patientenrisiko nicht direkt in ein diffe-renzielles Präventionsregime übertragen. Die Umsetzbarkeit und der Nutzen eines derartigen individuellen, Risikobasierenden Präventionskonzepts bildet eine wesentliche Frage für weitere Ver-sorgungsforschung.