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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) in hausärztlicher Betreuung – ein weißer Fleck auf der Versorgungskarte

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Angelika Hüppe - Institut f. Sozialmedizin der Universität Lübeck, Lübeck, Germany
  • Bernd Bokemeyer - Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis, Minden, Germany
  • Jana Langbrandtner - Seniorprofessur Bevölkerungsmedizin der Universität Lübeck, Lübeck, Germany
  • Heiner Raspe - Seniorprofessur Bevölkerungsmedizin der Universität Lübeck, Lübeck, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT1-13-97

doi: 10.3205/13dkvf054, urn:nbn:de:0183-13dkvf0549

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Hüppe et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Nach der Diagnosensicherung in einer gastroenterologischen Fachpraxis empfehlen Versorgungspfade für Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), Patientinnen und Patienten mit leichteren Krankheitsverläufen primär in hausärztlichen Praxen zu betreuen. Die Langzeitversorgung chronisch aktiver und komplexer Verläufe, die z.B. auch eine immunsuppressive Therapie benötigen, sollten von gastroenterologischen Fachpraxen bzw. CED-Schwerpunktpraxen/ -Ambulanzen übernommen werden. Belastbare Daten zur Frage, inwieweit die Versorgungssituation diesen Empfehlungen folgt, liegen nicht vor.

Methodik: Im Rahmen der experimentellen Überprüfung der Wirksamkeit einer speziellen Patienteninformation (RCT) wurden volljährige Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK) mit mind. 2 Krankenhausaufenthalten oder 2 Fällen von Arbeitsunfähigkeit in den letzten 2 Jahren mit den ICD-Diagnosen K50 (CU) oder K51 (MC) identifiziert. 790 Versicherte erhielten Studieninformationen, 69 % stimmten der Studienteilnahme zu. Von 514 lag ein auswertbarer Fragebogen zur Basisdokumentation vor. Erfasst wurden u.a. somatische und psychosoziale Problemfelder sowie die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.

Die vorliegende Analyse bezieht sich auf die Basisdokumentation und vergleicht 2 Gruppen: Hausärztlich Betreute suchten in den letzten 12 Monaten weder einen Gastroenterologen noch Ärzte einer CED-Ambulanz/-Schwerpunktpraxis auf und sie gaben den Hausarzt als Hauptansprechpartner für die medizinische Betreuung ihrer CED an (N=127 von 514). Fachärztlicher Betreute suchten in den letzten 12 Monaten mindestens einmal eine gastroenterologische Fachpraxis oder eine CED-Ambulanz/-Schwerpunktpraxis auf und bezeichneten den Gastroenterologen als ihren Hauptansprechpartner (N=241 v. 514).

Die Auswertung erfolgte variablenweise in Abhängigkeit vom Datenniveau parametrisch oder nichtparametrisch.

Ergebnisse: Hausärztlich Betreute sind im Mittel älter (44 vs 41 Jahre, p=0,019) und haben seltener Abitur (30 vs 50 %, p=0,001). Frauenanteil, Familienstand und Anteil Erwerbstätiger unterscheiden sich zwischen beiden Gruppen statistisch nicht.

Auch das Diagnosespektrum (MC/CU) und die aktuelle Krankheitsaktivität (gemessen mit dem GIBDIscore) sind vergleichbar. Ebenso wenig unterscheidet sich die Schwere des Krankheitsverlaufs in den letzten Jahren.

Unterschiede zeigen sich in der Medikation: mehr hausärztlich Betreute geben die Einnahme von 5-ASA an (79 vs 60 %), weniger die Einnahme von Immunsuppressiva (23 vs 43 %), Biologika werden so gut wie gar nicht angegeben (1 vs 17 %) (jeweils p < 0,001). Die Häufigkeit der Glukokortikoid-Medikation ist in beiden Gruppen vergleichbar. Hausärztlich Betreute leiden weniger unter mäßigen bzw. starken Medikamenten-Nebenwirkungen (4 vs 10 %, p=0,042).

Versorgungsangeboten des rehabilitativen Sektors (Reha in letzten 4 Jahren) werden von beiden Gruppen in vergleichbarer Weise genutzt. Hausärztlich Betreute berichten über weniger Arztkontakte in den letzten 12 Monaten (11 vs 18, p=0,001) und waren in den letzten 12 Monaten seltener im Krankenhaus (17 vs 27 %, p=0,025). Sie geben im Mittel weniger Einschränkungstage in den letzten drei Monaten an (7 vs. 11, p=0,032) und sind bei der Ausübung täglicher Aufgaben und Verpflichtungen weniger stark beeinträchtigt (stark beeinträchtigt 2 vs 9%, p=0,021).

Diskussion/Schlussfolgerung: Überraschenderweise unterscheiden sich die hausärztlich betreuten TK-Versicherten mit CED in krankheitsspezifischen Parametern wie Aktivität und Verlauf nicht deutlich von den fachärztlich Betreuten. In Abweichung von den Empfehlungen der CED-Versorgungspfade finden wir auf beiden ambulanten Versorgungsebenen in dieser Querschnittsanalyse mehr oder weniger schwere Verläufe in vergleichbaren Anteilen. Die Medikation mit Biologika erfolgt fast ausschließlich auf der fachärztlichen Ebene, Immunsuppressiva kommen, wenn auch deutlich seltener, auch auf der hausärztlichen Ebene zum Einsatz. Rein formal könnte man so eine Unterversorgung von Betroffenen mit schwereren Verläufen ableiten.

Das geringere Ausmaß erlebter Einschränkung der sozialen Teilhabe unter den hausärztlich Betreuten könnte auch für eine effektive hausärztliche Betreuung der CED-Betroffenen sprechen. Ob in der hausärztlich betreuten Gruppe eher Personen mit einem schon spontan leichteren Verlauf enthalten sind, die deshalb auch nicht der intensivierten fachärztlichen Betreuung und Therapie benötigen, kann nur näher durch eine Verlaufsbeobachtung eruiert werden. Prospektive Langzeitstudien, idealerweise an Inzeptionskohorten, könnten hier zur weiteren Klärung beitragen.

Unsere Daten weisen darauf hin, dass Befunde zur Krankheitslast wie zu -kosten, die sich auf ausschließlich fachärztlich betreute Patientengruppen beziehen - wie z.B. die Daten aus dem bundesweiten CED online Register oder dem German IBD Study Group (GISG) Survey - nur eingeschränkt auf ein hausärztlich betreutes Patientenkollektiv übertragen werden können.