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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Prävalenz von Depressivität und Angst in der somatischen Rehabilitation

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Martin Brünger - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Karla Spyra - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT1-11-93

doi: 10.3205/13dkvf051, urn:nbn:de:0183-13dkvf0512

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Brünger et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In der somatischen Rehabilitation weist ein erheblicher Anteil an Rehabilitanden psychische Komorbiditäten auf. Hierunter sind depressive und Angststörungen die häufigsten Diagnosen (Härter et al., 2007). Rehabilitanden insbesondere mit komorbiden depressiven Störungen weisen im Vergleich zu Patienten ohne psychische Komorbidität u.a. eine erhöhte Morbidität und Mortalität, ein erhöhtes Inanspruchnahmeverhalten sowie eine geringere Lebensqualität auf (Baumeister, Härter, 2005). Es fehlt jedoch an aktuellen, bundesweiten Untersuchungen zum Ausmaß psychischer Komorbidität. Ziel der vorliegenden Studie ist daher die Bestimmung der Prävalenz von Depressivität und Angst bei Rehabilitanden in der somatischen Rehabilitation.

Methodik: Auf Basis einer repräsentativen Bewilligtenstichprobe der Deutschen Rentenversicherung (DRV Bund) wurde geschichtet für die sechs häufigsten Diagnosegrundgruppen (exklusive psychosomatische und Sucht-Rehabilitation) ein Assessment an jeweils 1.000 Rehabilitanden verschickt, insgesamt an 6.000 Personen. Einschlusskriterium war die Bewilligung einer medizinischen Rehabilitation im Heilverfahren, Ausschlusskriterium die Beantwortung des Fragebogens nach Rehabeginn. Depressivität und Angst wurden mit den beiden Subskalen PHQ-2 und GAD-2 des Patient Health Questionnaire (PHQ-4) erfasst (Löwe et al., 2010). Als weitere Reha-relevante Beeinträchtigungen und Ressourcen wurden u.a. Komorbidität (SCQ-D), Beeinträchtigung durch Schmerzen (PDI), soziale Unterstützung (IRES), Selbstwirksamkeit (SWE) und besondere berufliche Problemlagen (SIMBO) erhoben, ferner soziodemographische Angaben.

Aufgrund der geringen Missingquote von insgesamt 7,4% auf Skalenebene wurden nur Studienteilnehmer mit vollständigem Datensatz in die Untersuchung eingeschlossen. Nach einer Non-Response-Analyse wurden zur präziseren Prävalenzabschätzung Diagnosegrundgruppen-spezifisch Gewichtungsfaktoren gebildet, um für die unterschiedliche Teilnahmebereitschaft von Frauen und Männern anhand des tatsächlichen Geschlechterverhältnisses bei medizinischen Rehabilitationen der DRV Bund im Jahr 2011 zu korrigieren. Gesamtangaben wurden aufgrund der stratifizierten Stichprobenziehung zusätzlich für die reale Diagnosegrundgruppen-Verteilung gewichtet. Neben deskriptiven Analysen wurden Prädiktionsmodelle unter Adjustierung für Geschlecht und Alter auf Basis binärer logistischer Regressionen erstellt. Zielgrößen waren Depressivität bzw. Angst (Cut-Off für PHQ-2 und GAD-2 je ≥ 3 Punkte), Einflussgrößen die anderen berichteten Instrumente.

Ergebnisse: 5.891 Rehabilitanden wurden postalisch erreicht und erfüllten Ein- und Ausschlusskriterien, hiervon nahmen 2.152 an der Studie teil (Rücklaufquote: 36,5%). In die Complete Case-Analyse gingen 1.992 Personen ein. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer betrug im Mittel 50,7 Jahre, der Frauenanteil lag bei 65,9%. Nichtteilnehmer waren im Mittel 49,7 Jahre und zu 62,7% Frauen.

Die Prävalenz betrug für Depressivität 33,1% und für Angst 26,4%. Für Frauen lag der Anteil sowohl für Depressivität als auch Angst mit 34,1% resp. 27,4% deskriptiv höher als bei Männern mit 31,3% resp. 24,5%. Stratifiziert nach Alterskategorien zeigte sich für jüngere Rehabilitanden unter 45 Jahren jeweils die höchste Prävalenz mit einem Anteil von 37,8% für Depressivität und 31,1% für Angst, während bei älteren Rehabilitanden von 55 bis 65 Jahren die Prävalenz mit 31,2% bzw. 23,1% am niedrigsten lag. In der Diagnosegrundgruppen-spezifischen Analyse wiesen onkologische Rehabilitanden die niedrigste Prävalenz sowohl von Depressivität (23,0%) und Angst (21,8%) auf, während in der neurologischen Rehabilitation jeweils der höchste Anteil gemessen wurde (36,6% bzw. 36,3%).

In den Regressionsmodellen waren hohe Komorbidität und Beeinträchtigung durch Schmerzen sowie niedrige soziale Unterstützung und Selbstwirksamkeit mit dem Vorliegen sowohl von Depressivität als auch Angst assoziiert. Besondere berufliche Problemlagen waren hingegen ausschließlich für Depressivität prädiktiv.

Diskussion/Schlussfolgerung: Etwa ein Drittel der Rehabilitanden in der somatischen Rehabilitation zeigt Depressivität gemäß PHQ-2, ein Viertel Angst gemäß GAD-2. Der Anteil an psychisch Beeinträchtigten liegt in der somatischen Rehabilitation somit deutlich über der Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung. Im Deutschen Erwachsenen-Gesundheitssurvey wurde eine Prävalenz für Depressivität gemäß PHQ-9 von knapp 10% erhoben (Kurth, 2012).

Aufgrund der Verbreitung psychischer Beeinträchtigungen in der somatischen Rehabilitation ist ein routinemäßiges Screening sinnvoll, so wie es beispielsweise die DRV Bund im Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnostischen Stufenplans empfiehlt (DRV Bund, 2011). Durch den Einsatz eines Screenings bereits im Antragsverfahren auf medizinische Rehabilitation könnte zudem zukünftig die Zuweisung in geeignete Reha-Einrichtungen verbessert werden, welche spezifische Konzepte zur Behandlung von Rehabilitanden mit psychischer Komorbidität anbieten.

Förderung: DRV Bund