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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2021)

26. - 29.10.2021, Berlin

Das Polytrauma und seine Komplikationen – retrospektive Analyse klinischer Verläufe schwerverletzter Patienten

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Nils Becker - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Antonia Bernhardt - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Aachen, Germany
  • Tobias Hafner - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Christian Weber - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Hagen Andruszkow - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Frank Hildebrand - Universitätsklinik der RWTH Aachen, Klinik für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Klemens Horst - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2021). Berlin, 26.-29.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAB92-192

doi: 10.3205/21dkou651, urn:nbn:de:0183-21dkou6510

Veröffentlicht: 26. Oktober 2021

© 2021 Becker et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die Behandlung polytraumatisierter Patienten bleibt auch nach der Akutversorgung herausfordernd. Neben der Verletzungsschwere und einer prolongierten Therapie behindern vor allem komplikative Verläufe eine zeitnahe Rekonvaleszenz. Kenntnisse zur Inzidenz und die Identifikation von Risikofaktoren sind daher zur Prävention von Komplikationen aber auch zur Etablierung neuer Therapieansätze essentiell. Als Ziel dieser Studie wurde daher der Einfluss verschiedener individueller Patienten- und unfallassoziierter Faktoren auf die Entwicklung posttraumatischer Komplikationen untersucht.

Methodik: Patienten mit einem injury-severity score (ISS) > 16 und Aufnahme über den Schockraum eines Level 1 Trauma Centers wurden eingeschlossen. Demographische, physiologische, unfallbezogene und operative Daten, sowie intra- und postoperative Komplikationen wurden retrospektiv erfasst und ausgewertet. Zur Auswertung wurde das Programm SPSS benutzt. Ein statistischer Unterschied von p<0,05 wurde als signifikant gewertet.

Ergebnisse: 409 schwerverletzte Patienten (Alter: 49J±21,95; ISS: 24,59±8,73) wurden eingeschlossen. 70,9% der Patienten waren männlich. Häufigster Traumamechanismus war ein Sturz aus < 3 Metern Höhe (23%) gefolgt von Verkehrsunfällen mit PWK (16,6%). Führendes Verletzungsmuster waren Kopfverletzungen (71,6%, AIS 2,7±1,9) gefolgt von Thorax- (58,2%, AIS 1,7±1,6) und Extremitätenverletzungen (55%, AIS 1,5±1,5). Die 30 Tages-Letalität lag bei 24,9%. In 95% der Fälle verstarb der Patient vor Ende der intensivmedizinischen Phase.

Intraoperative Komplikationen traten bei 7% i.R. der Notfall-, 2,4% der Folgeoperationen und signifikant gehäuft bei erhöhtem body-mass index (BMI) auf. Damit war eine um 18 Tage prolongierte Liegedauer assoziiert. In 67,2% aller Fälle wurden Komplikationen während des intensivmedizinischen Aufenthaltes beobachtet (u.a. Infektionen (26.2%), acute respiratory distress syndrom (ARDS) (13,7%) und systemic inflammatory response syndrom (SIRS) sowie Sepsis (13,4%)). Die Anzahl an Folgeoperationen korrelierte signifikant mit dem Auftreten von Infektionen. Thromboemobolien (5,1% der Fälle) traten signifikant häufiger nach schwerem Thoraxtrauma auf. Die Entwicklung von Komplikationen korrelierte positiv mit dem initial erfassten SOFA-Score (14,1% pro Punkt, p<0,01). Komplikationen verlängerten die Liegezeit um 16 Tage. Auf der Normalstation entwickelten 7,2% der Patienten Komplikationen (v.a. Wund- und Harnwegsinfektionen).

Schlussfolgerung: Polytraumatisierte Patienten unterliegen einem hohen Risiko für die Entwicklung von Komplikationen. Während intraoperative Komplikationen vergleichsweise selten auftreten, erscheinen die Patienten besonders im frühen posttraumatischen, intensivpflichten Intervall gefährdet. Komplikationen verlängern die Liegedauer deutlich und eine zeitnahe Einschätzung der Organfunktion, wie auch patientenindividuelle Faktoren können frühzeitig auf die Entwicklung von Komplikationen hinweisen.