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Können wir uns den Notarzt sparen? Eine retrospektive Analyse der Notarzt-Notwendigkeit anhand der NUN-Algorithmen
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Veröffentlicht: | 26. Oktober 2021 |
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Fragestellung: Im Rahmen der in Deutschland seit Jahren stetig ansteigenden Notarztalarmierungen stellt sich die Frage, ob zumindest ein Teil dieser Patienten auch durch nicht-ärztliches Rettungsdienstpersonal behandelt werden kann. Im Jahr 2014 per Berufsgesetz verabschiedet, werden Notfallsanitäter über Algorithmen zur Medikamentengabe und Anwendung invasiver Maßnahmen qualifiziert, dies wurde bisher jedoch auch aufgrund der föderalen Strukturen sehr unterschiedlich oder gar nicht umgesetzt. Aktuell ist eine Reform des Notfallsanitätergesetzes im Bundestag verabschiedet worden, die Ausgestaltung im Hinblick auf invasive Maßnahmen und Änderungen des z.B. Betäubungsmittelgesetzes steht aber noch aus. Vor diesem Hintergrund sollte hier untersucht werden, welcher Anteil der Notarzteinsätze mit den schon vorhandenen Regelungen für Notfallsanitäter bewältigt werden könnte.
Methodik: Es erfolgte die retrospektive Auswertung aller Einsätze eines luftgebundenem Rettungsmittels (RTH) und eines bodengebundenem Notarzteinsatzfahrzeugs (NEF) des Jahres 2019 anhand der vorliegenden DIVI-Notarztprotokolle. Jedes Protokoll wurde einzeln gesichtet und dann bewertet, ob dieser Einsatz durch einen Notfallsanitäter zu bewältigen gewesen wäre (Gruppe NFS). Als Parameter, ob dies möglich wäre, dienten die für das Jahr 2019 geltenden NUN-Algorithmen und der M-NACA-Score. Konnte ein Einsatz anhand dieser Parameter oder aufgrund fehlender Daten nicht sicher durch den Notfallsanitäter abgehandelt werden, wurde der Einsatz der Gruppe NA zugeordnet. Die Auswertung erfolgte mit SPSS 27.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Gesamteinsätze beider Rettungsmittel beliefen sich im Kalenderjahr 2019 auf n=4123. Nach Abzug der Fehl-/ und Sekundäreinsätze (n=585), sowie der primär NACA VII Einsätze (n=297; Patient verstorben vor Eintreffen) entfielen auf die Rettungsmittel n=3241 Primäreinsätze (RTH=1014; NEF=2227). Es hätten insgesamt n=1878 (57,9%) der Einsätze sicher durch einen Notfallsanitäter abgearbeitet werden können, hiervon n=485 (47,8%) beim RTH und n=1393 (62,6%) beim NEF. Betrachtet man die Gruppe NA anhand der NACA Werte, fällt auf, dass nochmals über 50% nur NACA I-III aufweisen. Somit bleiben in der NA Gruppe insgesamt nur n= 598/3241 (18,5%) mit berechtigter Notarztindikation NACA IV-VI (NEF n=339/2227 (15,2%) RTH n=259/1014 (25,5%)).
Im Rahmen dieser Studie konnte gezeigt werden, dass ein Großteil der als primär notarztindiziert disponierten Rettungseinsätze durch Notfallsanitäter hätte übernommen werden können. Die bisherigen Regelungen scheinen auf unterschiedlichen Ebenen praktisch unzureichend umgesetzt zu werden. Es bleibt abzuwarten, ob die aktuelle Novellierung des Notfallsanitätergesetzes daran etwas ändern wird.