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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2021)

26. - 29.10.2021, Berlin

Fehlcodierung als eine Limitation der Analyse von Routinedaten in der Register- und Versorgungsforschung am Beispiel von Klavikulafrakturen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Sinan Bakir - Universitätsmedizin Greifswald, BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, Greifswald, Germany
  • Lara-Sophie Claudé - Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Universitätsklinikum Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany
  • Robert Raché - Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Universitätsklinikum Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany
  • Marcus Vollmer - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Bioinformatik, Greifswald, Germany
  • Lyubomir Haralambiev - Universitätsmedizin Greifswald, BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, Greifswald, Germany
  • Axel Ekkernkamp - Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Universitätsklinikum Greifswald, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Greifswald, Germany
  • Stefan Schulz-Drost - Helios Kliniken Schwerin, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Schwerin, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2021). Berlin, 26.-29.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAB77-1106

doi: 10.3205/21dkou530, urn:nbn:de:0183-21dkou5300

Veröffentlicht: 26. Oktober 2021

© 2021 Bakir et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die häufigsten Klavikulafrakturen (KF) sind die des mittleren Drittels, gefolgt von den lateralen KF. Eine frühere Studie zeigte, dass die komplexere, mediale KF häufig fehlcodiert wird. Daraus resultiert unsere Hypothese, dass diese mit der KF des mittleren Drittels verwechselt bzw. fehlverschlüsselt wird. In unserer Studie möchten wir untersuchen, inwieweit sich die tatsächliche von der codierten Frakturlokalisation unterscheidet, worin die Fehlverschlüsselung ihre Ursache haben könnte und welche Konsequenzen daraus resultieren sollten.

Methodik: Um Voreingenommenheit bei der Codierung zu vermeiden, wurde diese multizentrische Kohorten-Studie als retrospektive Analyse geplant, um ein Bias im Codierverhalten zu vermeiden. Eingeschlossen wurden alle Patienten mit einer codierten KF nach ICD 10-Code (S42.01, S42.02, S42.03) sowie Patienten mit Akromioklavikulargelenks- oder Sternoklavikulargelenksluxation im Zeitraum von 2008-2018. Untersucht wurde die Bezeichnung bzw. Codierung in radiologischen Befunden, im Entlassungsbrief und in den codierten Abrechnungsdaten. Diese wurden mit der tatsächlichen Diagnose verglichen und verifiziert, welche durch erneute Begutachtung und Befundung der Bildgebung mit Fokus auf die Frakturlokalisation als Goldstandard festgesetzt wurde.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Insgesamt haben wir 1496 Fälle mit einer der o.g. Verletzungen untersucht. Eine fehlerhafte Bezeichnung der KF bei der Abrechnung/Codierung und/oder im Entlassungsbrief bzw. im radiologischen Befund (Röntgen, CT, MRT) zeigte sich medial in 36% der Fälle, bei den mittleren KF in 39% der Fälle und lateral in 17% der Fälle. Bei der Analyse der potenziellen Fehlerursachen lag die höchste Fehlerquote der KF mit 21,7% Fehlcodierung in der Abrechnung/Codierung. Eine Fehlerquote von 7,5% zeigte sich im Entlassungsbrief und von 16,1% in den radiologischen Befunden. Die Rate an Fehlcodierungen stieg mit der Anzahl der Begleitverletzungen an, sodass möglicherweise ein vermehrter Work Load zu Ungenauigkeiten und einer größeren Fehlerrate geführt haben könnte. Am häufigsten war die mittlere KF falsch codiert, in 55,8% aller fehlcodierten KF als mediale KF und in 24,9% als laterale KF. Somit verschob sich die Verteilung der KF von abgerechneter zu tatsächlicher Diagnose medial von codierten 14% zu 5% und bei den mittleren KF von 35% zu 43% aller Klavikulaverletzungen.

Diese hohe Fehlcodierungsrate spielt insbesondere bei der Analyse von großen Datenmengen in der Versorgungforschung eine Rolle. Gerade bei der Algorithmus-gesteuerten Datenanalyse durch künstliche Intelligenz limitieren diese Fehler das Potenzial eines Algorithmus auf Basis von maschinellem Lernen. Dieser Algorithmus kann stets nur so gut sein, wie die zugrundeliegende Datenqualität. Gleiches Gefahrenpotenzial besteht bei der Auswertung von Registerdaten, beispielsweise aus dem TraumaRegister DGU®. Daher sollte bei der Analyse von Big Data zwingend auf die Eingabe- und Codierqualität der zugrundeliegenden Datensätze geachtet werden.