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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2021)

26. - 29.10.2021, Berlin

Welche chirurgische Kompetenz braucht es im Schockraum beim Polytrauma? Eine retrospektive, monozentrische Analyse von Notfalleingriffen bei 751 Schwerstverletzten

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Daniel Schmitt - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland
  • Sascha Halvachizadeh - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland
  • Robin Steinemann - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland
  • Kai Oliver Jensen - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland
  • Valentin Neuhaus - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland
  • Ladislav Mica - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland
  • Hans-Christoph Pape - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland
  • Kai Sprengel - Universitätsspital Zürich, Klinik für Traumatologie, Zürich, Switzerland

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2021). Berlin, 26.-29.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAB76-713

doi: 10.3205/21dkou507, urn:nbn:de:0183-21dkou5078

Veröffentlicht: 26. Oktober 2021

© 2021 Schmitt et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Seit einigen Jahren wird in den deutschsprachigen europäischen Ländern u.a. aufgrund geänderter Facharztausbildungen diskutiert, welche allgemeinchirurgische Höhlenkompetenz in der Primärversorgung eines polytraumatisierten notwendig ist; sei dies z.B. durch einen anwesenden Organspezialisten im Schockraum oder einen entsprechend allgemeinchirurgisch ausgebildeten Unfallchirurgen. Um Strukturen oder Ausbildungen adäquat anpassen zu können, ist es notwendig einen Überblick zu haben, welche Eingriffe unmittelbar beim Polytrauma als Notfalleingriff durchgeführt werden. Das Ziel dieser Arbeit soll daher sein, diese Notfalleingriffe bei einem entsprechend schwerstverletzten Kollektiv zu beschreiben, um den Bedarf der benötigten Kompetenz näher darzustellen.

Methodik: Wir führten eine retrospektive Analyse der monozentrischen Datenbank unseres überregionalen Traumazentrums durch. Eingeschlossen wurden primär zugewiesene, erwachsene Patienten, welche die Berlin Definition eines Polytraumas erfüllten (AIS) ≥ 3 in 2 Körperregionen in Kombination mit einem physiologischen Risikofaktor (Hypotension, Koagulopathie, Azidose, Alter oder Bewusstlosigkeit). Die Darstellung der Daten erfolgt deskriptiv in Median und Interquartile Range (IQR) und ist stratifiziert nach dem AIS der verschiedenen Körperregionen. Dargestellt werden die Verletzungsverteilung und die Art der Sofortmassnahmen.

Ergebnisse: Von 3'663 Patienten konnten 751 ausgewertet werden. Diese mehrheitlich männlichen Patienten waren im Median 39 Jahre alt (IQR 33) mit einem ISS von 38 (IQR 16). In der Primärversorgung erfolgte bei 711 (94.7%) Patienten eine chirurgische Notfallintervention.

Die Verletzungen nach Körperregion mit einem AIS ≥ 3 verteilten sich wie folgt: Kopf 71.0%, Gesicht 14.2%, Thorax 78.8%, Abdomen 42.2%, Extremitäten 48.7%, Wirbelsäule 18.3%, Becken 22.5% und Integument 3.9%.

Die häufigsten chirurgischen Notfalleingriffe waren: Thoraxdrainageneinlage (48%), Laparotomie (26.3%), Fixateur Externe-Anlage der Extremitäten (23.5%), intrakranielle Druckmessung (19.3%), Abdomenpacking (13.6%), Splenektomie (8.9%) und primäre definitive Frakturversorgung in 8.8% der Fälle. 77% der Patienten hatten zumindest einen Notfalleingriff, der nicht am muskuloskelettalem System erfolgte. Diese Patienten hatten eine signifikant höherer Komplikationsrate (p<0.05).

Schlussfolgerungen: In der Primärversorgung des polytraumatisierten Patienten ist eine organsystemübergreifende chirurgische Kompetenz unerlässlich, da nahezu alle schwerstverletzten Patienten eine oder mehrere chirurgische Notfallinterventionen im Bereich des Schädels, des Brustkorbes und/oder des Bauchraumes benötigen, diese sich allerdings auf wenige konkrete Eingriffe reduzieren lassen und welche einen Einfluss auf das Outcome haben. Das bedeutet, dass entweder die allgemeinchirurgische Kompetenz beim anwesenden Unfallchirurgen gestärkt oder die jeweiligen Organspezialisten bei der Schockraumalarmierung vorgehalten werden müssen.