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Die Beckenringfraktur beim Schwerstverletzten – immer noch ein Killer?
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Veröffentlicht: | 10. Oktober 2016 |
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Fragestellung: Die Überlebensrate nach schwerster Verletzung (Polytrauma) steigt, die Inzidenz der schweren Beckenverletzung nimmt parallel dazu ab. Es könnte postuliert werden, dass durch die Abnahme des Beckentraumas die Überlebensrate steigt, das Beckentrauma jedoch nach wie vor ein schlechtes Outcome zeigt. Ist das schwere Beckentrauma auch heute noch ein Hauptverantwortlicher für die Letalität beim Polytrauma?
Methodik: Zwischen Januar 2008 und Dezember 2013 wurden 1.138 Fälle nach den Einschlusskriterien des TraumaRegisters in einem überregionalen TraumaZentrum dokumentiert.
In die Studie eingschlossen wurden Patienten mit einem ISS≥16 und vorhandenem RISC, ausgeschlossen wurden sekundäre Zuverlegungen. Die Studienpopulation wurde in die Gruppen Schwerstverletzte mit schwerer Beckenringverletzung (AISBecken≥3 - Gruppe B+) und Schwerstverletzte ohne schwere Beckenringverletzung (AISBecken≤2 (incl. Acetabulumfrakturen-AIS=2) - Gruppe B-) unterteilt.
Ergebnisse: 589 Patienten konnten in die Studie eingeschlossen werden (B+ n=148/25,1%; B- n=441/74,9%).
Frauen erlitten häufiger eine schwere Beckenringfraktur (B+/B-; 37,2%/25,2%; p=0,005).
Die Gruppe B+ zeigte eine signifikant höhere Gesamtverletzungsschwere (B+/B-; ISS 37,03/30,21 p<0,001; NISS 41,27/38,26 p=0,022).
Die Analyse des Verletzungsmusters zeigte für die Gruppe B+ einen signifikant höheren Prozentsatz an Patienten mit schweren Verletzungen (AIS≥3) an der oberen und unteren Extremität und im Abdomen. Im Gegensatz dazu erlitten mehr B- Patienten eine schwere Verletzung (AIS≥3) im Bereich des Kopfes (Tabelle 1 [Tab. 1]).
B+ Patienten wiesen eine erhöhte Operationsrate (B+/B-; 93,3%/85,3% p=0,006) sowie eine höhere Anzahl operativer Eingriffe (B+/B-; 6,88/5,02 p<0,001) auf. Die Schockraumversorgung wurde bei diesen zu Gunsten von Notfalleingriffen häufiger abgebrochen (B+/B-; 11,6%/4,6% p=0,002)
B+ Patienten bedurften längerer intensivmedizinischer Behandlung (B+/B-; 12,14 Tage/10,14 Tage p=0,016) und erlitten häufiger eine Koagulopathie auf der Intensivstation (B+/B-; 16,3%/ 5,0% p<0,001).
Die unadjustierte Gesamtletalität und die 24-Stunden-Letalität zeigten keinen signifikanten Unterschied. Die adjustierte Letalität (Basis RISC-Score) zeigte ebenfalls keinen Unterschied (SMR B+/B- 0,76/0,74; p=0,726) (Tabelle 2 [Tab. 2]).
Schlussfolgerung: Polytraumatisierte Patienten mit schwerer Beckenringfraktur unterscheiden sich hinsichtlich ihres Verletzungsmusters und der Behandlung von Polytraumapatienten ohne Beckenverletzung.
Im Outcome zwischen diesen beiden Patientengruppen konnte jedoch in der Studienpopulation kein Unterschied gefunden werden.
Im betrachteten Setting hat die schwere Beckenringverletzung nichts an ihrer Ernsthaftigkeit verloren. Aber es scheint, dass Wege und Mittel gefunden wurden (S3, ATLS, TN-Initiative...), diesen Patienten ein vergleichbares Outcome zu ermöglichen.