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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2016)

25.10. - 28.10.2016, Berlin

Das abdominelle Trauma beim Schwerstverletzten – operieren wir zu wenig?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Nico Müller - Universitätsklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Regensburg, Germany
  • Michael Grubmüller - Universitätsklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Regensburg, Germany
  • Franz Hilber - Universitätsklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Regensburg, Germany
  • Katharina Angerpointner - Universitätsklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Regensburg, Germany
  • Michael Nerlich - Universitätsklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Regensburg, Germany
  • Antonio Ernstberger - Universitätsklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Regensburg, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2016). Berlin, 25.-28.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocWI36-488

doi: 10.3205/16dkou234, urn:nbn:de:0183-16dkou2341

Veröffentlicht: 10. Oktober 2016

© 2016 Müller et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Im Laufe der letzten Jahrzehnte vollzog sich ein Paradigmenwechsel beim Management des abdominellen Traumas beim Schwerstverletzten. Durch verbesserte primäre CT-Bildgebung und sonographische Verlaufsbeurteilungen wird heute, wenn möglich, die Operation umgangen. Gefährden wir hierdurch die Patienten mehr als wir ihnen nutzen?

Methodik: 1680 Fälle vom 01.01.2008 bis 31.12.2014 (84 Monate) eines überregionalen Trauma-Zentrums wurden evaluiert. Der Datensatz des TraumaRegisters und weitere Variablen standen der Auswertung zur Verfügung.

In die Studie wurden Patienten mit einem ISS ≥16 und einem Alter≥16 Jahren eingeschlossen. Zu- und weiterverlegte Patienten wurden ausgeschlossen.

Die Patienten wurden zunächst in die Gruppen AIS Abdomen ≤2 (A2) und AIS Abdomen ≥3 (A3) unterteilt. Innerhalb der A3 Gruppe wurden sodann die abdominell operierten Patienten (OP) und nichtoperierten Patienten (N-OP) unterschieden. Interventionelle Therapien waren selten und sind in der Gruppe N-OP subsumiert.

Ergebnisse: Eingeschlossen wurden 592 Patienten (Gruppe A2: n=466, Gruppe A3: n=126; Untergruppe OP: n=45 (Mittlerer AIS Abdomen=4,11 +/- 0,78), Untergruppe N-OP: n=81 (Mittlerer AIS Abdomen= 3,44 +/- 0,73)). Die Gruppen A2 und A3 zeigten signifikante Unterschiede für den mittleren ISS (A2: 29,34 +/- 13,08 vs. A3: 40,21 +/- 15,79, p<0,001), den RISC2 (A2: 21,13 +/- 30,99 vs. A3: 30,92 +/- 37,06, p=0,06) und den Anteil von Patienten mit einem Hb<9 (A2: 10,5% vs. A3: 34,1%, p<0,001), allerdings keinen signifikanten Unterschied in der unadjustierten Letalität (A2: 18% vs. A3: 23%, p=0,206). Die SMR auf der Basis des RISC2 betrug: SMR A2: 0,85, SMR A3: 0,74.

Der Vergleich der Gruppen OP und N-OP aus der Gruppe A3 zeigte keine signifikanten Unterschiede: Multiorganversagen (OP: 35,6% vs. N-OP: 40,7%, p=0,567), Organversagen einzelner Organe, z.B. Leber (OP: 8,9% vs. N-OP: 2,5%, p=0,105), Sepsis (OP: 20% vs. N-OP: 14,8%, p=0,454).

Ebenso zeigt sich in den Therapiedauern kein Unterschied (Beatmungsdauer: OP: 7,33d +/- 9,93 vs. N-OP: 7,9 +/-8,99, p=0,449; Liegedauer ICU: OP: 12,56 +/- 15,77 vs. N-OP: 13,49 +/- 13,76, p=0,161; Liegedauer gesamt: OP: 20,59 +/- 20,59 vs. N-OP: 23,84 +/- 16,08, p=0,068).

Die Gruppe der operierten Patienten zeigte einen Trend hin zu mehr Komplikationen, zeigte aber in der Tendenz eine geringere Liegedauer ICU/gesamt.

Die unadjustierte Letaltät der Gruppen OP / N-OP zeigte keinen signifikanten Unterschied (OP: 31,1% vs. N-OP: 18,5%, p=0,108), ebenso nicht die adjustierte Letalität mit RISC II: SMR OP: 0,76 OP vs. SMR N-OP: 0,73.

Schlussfolgerung: Verletzungsschwere und Hypovolämie werden nach wie vor vom abdominellen Trauma maßgeblich beeinflusst.

Eine strenge Indikationsstellung zur Laparotomie scheint notwendig. Tendenziell zeigen die Patienten mit schwerem Abdominaltrauma ohne OP weniger Komplikationen und eine verbesserte Überlebensrate. Im richigen Setting erscheint weniger mehr zu sein.