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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014)

28.10. - 31.10.2014, Berlin

Neudefinition des Polytraumas ("Berlin Definition") anhand des Traumaregister DGU® – Ergebnis eines internationalen Konsensprozesses

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Philipp Lichte - Universitätsklinik und Poliklinik der RWTH Aachen, Klinik für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Rolf Lefering - Private Universität Witten/Herdecke, Institut für Forschung in der operativen Medizin (IFOM), Köln, Germany
  • Ingo Marzi - Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Frankfurt, Germany
  • Bertil Bouillon - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Klinikum Köln-Merheim, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie u. Sporttraumatologie, Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke, Köln, Germany
  • Andrew Peitzman - University of Pittsburgh Physicians, Pittsburgh, United States
  • Zsolt Balogh - John Hunter Hospital and University of Newcastle, Callaghan, Australia
  • International Working Group On Polytrauma - Universitätsklinik und Poliklinik der RWTH Aachen, Klinik für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Hans-Christoph Pape - Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocWI26-578

doi: 10.3205/14dkou140, urn:nbn:de:0183-14dkou1405

Veröffentlicht: 13. Oktober 2014

© 2014 Lichte et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die Definition des Begriffes „Polytrauma“ wird uneinheitlich verwendet und basiert auf Level IV Evidenz. Daher wurde in einem dreijährigen internationalen Konsensusprozess eine neue Definition entwickelt und diese im Anschluss mit Hilfe des TraumaregisterDGU® verifiziert.

Methodik:

1.
Wissenschaftliche Sitzungen (ESTES 2011, DKOU 2012, Polytraumacourse Aachen 2012) mit Teilnahme von Repräsentanten folgender Fachgesellschaften: DGU; European Society for Trauma and Emergency surgery (ESTES); British Trauma Society (BTS); American Association for the Surgery of Trauma (AAST).
Als Panel Entscheidung wurde die folgende a priori Voraussetzung für die neue Definition festgelegt: Der Abbreviated Injury score (AIS) bzw. der Injury Severity score (ISS) sollten enthalten sein, die Mortalitätsrate sollte etwa 30% betragen (doppelt so hoch wie bei der gängigen Definition ISS>15).
2.
Gemäß einer Erstauswertung des TraumaregisterDGU® und Literatursuche wurden 5 physiologische Werte, die ein Maß für die Verletzungsschwere darstellen und entsprechende Grenzwerte vorgeschlagen: Alter (>70), Hypotension (RRsyst <90mmHg), Bewusstlosigkeit (GCS am Unfallort ≤8), Azidose (BE ≤-6), Koagulopathie (PTT ≥40, INR ≥1,4)
3.
Die genauen Grenzwerte wurden auf Datenbasis des TraumaregisterDGU® festgelegt und berechnet.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Es wurden 28.211 Patienten aus dem TraumaregisterDGU® in die Analyse eingeschlossen. Das Durchschnittsalter dieser Patienten lag bei 42,9 ±20,2 Jahren. 72% waren männlichem, 28% weiblichen Geschlechtes. Der mittlere ISS betrug 30,5 ±12,2 mit einer Gesamtmortalitätsrate von 18,7% (n=5.277). In dieser Gruppe zeigte sich bei 2 verletzten Körperregionen mit einem AIS ≥3 eine Mortalität von 11,8%, bei drei Körperregionen 28,3%, bei 4 37,4% und bei 5 Regionen 58% Sterblichkeit.

Die Prävalenz der überprüften physiologischen Parameter betrug für das Alter >70 38,0%, die Hypotension 35,3%, die Bewusstlosigkeit 38,3%, die Azidose 38,8% und die Koagulopathie 48,3%. Die Überschreitung der berechneten Schwellenwerte führte bei allen 5 Parametern in etwa zu einer Verdoppelung der Mortalität im Vergleich zum Gesamtkollektiv. Bei Überschreitungen bei mindestens 3 dieser Parameter betrug die Mortalität 50,3% und stieg bis 89,3% bei Vorliegen von pathologischen Werten aller 5 Parameter.

Die im Konsesusprozess festgelegte und mittels Datenanalyse überprüfte neue Definition des Polytraumas lautet: Relevante Verletzungen von mindestens 2 Körperregionen mit einem AIS ≥3 und zusätzlich mindestens ein pathologischer Wert bei einem der 5 oben beschriebenen Parameter. Eine weitere Validierung der Definition in internationalen Studien ist in Vorbereitung.