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Potentiell vermeidbare Todesfälle beim Schwerstverletzten – Eine retrospektive Untersuchung von 1342 Patienten (2002-2012)
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Veröffentlicht: | 23. Oktober 2013 |
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Fragestellung: Zur Qualitätssicherung der Traumaversorgung werden an unserem Haus regelmäßig Morbititäs- und Mortalitätskonferenzen durchgeführt. Hierbei werden vermeidbare Todesfälle und potentielle Fehler bei der Versorgung von Schwerstverletzten besprochen. In einer retrospektiven Untersuchung wurden sämtliche Todesfälle der letzten 10 Jahre aufgearbeitet. Ziel dieser Studie war es potentiell vermeidbarer Todesfälle zu analysieren und die so gewonnenen Erkenntnisse in die Prozeßabläufe der Schwerstverletztenversorgung einfließen zu lassen.
Methodik: Es wurden die Daten aller verstorbenen Schwerstverletzten aus dem Zeitraum von Juli 2002 bis Januar 2012 zusammengestellt und analysiert. Einschlußkriterien waren ein ISS größer 15, Direktverlegung vom Unfallort in unseren Schockraum und ein Alter zwischen 16 und 75 Jahren. Die Todesfälle wurden anschließend im Rahmen einer M&M Sitzung diskutiert und in vermeidbar, potentiell vermeidbar und nicht vermeidbar eingeteilt.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Insgesamt wurden in dem Beobachtungszeitraum 1342 Patienten mit den o.g. Einschlußkriterien behandelt. Hiervon verstarben 181 Patienten (13,49% 95% KI 11,76 - 15,42). Der mittlere ISS lag bei 42 (23 - 61) und das Durchschnittsalter lag bei 50,16 Jahren (32,05 - 68,27). Der GCS betrug im Mittel 5,85. Der durchschnittliche Hb in der ersten BGA nach Aufnahme im Schockraum lag bei 9,9 g/dl (6,7 - 13,1 g/dl). 72,9% der Patienten waren männlich. Der durchschnittliche Revised Injury Severity Classification (RISC) betrug 37,67% (6,8 - 68,54%). Bei 64 Patienten lag der RISC über 50% und bei 28 Patienten über 75%. Hauptsächlich traten stumpfe Verletzungen auf. Bei 13,81% lag ein penetrierender Unfallmechanismus vor. Während der ersten Stunde nach Aufnahme verstarben 23 Patienten (12,7%), 73 weitere während der ersten 24 Stunden (40,3%).
Zu den nachgewiesenen, vermeidbaren Fehlern innerhalb einer ersten Zwischenauswertung gehörte die massive präklinische Volumengabe über 1500 ml (34,1%), die fehlende oder ungenügende Atemwegssicherung mit Notwendigkeit der Erstintubation bei GCS < 9 im Schockraum oder Umintubationen (35%), die zeitlich verzögerte Gerinnungstherapie im Schockraum (18,2%) und die verzögerte Hämorrhagiekontrolle (12%).
Die von uns erhobenen Daten zeigen an welcher Stelle potentiell vermeidbare Todesfälle auftreten und beeinflusst werden könnten. Die Sensibilisierung der in der Traumaversorgung beteiligten Personen für genau diese Ereignisse mit schwerwiegenden Konsequenzen stellt die Grundlage für eine weitere Verbesserung der Schwerstverletztenversorgung dar.