gms | German Medical Science

29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

21.09. - 23.09.2012, Bonn

Verfahren zur Reduzierung des Einflusses von stehenden Wellen bei der In-Situ-Messung

Vortrag

Suche in Medline nach

  • corresponding author presenting/speaker Tobias Balkenhol - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Arbeitsgruppe Phoniatrie und Pädaudiologie, Mannheim, Deutschland
  • author Wolfgang Delb - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Arbeitsgruppe Phoniatrie und Pädaudiologie, Mannheim, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bonn, 21.-23.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgppV4

doi: 10.3205/12dgpp04, urn:nbn:de:0183-12dgpp041

Veröffentlicht: 6. September 2012

© 2012 Balkenhol et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Hintergrund: Durch eine Erweiterung der oberen Frequenzgrenze bei Hörgeräten auf 10 kHz ist bei Kindern mit Hörstörung ein verbessertes Sprachverstehen zu erwarten. Oberhalb von ca. 4 kHz werden jedoch die in-situ zu ermittelnden Übertragungseigenschaften des Gehörgangs häufig durch stehende Wellen infolge von Reflexionen am Trommelfell verfälscht [1], so dass der Hörgeräteanpassung inadäquate Werte zu Grunde liegen.

Material und Methoden: Für eine zuverlässige Erweiterung des Frequenzbereichs der In-Situ-Messung auf 10 kHz wurde ein Ansatz gewählt [2], bei dem der Schalldruck am Trommelfell aus den Minima des gemessenen Schalldruckspektrums geschätzt wird. Dieser wurde bezüglich des Messablaufs optimiert und simulationstechnisch untersucht. Die Untersuchungen erfolgten mit MATLAB für ein mathematisches Gehörgangsmodell, dem 15 Gehörgangsgeometrien zu Grunde lagen [3], die in ihren Abmessungen entsprechend skaliert worden sind. Für Fehlerbetrachtungen wurde das geschätzte Übertragungsverhalten mit den optimalen Lösungen verglichen.

Ergebnisse: Mit dem untersuchten Verfahren lässt sich der Fehler bei der In-Situ-Messung um bis zu 10 dB reduzieren. Für Frequenzen bis 10 kHz sind die zu erwartenden Abweichungen zwischen dem geschätzten Übertragungsverhalten und der optimalen Lösung kleiner als 2 dB.

Diskussion: Die untersuchte Methode scheint ein praktikabler Lösungsansatz zur Verbesserung der In-Situ-Messung für die Hörgeräteanpassung beim Kleinkind zu sein. Das Messverfahren und die auf der Grundlage dieser Untersuchungen angefertigte Sonde sind in zusätzlichen Studien am Kleinkind zu evaluieren.


Text

Hintergrund

Die In-Situ-Messung des resultierenden Schalldrucks im Gehörgang nach der Hörgeräteversorgung ist zur Hörgeräteanpassung bei Kindern unverzichtbar. Die technologische Entwicklung erlaubt heute bei Hörgeräten eine Erweiterung der oberen Frequenzgrenze von 6 kHz auf 10 kHz, wodurch eine verbesserte Wahrnehmung von Frikativen, wie z.B. den Zischlauten, möglich wird [1] und somit insbesondere bei Kleinkindern mit Hörstörungen eine verbesserte Sprachentwicklung zu erwarten ist. Der erweiterte Frequenzbereich stellt jedoch höhere Anforderungen an die Hörgeräteanpassung und damit an die In-Situ-Messung im Gehörgang. Oberhalb von ca. 4 kHz werden die in-situ zu ermittelnden Übertragungseigenschaften des Gehörgangs häufig durch stehende Wellen infolge von Reflexionen am Trommelfell verfälscht [1], so dass der Hörgeräteanpassung inadäquate Werte zu Grunde liegen.

Material und Methoden

Für eine zuverlässige Erweiterung des Frequenzbereichs bei der In-Situ-Messung auf 10 kHz wurde ein Ansatz gewählt [2], bei dem sich das Übertragungsverhalten von der In-Situ-Sonde zum Trommelfell und damit der Schalldruck am Trommelfell aus den Minima des im Gehörgang gemessenen Schalldruckspektrums bei Anregung mit einem Rauschsignal abschätzen lässt. Dieses Verfahren wurde bezüglich des Messablaufs und der In-Situ-Sonde optimiert und simulationstechnisch untersucht. Die Untersuchungen erfolgten mit MATLAB für ein mathematisches Gehörgangsmodell, dem 15 Gehörgangsgeometrien zu Grunde lagen [3], die in ihren Abmessungen entsprechend auf die bei Kleinkindern typischen Größenordnungen skaliert worden sind [4], [5]. Es kam ein eindimensionales mathematisches Gehörgangsmodell zum Einsatz, welches die Querschnittsänderungen entlang einer geraden Mittelachse stufenweise approximiert [6], [7], [8]. Das Gehörgangsmodell wurde mit einer Impedanz abgeschlossen, die der Trommelfellimpedanz aus [9] entsprach. Zur Berücksichtigung von nicht-ideal schallharten Gehörgangswänden kam das Modell aus [8] zum Einsatz. Die In-Situ-Messung erfolgte im mathematischen Modell für jede Gehörgangsgeometrie randomisiert in einem Bereich zwischen 7 mm und 9 mm vor dem Gehörgangsende/Trommelfell, so dass sich ein Schalldruckminimum im Frequenzbereich ausprägte. Der Messablauf wurde mit einem Maximum-Length-Sequence-Verfahren (MLS) und einem Signal-Rausch-Abstand (SNR) von 40 dB simuliert. Als Maß für die Genauigkeit der zu vergleichenden Verfahren wurden die Abweichungen gegenüber der optimalen Lösung für jede Gehörgangsgeometrie berechnet und für jedes Verfahren die jeweiligen Betragsfehler gemittelt.

Ergebnisse

Mit einer In-Situ-Messung nach dem Stand der Technik sind nur bis ca. 4 kHz zufriedenstellende Ergebnisse zu erwarten, oberhalb von 6 kHz ist ein deutlicher Anstieg des Fehlers zu verzeichnen, der bei 10 kHz im Mittel ca. 12 dB erreicht (Abbildung 1A [Abb. 1]). Mit dem verbesserten Verfahren zur In-Situ-Messung bleibt dagegen der Fehler im relevanten Frequenzbereich deutlich unterhalb von 2 dB (Abbildung 1B [Abb. 1]).

Diskussion

Die Simulationsergebnisse bestätigen, dass herkömmliche In-Situ-Messungen oberhalb von ca. 4 kHz ungenau und somit Hörgeräteanpassungen für einen erweiterten Frequenzbereich bis 10 kHz auf dieser Grundlage nicht zu empfehlen sind. Mit dem verbesserten Ansatz zur In-Situ-Messung, bei dem das Übertragungsverhalten von der In-Situ-Sonde zum Trommelfell geschätzt wird, sind deutlich geringere Fehler zu erwarten. Die untersuchte Methode scheint daher ein praktikabler Lösungsansatz zur Verbesserung der In-Situ-Messung für die Hörgeräteanpassung beim Kleinkind zu sein. Das Messverfahren und die auf der Grundlage dieser Untersuchungen angefertigte Sonde sind in zusätzlichen Studien am Kleinkind zu evaluieren.


Literatur

1.
McCreery RW, Pittman A, Lewis J, Neely ST, Stelmachowicz PG. Use of forward pressure level to minimize the influence of acoustic standing waves during probe-microphone hearing-aid verification. J Acoust Soc Am. 2009 Jul;126(1):15-24. DOI: 10.1121/1.3143142 Externer Link
2.
Schmidt S. Finite element simulation of external ear sound fields for the optimization of eardrum-related measurements [Dissertation]. Berlin: Logos Verlag; 2009.
3.
Stinson MR, Lawton BW. Specification of the geometry of the human ear canal for the prediction of sound-pressure level distribution. J Acoust Soc Am. 1989 Jun; 85(6):2492-503. DOI: 10.1121/1.397744 Externer Link
4.
Kruger B. An update on the external ear resonance in infants and young children. Ear Hear. 1987 Dec; 8(6):333-6. DOI: 10.1097/00003446-198712000-00008 Externer Link
5.
Dempster JH, Mackenzie K. The resonance frequency of the external auditory canal in children. Ear Hear. 1990 Aug;11(4):296-8. DOI: 10.1097/00003446-199008000-00007 Externer Link
6.
Hudde H, Engel A. Measuring and modeling basic properties of the human middle ear and ear canal. Part I: Model structure and measuring techniques. Acustica & acta acustica. 1998;84:720-38.
7.
Hudde H, Engel A, Lodwig A. Methods for estimating the sound pressure at the eardrum. J Acoust Soc Am. 1999 Oct; 106(4 Pt 1):1977-92. DOI: 10.1121/1.427945 Externer Link
8.
Balkenhol T. Adaptive Digitalfilter für die aktive Schalldämpfung in Röhrensystemen [Dissertation]. Universität Paderborn; 2009. Available from: http://digital.ub.uni-paderborn.de/hs/content/titleinfo/1326 Externer Link
9.
Hudde H, Engel A. Measuring and modeling basic properties of the human middle ear and ear canal. Part III: Eardrum impedances, transfer functions and model calculations. Acustica & acta acustica. 1998;84:1091-109.