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Korrelationen laryngopharyngealer Missempfindungen und Schleimhautveränderungen mit klinisch-phoniatrischen, gastroenterologischen und schlafmedizinischen Befunden
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Veröffentlicht: | 7. September 2009 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Laryngopharyngeale Missempfindungen wie Globusgefühl und Räusperzwang sowie Schleimhautveränderungen in Mund, Pharynx und Larynx können durch gastroösophagealen Reflux oder Schlafapnoe mitverursacht sein.
237 Patienten, die sich 2007 erstmalig wegen laryngopharyngealer Missempfindungen vorstellten und keine Stimmlippenparesen zeigten, gingen in die retrospektive Untersuchung ein. Durchgeführt wurden: modifizierter Reflux-Symptom-Index, Voice-Handicap-Index, Spiegeluntersuchung, Laryngostroboskopie mit Beurteilung angelehnt an den Reflux-Finding-Score, gastroenterologische Diagnostik (118 Pat.) und schlafmedizinische Diagnostik (123 Pat.).
Zwischen einzelnen Parametern subjektiver Beschwerden, phoniatrischer, gastroenterologischer und schlafmedizinischer Befunde zeigten sich signifikante Korrelationen. So bestanden unter anderem signifikant häufiger bei einem Ödem des Ösophaguseingangs ein brennendes Gefühl (p<0,001), Halsschmerzen (p=0,005) und Gastritiden (p=0,022), bei einer Lymphangitis follicularis im Oro-Hypopharynx ein Helicobacter pylori (p<0,001) und bei einer Taschenfaltenaktivität eine obstruktive Schlafapnoe (p=0,021).
Spezifische subjektive Beschwerden korrelieren signifikant mit pathologischen phoniatrischen und internistischen Befunden. Spezifische pathologische phoniatrische und gastroenterologische Befunde treten ebenfalls signifikant häufiger gemeinsam auf. Weitere Untersuchungen sind geplant, um neben quantitativen auch qualitative Aussagen treffen zu können.
Text
Einleitung
Die gastroösophageale Refluxkrankheit kann mit einem breiten Spektrum von Manifestationen im Kopf-Hals-Bereich vergesellschaftet sein und wurde bereits mehrfach in der Literatur mit Erkrankungen wie Asthma, chronischem Hustenreiz, Laryngitiden, Globusgefühl und Heiserkeit in Verbindung gebracht. Unsere klinische Erfahrung lässt vermuten, dass Schleimhautveränderungen im Bereich von Mundhöhle, Pharynx und Larynx durch eine gastroösophageale Refluxkrankheit und/oder eine schlafmedizinische Erkrankung mitverursacht sein können. Ziel dieser retrospektiven Untersuchung war, das Auftreten von Stimmproblemen, subjektiven Missempfindungen und objektiven Schleimhautveränderungen im Hinblick auf Auffälligkeiten des klinisch-phoniatrischen Untersuchungsbefundes, des gastroenterologischen und schlafmedizinischen Befundes zu untersuchen.
Methoden
In der Abteilung für Phoniatrie/Pädaudiologie des St. Elisabeth Krankenhauses Bochum wurden im Jahr 2007 312 Patienten, die sich aufgrund von Stimmproblemen oder Missempfindungen im Pharynx-Larynx-Bereich vorstellten, phoniatrisch untersucht. 237 dieser Patienten zeigten keine Bewegungsstörung/Paresen der Stimmlippen und gingen in die weitere statistische Auswertung ein. Bei allen Patienten wurde die ärztliche Anamneseerhebung anhand eines Anamnesefragebogens, der an den Reflux-Symptom-Index (RSI, Belafsky et al., 2002) angelehnt ist, erhoben, Mehrfachantworten waren hierbei möglich. Ebenfalls wurde der Voice-Handicap-Index-Fragebogen in der deutschen Fassung (Konsensusfassung DGPP, 2003) angewandt. Bei jedem dieser Patienten wurden eine eingehende HNO-ärztliche/phoniatrische Spiegeluntersuchung und Video-Laryngostroboskopie durchgeführt mit besonderer Berücksichtigung der Schleimhaut, orientiert an dem Reflux-Finding-Score.
Bei entsprechendem Verdacht und soweit noch nicht im Vorfeld erfolgt, wurde eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) und/oder schlafmedizinische Untersuchung empfohlen und eingeleitet.
Die Gastritiseinteilung erfolgte nach Miller und Savary (1977). In der schlafmedizinischen Untersuchung wurden die Parameter Respiratory-Disturbance.-Index (RDI), Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), Epworth-Sleeping-Scale (ESS), minimale/maximale Sauerstoffsättigung und Schnarchereignisse ermittelt. Bei allen Patienten, bei denen eine durch Reflux ausgelöste Schleimhautveränderung festgestellt wurde, wurde abhängig vom Schweregrad der Schleimhaut-Läsionen und abhängig von der Empfehlung des Gastroenterologen eine medikamentöse Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren eingeleitet. Abhängig von den schlafmedizinischen Befunden wurden die Patienten zusätzlich mit einer n-Cpap-Maske (nasale Überdruckbehandlung) versorgt. Alle 232 Patienten wurden über generelle Verhaltensmaßregeln aufgeklärt und zu diätetischen und schlafhygienischen Maßnahmen beraten. Der Zeitraum der Nachbehandlung umfaßte 1 Jahr (+ 3 Monate); sie beinhaltete eine indirekte Lupenlaryngoskopie und eine erneute Befragung der Patienten über den Verlauf ihrer Beschwerdesymptomatik.
Die statistische Berechnung erfolgte unter Verwendung von SPSS 11.5.1 (SPSS Inc., Chicago, IL) mittels Chi2-Test.
Ergebnisse
Subjektive Beschwerden: 93% der Patienten gaben Missempfindungen im Kopf-Hals-Bereich an, wobei der Räusperzwang mit 44,7% an erster Stelle imponierte, gefolgt von Hustenreiz (42,2%), Kloß-/Globusgefühl (40,5%) und Verschleimung (40,9%). Die eigene Stimme wurde vorrangig heiser (57%), schnell ermüdend (34,2%) und rau (9,8%) beschrieben. Sodbrennen verspürten 22,8% der Patienten, Halsschmerzen 33,8% und ein Zungenbrennen 11%. 11,4% beklagten einen Foetor ex ore.
Phoniatrische Untersuchungsbefunde: Es zeigten sich folgende Auffälligkeiten in den Spiegelbefunden: Rötung des Mundrachens bei 8%, des Hypopharynx und der Stimmlippen bei je 11% und des Ösophaguseingangs bei 10,1%; eine Lymphangitis follicularis des Mundrachens bei 27% und des Hypopharynx bei 28,3%; eine Schleimhautschwellung des Hypopharynx bei 41,8% und des Ösophaguseingangs bei 57,8%; eine Taschenfaltenaktivität bei Phonation zeigten 8,9% der Patienten.
Korrelationen subjektive Beschwerden – phoniatrische Untersuchungsbefunde: Patienten mit einem Hypopharynxödem beschrieben signifikant häufiger ein brennendes Gefühl im Hals (p=0,003), Patienten mit einem Ödem des Ösophaguseingangs signifikant häufiger ein Kloßgefühl (p<0,001), Räusperzwang (p=0,009), Brennen (p=0,017) oder Kratzen (p=0,042) im Hals, eine Verschleimung (0,023), Halsschmerzen (p=0,001) oder Sodbrennen (p=0,018).
Gastroenterologische Diagnostik (n=120): hierbei zeigten sich eine Ösophagitis bei 79,3%, Gastritis bei 85,8%, eine Infektion mit Helicobakter pylori bei 18,3%, eine Hernie bei 79,2%, ektope Schleimhautinseln im Ösophagus bei 9,2% und ein Barrett-Ösophagus bei 10% der Patienten.
Korrelationen subjektive Beschwerden – gastroenterologische Diagnostik: Das Symptom „Sodbrennen“ trat nicht signifikant häufiger bei Patienten mit einer der oben genannten gastroentereologischen Diagnosen auf. Patienten mit einer Gastritis gaben signifikant häufiger eine heisere Stimme (p=0,011) und alle Patienten mit einer Gastritis einen Foetor ex ore (p=0,033) an.
Korrelationen phoniatrische Untersuchungsbefunde – gastroenterologische Diagnostik: Bei Patienten mit einer Lymphangitis follicularis des Oro- oder Hypopharynx (p>0,001) oder einer Rötung des Oropharynx (p=0,025) wurde signifikant häufiger eine Infektion mit Helicobacter pylori nachgewiesen. Patienten mit einem Ödem des Hypopharynx hatten signifikant häufiger eine Gastritis (p=0,012).
Schlafmedizinische Diagnostik (n=125): bei 43,2% der Patienten wurde eine obstruktive Schlafapnoe diagnostiziert (28,2% signifikant, 3,2% mittelgradig, 6,4% gering und 3,2% ohne nähere Angaben).
Korrelationen subjektive Beschwerden/phoniatrische Untersuchungsbefunde – schlafmedizinische Diagnostik: Patienten mit einer obstruktiven Schlafapnoe zeigten signifikant eine Taschenfaltenaktivität bei Phonation (p=0,017) oder beschrieben einen Foetor ex ore (p=0,007).
Diskussion
Die spezifischen anamnestischen Angaben der Patienten korrelierten signifikant mit pathologischen phoniatrischen und internistischen Befunden. Daher können diese für eine frühzeitige diagnostische und therapeutische Planung hilfreich sein. Ebenso traten signifikant häufiger spezielle pathologische phoniatrische und internistische Befunde gemeinsam auf; besonders das gleichzeitige Auftreten einer Lymphangitis follicularis im Bereich des Oro- und Hypopharynx und eines positiven Helicobacter pylori-Nachweises bietet Anlass für weitere pathophysiologische Untersuchungen und bestätigt die tägliche praktische Erfahrung.
Eine weitere Auswertung der Daten ist geplant, um neben den quantitativen auch qualitative Aussagen treffen und den Einfluss spezifischer Therapiemaßnahmen auf die subjektiven Beschwerden und die objektivierbaren Befunde abklären zu können.
50,6% der untersuchten Patienten wurden gastroenterologisch und 52,7% schlafmedizinisch untersucht. Da es sich um ein selektiertes Patientenkollektiv handelt, ist anhand unserer Daten eine Aussage zur Inzidenz gastroenterologischer und schlafmedizinischer Erkrankungen dieser Patientengruppe im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht möglich.
Literatur
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- Pierce RJ, Worsnop CJ. Upper airway function and dysfunction in respiration. Clin Exp Pharmacol Physiol. 1999;26(1):1-10.