gms | German Medical Science

23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

15. - 17.09.2006, Heidelberg

Aktuelle Trends in der Behandlung der rezidivierenden Kehlkopfpapillomatose

Advances in the treatment of recurrent respiratory papillomatosis

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Christiane Völter - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author S. Brosch - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author W. Shehata-Dieler - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author R. Hagen - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Heidelberg, 15.-17.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgppV49

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2006/06dgpp73.shtml

Veröffentlicht: 5. September 2006

© 2006 Völter et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Kennzeichnend für die rezidivierende respiratorische Papillomatose ist die enorme Wachstumstendenz und Rezidivneigung dieser Tumore mit einer erheblichen Lumeneinengung von Larynx oder Trachea. Rezidivierende Heiserkeit bis zur Aphonie und Atemnot bestimmen daher die Dringlichkeit des Handelns. Bedingt durch die Virusätiologie führt jedoch eine alleinige chirurgische Therapie nicht zu einer definitiven Sanierung. In der Vergangenheit wurden daher unzählige adjuvante Therapien erprobt, nur wenige haben jedoch Eingang in die klinische Routine gefunden. Neben Interferon stellen derzeit Cidofovir und 3-Indol-Carbinol die Mittel der Wahl dar. In Zukunft könnte die Weiterentwicklung von Impfstoffen zu einer Kontrolle der HPV Infektion und dadurch zu einer Heilung der HPV assoziierten Erkankungen wie der Kehlkopfpapillomatose führen. Im Vortrag sollen die derzeitigen Therapieoptionen anhand von eigenen Krankheitsfällen kritisch beleuchtet und ein Ausblick auf die Zukunft gegeben werden.


Text

Kennzeichnend für die rezidivierende respiratorische Papillomatose (RRP) ist die enorme Wachstumstendenz und Rezidivneigung dieser Tumore mit einer erheblichen Lumeneinengung von Larynx oder Trachea. Rezidivierende Heiserkeit bis zur Aphonie und Atemnot bestimmen daher die Dringlichkeit des Handelns.

Ullmann konnte erstmals 1923 die virale Genese der Kehlkopfpapillomatose aufzeigen, nach Inokulierung von Larynxpapillomgewebe eines 6-jährigen Jungen in seinen eigenen Unterarm [12]). Heute werden in nahezu 100% der Papillome die humanen Papillomviren (HPV) und zwar vor allem HPV 6 und 11 nachgewiesen. Die Virusätiologie ist jedoch für die Therapie der Erkrankung von entscheidender Bedeutung.

Da das Virus streng epitheliotrop ist und die Erkrankung somit auf die Schleimhaut begrenzt ist, ist eine ausgedehnte vertikale Resektion nicht erforderlich. Da Virus DNA nicht nur in den Papillomen, sondern auch in der gesunden Schleimhaut der Umgebung nachzuweisen ist, ist auch eine ausgedehnte horizontale Resektion überflüssig [1]. Eine tumorchirurgische Radikalität, wie sie noch in den 70er und 80er Jahren mit zum Teil schwerwiegenden funktionellen Folgen beschrieben wurde, ist daher nicht indiziert.

In der Vergangenheit wurden unzählige adjuvante Therapien erprobt, nur wenige haben jedoch Eingang in die klinische Routine gefunden [9], [4]. Neben Interferon stellen derzeit Cidofovir und 3-Indol-Carbinol die Mittel der Wahl dar.

Die meiste Erfahrung liegt mit Interferon-alpha vor, welches als unspezisches Regulatorprotein antiviral, antiproliferativ und immunmodulatorisch wirken soll. Zahlreiche, auch kontrollierte Studien liegen zu Interferon vor. Die bekannteste Studie erschien 1991 im N Engl J Med [5]. Leventhal konnte bei 22 von 60 Patienten eine Komplettremission sowie bei 25 eine Teilremission erzielen. Von Nachteil ist jedoch neben den akuten Nebenwirkungen vor allem ein Reboundeffekt, der bei 30% der Patienten ca. 3 Monate nach Therapieende auftritt. Ursache soll hierbei eine Persistenz des Virus sein, wie molekularbiologische Arbeiten von Steinberg gezeigt haben [11].

Cidofovir, ein Cytosinnukleosidanalogon, hemmt kompetitiv die DNA Polymerase und ist in vivo und in vitro gegen zahlreiche Viren wirksam. Da HPV selbst über keine viruseigene DNA Polymerase verfügt, ist der genaue Mechanismus nicht bekannt. Seit Snoeck Cidofovir erstmals 1998 lokal in laryngeale Papillome injizierte, hat ein weltweiter Boom eingesetzt. Allein 2003/4 wurden zehn klinische Studien zu Cidofovir und der RRP veröffentlicht. Dennoch ist Cifofovir nicht ganz unkritisch zu sehen [3]. Auch wenn in der Literatur Komplettheilungsraten von 30-50% beschrieben sind, so liegen doch bislang keine randomisierten Studien vor [10]. Desweiteren weisen die Therapieschemata große Unterschiede auf. Zu bedenken geben sollte auch das mögliche kanzerogene Potential dieser Substanz. Bereits vor Jahren wurden in Ratten Adenokarzinome der Mamma beschrieben. Daher hat die RRP Liga 2005 die Empfehlung herausgegeben, dieses anfangs sehr enthusiastisch gefeierte Virostatikum nur bei einem aggressivem Krankheitsverlauf einzusetzen, bis weitere Daten vorliegen [8].

Die dritte Substanz ist 3-Indol-Carbinol, das sich als Nahrungsmittelbestandteil in hoher Konzentration in Blumenkohl, Kohl und Brokkoli befindet. Newsfield untersuchte erstmals 1993 den Östrogenmetabolismus in HPV infizierter Larynxschleimhaut [6]. Er fand heraus, daß Estradiol vermehrt in 16-alpha-Hydroxyöstrogen metabolisiert wird, das wiederum das Papillomwachstum begünstigt. 3-Indol-Carbinol soll dagegen durch die vermehrte Bildung von 2-alpha-Hydroxyöstrogen tumorinhibierend wirken. Rosen konnte in einer prospektiven Studie nach Gabe von 200 mg synthetischem 3-Indol-Carbinol in über einem Drittel der Fälle eine Remission erzielen, die kein weiteres chirurgisches Vorgehen erforderlich machte [7].

Neben den bereits heute in der Routine eingesetzen eher unspezifischen adjuvanten Therapieverfahren ruht die Hoffnung vor allem auf einer selektiven Hemmung bestimmter im HPV Lebenszyklus wichtiger Proteine wie z.B. E1 oder E7 durch antisense RNA oder Ribozyme oder aber in der spezifischen Aktivierung des Immunsystems durch eine Impfung.

Derzeit läuft in den USA eine Phase-III-Studie über den Einsatz einer therapeutischen Impfung bei der RRP. Das verwendete Fusionsprotein, das aus dem Hitzeschockprotein von Mycobakterium bovis und E7 von HPV 16 besteht, wurde bereits in einer Phase II Studie an 27 Kindern getestet. Hierbei konnte das Intervall zwischen den chirurgischen Eingriffen im Durchschnitt von 55 auf 106 Tage verlängert werden [2].

Die Larnyxpapillomatose stellt eine möglicherweise lebensbedrohliche Erkrankung mit einer bedeutenden Morbidität dar. Aufgrund der Virusätiologie ist eine definitive Sanierung auf chirurgischem Wege nicht möglich. Langfristig bleibt zu hoffen, daß durch eine Impfung eine Kontrolle der HPV Infektion und dadurch eine Heilung der HPV assoziierten Erkankungen wie der RRP möglich sein wird.


Literatur

1.
Abramson AL. J Med Virol. 2004;72:473-7.
2.
Derkay CS. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2005;114:730-7.
3.
Inglis AF. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2005;114:834-5.
4.
Kimberlin DW. Antiviral Research. 2004;63:141-51.
5.
Leventhal BG. N Engl J Med. 1991;325:613-7.
6.
Newfield L. Anticancer Res. 1993;13:337-42.
7.
Rosen CA. J Voice. 2004;18:248-53.
8.
RRP Task Force. 2005.
9.
Schraff S. Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2004;130:1039-42 .
10.
Shehab N. Pharmacotherapy. 2005;25:977-89.
11.
Steinberg BM. Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 1988;114:27-32.
12.
Ullmann EV. Acta Otolaryngologica. 1923;5:317-34.