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23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

15. - 17.09.2006, Heidelberg

Methodische und epidemiologische Daten des universellen Neugeborenenhörscreenings Schleswig-Holstein (UNHS-SH)

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Rainer Schönweiler - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • author Michael Raap - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • author Roland Linder - Institut für Medizinische Informatik, Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • author Ute Thyen - Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • author Joachim Müller-Deile - Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Christian-Albrechts-Universität Kiel, Lübeck, Deutschland
  • author Alexander Katalinic - Institut für Krebsepidemiologie e.V., Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Heidelberg, 15.-17.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgppP13

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2006/06dgpp51.shtml

Veröffentlicht: 5. September 2006

© 2006 Schönweiler et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Das internetbasierte Meldewesen und Tracking des UNHS-SH wird durch ein Softwarepaket weitgehend automatisiert und erlaubt eine detaillierte methodische und epidemiologische Auswertung der Meldedaten und des Trackings.

Methode: Die Meldedaten und die Endergebnisse der Hörbefunde, ggf. nach Follow-up, wurden hinsichtlich verschiedener Qualitätsmerkmale untersucht.

Ergebnisse: Die Refer-Raten waren in den Geburtskliniken (Gesundgeborene, OAE) sehr unterschiedlich und betrugen 33,2% bis 2,3%, wobei durchschnittlich 1,8+/-2,6 Datensätze pro Kind pro Kind übermittelt wurden (entspricht etwa den Screeningversuchen). In den Kinderklinken (Risikogeburten, AABR) betrug die Refer-Rate durchschnittlich 1,5% bei einem einzigen Übermittlungsversuch (d.h. Screeningversuch). Die mittlere Erfassungsrate der meldenden Einrichtungen betrug 84.2% und 7 Kliniken erreichten >90%. Das lost-to-follow-up betrug 1,5%. Im aktuellen 12-Monatszeitraum wurden 16 schwerhörige Säuglinge (bei statistisch erwarteten 20) durch das UNHS-SH entdeckt und mit Hörgeräten versorgt.

Schlussfolgerungen: Obwohl die Vorgaben der Landesdatenschutzbehörde nur die Erfassung der notwendigsten Daten zulässt, sind epidemiologische Erkenntnisse möglich sowie auch methodische Erkenntnisse, die eine Verbesserung der Ergebnisqualität ermöglichen.


Text

Einleitung

Auf der Jahrestagung der DGPP 2005 berichteten wir über die Organisation und den Ablauf des UNHS-SH sowie über erste Ergebnisse [1]. Bei der Implementierung der Screening-Prozedur und des Trackings wurden konsentierte Empfehlungen berücksichtigt [1], [2]. Für das Tracking ließ die Landesdatenschutzbehörde nur die Erfassung der dafür notwendigsten Daten zu. Das Meldewesen und Tracking des UNHS-SH wurde internetbasiert (aber bewusst nicht webbasiert) verwirklicht, durch ein Softwarepaket weitgehend automatisiert und erlaubt eine detaillierte methodische und epidemiologische Auswertung der Meldedaten und des Trackings. Diese erlaubt eine laufende Qualitätskontrolle und ggf. eine gezielte Intervention bei den meldenden Screenern.

Methode

26 der 27 Geburtskliniken und sämtliche Kinderkliniken in Schleswig-Holstein führen ein Screening durch. Dies umfasst 99,6% aller Geburten. 22 Kliniken beteiligen sich am Tracking, 4 weitere Kliniken sind in Vorbereitung. Die Meldedaten und die Endergebnisse der Hörbefunde, ggf. nach Folgeuntersuchung (Follow-up), wurden hinsichtlich bekannter und speziell für UNHS-Systeme definierter Qualitätsmerkmale [2], [3] untersucht. In der Datenbank befinden sich Meldedaten von 36256 Kindern aus den Geburtsjahren 2004 und 2006 (bis einschl. Juni).

Ergebnisse

Der Geburtsjahrgang 2005 umfasst 21.676 Datensätze. Die Summe der für dieses Jahr von den Krankenhausverwaltungen erfragten Geburten beträgt knapp 23.000. Die Anzahl der Haugeburten ist nicht bekannt und wird von den Hebammen als nicht ins Gewicht fallend eingeschätzt. Dies bedeutet, dass etwa 94% aller Geburten des Jahres 2005 in der Datenbank erfasst wurden. 94,2% waren gesund geboren und erhielten ein Erstscreening mit OAE (bis zu 5 Versuche pro Ohr vorgesehen) sowie ggf. ein Nachscreening mit OAE oder AABR. 5,8% waren Risikogeburten, wobei nur ein einziger Screeningversuch mit AABR vorgesehen ist. Das Tracking deckte aber auf, dass bei 5,7% der Risikoscreenings in Kinderkliniken entgegen der Vereinbarung bzw. Schulung eine OAE-Messung durchgeführt wurde. Dies kann nun durch gezielte Intervention des Mobilen Dienstes abgestellt werden. Bei 2,9% wurden beim Erstscreening AABR statt OAE verwendet, meistens beim niedergelassenen HNO-Arzt oder Phoniater-Pädaudiologen. Die Refer-Raten lagen in den Geburtskliniken (Gesundgeborene, überwiegend OAE) insgesamt bei 1,8% und damit erstaunlich gering, es gab aber zwischen den beteiligten Einrichtungen beträchtliche Unterschiede (0 bis 33%, Abbildung 1 [Abb. 1]). Durchschnittlich wurden 1,7+/-2,5 Datensätze pro Kind übermittelt; dies entspricht etwa der Anzahl der Screeningversuche. In den Kinderklinken (Risikogeburten, AABR) betrug die Refer-Rate durchschnittlich 3,0% bei durchschnittlich 1,5 Übermittlungsversuchen.

Die mittlere Erfassungsrate der mind. 3 Monate lang meldenden Einrichtungen betrug im Zeitraum Oktober 2005 bis März 2006 84,2% und 7 Kliniken erreichten eine Erfassungsrate von über 90% (Abbildung 2 [Abb. 2]). Bei Erfassungsraten unter 65% werden die Mitarbeiter der Klinik vor Ort durch den Mobilen Dienst nachgeschult. Das lost-to-follow-up betrug 1,5%. Im 12-Monatszeitraum März 2005 bis März 2006 wurden 16 schwerhörige Säuglinge (bei statistisch erwarteten 20) durch das UNHS-SH entdeckt und innerhalb der ersten 9 Monate (Ziel: 6 Monate) mit Hörgeräten versorgt.

Diskussion

In Deutschland zeichnet sich ein freiwilliges UNHS ab [3] (statt eines obligaten wie z. B. in England oder in den Niederlanden). Deshalb ist ein gutes Tracking-System erforderlich, um den systembedingten Gefahren niedriger Erfassungsraten und hoher Lost-to-follow-up-Raten zu begegnen. Die Ergebnisse des UNHS-SH zeigen, dass die systembedingten Nachteile eines freiwilligen UNHS durch ein internetbasiertes Tracking mit Rückmeldung der Ergebnisse an die Screener und gezielten Einsatz eines Mobilen Dienstes kompensiert werden können.


Literatur

1.
Linder R, Katalinic A, Thyen U, Schönweiler R. UNHS-SH: A multidisciplinary approach to the newborn hearing screening in Schleswig-Holstein. 24. Kongress der Union europäischer Phoniater zusammen mit der 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 16. bis 18. September 2005 in Berlin. In: Gross M, Kruse E. Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2005/2006. Band 13. Niebüll: Videel; 2005. p. 111-4.
2.
National Center for Hearing Assessment and Management. Early Identification of Hearing Loss. Universal Newborn Hearing Screening. http://www.infanthearing.org/ impguide/ impguide.pdf.
3.
Gross M. Universelles Hörscreening bei Neugeborenen - Empfehlungen zu Organisation und Durchführung des universellen Neugeborenenhörscreenins auf angeborene Hörstörungen in Deutschland. Laryngorhinootologie. 2005;84:801-8. (Leserbrief Schönweiler R. Laryngorhinootologie. 2006;85:132.)