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Perinatale psychische Gesundheit bei fremdsprachigen Migrantinnen erheben: Wege erkunden
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Veröffentlicht: | 28. Juli 2022 |
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Hintergrund: In Hocheinkommensländern weisen fremdsprachige Migrantinnen mit 24–42% vs. 10–20% bei Einheimischen eine hohe Prävalenz von perinatalen psychischen Erkrankungen auf. Geburtsvorbereitungskurse (GVK) können das psychische Wohlbefinden von Schwangeren stärken. Um den Beitrag von GVK zur perinatalen psychischen Gesundheit (PPG) von fremdsprachigen Teilnehmenden zu erfassen, braucht es Instrumente, die kulturelle und sprachliche Besonderheiten angemessen adressieren. Basierend auf einem qualitativ explorativen Design mit semistrukturierten, gedolmetschten Leitfadeninterviews mit Müttern, die einen gedolmetschten GVK besucht hatten, wurde ein Fragebogen entwickelt. Die Indikatoren resultierten aus den identifizierten Stressoren: Herausforderungen im Gesundheitssystem, Mutterschaft als etwas Neues, Alleinsein, Sprachbarrieren, somatische Beschwerden und stressige Lebensereignisse. Gedolmetschte GVK wirkten diesen Stressoren z.B. mittels angepasster Information zum Gesundheitssystem, die Geburt und die Zeit danach sowie Körperübungen entgegen.
Ziel/Fragestellung: Wie lässt sich der neu entwickelte Fragbogen unter der mündlichen Übersetzung durch Dolmetschende anwenden? Welche Erfordernisse stellt das gedolmetschte Gespräch an Fachperson, Dolmetschende und fremdsprachige Klientin? Welcher Bedarf besteht grundsätzlich bezüglich der Erfassung der PPG von fremdsprachigen Frauen in der geburtshilflichen Betreuung?
Methodik: Im Workshop erhalten die Teilnehmenden Inputs zur Entwicklung des Instruments, zum Angebot gedolmetschter GVK und zu den Grundsätzen eines gedolmetschten Gesprächs. Unter Einbezug einer anwesenden interkulturellen Dolmetscherin wird die Anwendung des Fragebogens erprobt und gemeinsam reflektiert. Ferner werden Möglichkeiten, Grenzen und Modalitäten von strukturierten Befragungen fremdsprachiger Migrantinnen in der Geburtshilfe, insbesondere im Kontext von PPG, diskutiert.
Ergebnisse: Der Workshop gibt den Teilnehmenden Einblick in ein neu entwickeltes Instrument, und bietet Raum, Erfahrungen und Fragen mit Forscherinnen, praktisch tätigen Hebammen und interkulturellen Dolmetscherinnen zu diskutieren. Die Diskussion mit den Workshopteilnehmenden liefert im Gegenzug wichtige Hinweise zur Weiterentwicklung des Instruments und zum Bedarf des Assessments der PPG durch fremdsprachige Klientinnen.
Relevanz: Die Erhebung der PPG von fremdsprachigen Migrantinnen ist Voraussetzung, um adäquate präventive Angebote sicherzustellen. Der Austausch im Workshop über die Möglichkeiten der Erhebung der PPG von fremdsprachigen Migrantinnen unter Berücksichtigung der zahlreichen Barrieren und limitierten Ressourcen im deutschsprachigen Raum, kann einen Anstoss für die Praxis und für die Weiterentwicklung von geeigneten Instrumenten geben.
Empfehlungen/Schlussfolgerungen: Soziale Beziehungen, somatisches Wohlbefinden, sprachliche Verständigung sowie verstehbare Gesundheitsangebote haben eine massgebliche Bedeutung für die PPG von Migrantinnen. All diese Themen können gedolmetschte GVK aufgreifen. Das entwickelte Instrument ist das erste dieser Art im deutschsprachigen Raum und hat das Potential, nach einer Inhaltsvalidierung und Pilotierung, die Effektivität der GVK auf die PPG von Migrantinnen aufzuzeigen. Weiterhin fehlt die Möglichkeit zur Erhebung der psychischen Gesundheit von fremdsprachigen Migrantinnen in der Geburtshilfe.
Ethik und Interessenkonflikte: Für das Forschungsvorhaben bestätigte die Ethikkommission des Kantons Bern am 28. August 2020 unter der Genehmigungsnummer Req-2020-00979 eine Nichtzuständigkeit. Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.