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6. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

28.07. - 29.07.2022, Winterthur, Schweiz

Birth Justice – Intersektionale Perspektiven auf die Begleitung von Schwangerschaft, Geburt und früher Elternschaft

Meeting Abstract

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  • corresponding author Christiane Winkler - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • Emine Babac - Hebamme

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 6. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Winterthur, Schweiz, 28.-29.07.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dghwiV13

doi: 10.3205/22dghwi14, urn:nbn:de:0183-22dghwi149

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2022/22dghwi14.shtml

Veröffentlicht: 28. Juli 2022

© 2022 Winkler et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die parlamentarische Versammlung des Europarates ordnete Gewalt in der Geburtshilfe als genderspezifische Gewaltform ein und stellte dringenden Handlungsbedarf in allen Mitgliedsstaaten fest. Sie forderte u.a. dazu auf, Diskriminierung beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu bekämpfen und sicherzustellen, dass die Versorgung die Menschenrechte und -würde achtet.

US-amerikanische schwarze Feminist*innen entwickelten den Begriff Birth Justice (BJ), um strukturell verankerte Ungleichheits- und Gewaltverhältnisse rund um Schwangerschaft, Geburt und frühe Elternschaft sichtbar zu machen. BJ verortet sich im Kontext des Konzeptes von Reproductive Justice und ist durch eine menschenrechtsbasierte, intersektionale Analyse reproduktiver Ungleichheitsverhältnisse gekennzeichnet.

Ziel: Der Vortrag erläutert erst den politisch-theoretischen Rahmen und die Relevanz von BJ für die Hebammenwissenschaften. Anschließend werden relevante Studien im deutschsprachigen beziehungsweise europäischen Raum kritisch analysiert, um Forschungslücken aufzuzeigen.

Methodik: Der Vortrag umfasst ineinandergreifende Themen für die unterschiedliche Literaturrecherchen erforderlich waren. Zum Thema BJ wurden relevante Publikationen während eines Webinars “Understanding Systemic Racism in Maternity Care” und weitere in deren Referenzlisten identifiziert. Zu quantitativen Geburtsoutcomes und sogenanntem Migrationshintergrund in Deutschland wurden eine systematische Recherche durchgeführt. Relevante qualitative Studien zu Betreuungserfahrungen im deutschsprachigen beziehungsweise europäischen Raum wurden per Recherche mit systematischem Ansatz identifiziert.

Ergebnisse: Die individuellen Erfahrungen Schwangerer* und Gebärender* werden geprägt durch die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Merkmalen wie geschlechtlicher Identität, Race/Ethnizität/Nationalität, Klasse, Alter, sogenannter Behinderung und sexueller Orientierung. Diese Erfahrungen wirken sich auf Zufriedenheit mit und Outcomes der gesundheitlichen Versorgung aus und beeinflussen zukünftige Gesundheitsentscheidungen. Dadurch können Ungleichheiten fortgeschrieben werden.

Zufriedenstellende qualitative und quantitative Studien stehen im deutschsprachigen Raum aus. Quantitative Erhebungen zu Outcomes Gebärender* mit Migrationshintergrund sind sehr begrenzt und kritisch zu betrachten, da sie nicht auf der Grundlage differenzierter Antidiskriminierungsdaten durchgeführt wurden. Qualitative Studien zu Erfahrungen marginalisierter/minorisierter Personen mit peripartaler Betreuung gibt es nur sehr unzureichend in Quantität und Qualität. Diskriminierungserfahrungen wurden bisher nicht explizit untersucht.

Relevanz: Der Vortrag betrachtet erstmals im deutschsprachigen Raum Potentiale und Herausforderungen intersektional orientierter und diskriminierungssensibler hebammenwissenschaftlicher Forschung und deckt erhebliche Lücken auf.

Empfehlungen/Schlussfolgerung: Um menschenrechtsbasierte, respektvolle Betreuung als Qualitätsmerkmal Realität werden zu lassen und gesundheitliche Ungleichheiten abzubauen, braucht es verlässliche Erhebungen zu Erfahrungen mit der peripartalen Versorgung insbesondere von marginalisierten und minorisierten Personen. Diese sollten in ihrem Design intersektional reflektiert und diskriminierungssensibel angelegt sein.

Ethik und Interessenkonflikte: Da es sich um eine Literaturrecherche handelte, die keinerlei persönliche Datenerhebungen notwendig machte, war ein Ethikvotum nicht notwendig. Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.