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6. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

28.07. - 29.07.2022, Winterthur, Schweiz

Gleiches Glück für Alle? Unsicherheitsintoleranz als Risikofaktor der maternalen emotionalen Anpassung im peripartalen Zeitraum

Meeting Abstract

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  • corresponding author Kristina Stanzel - Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Deutschland; Frauenklinik Würzburg, Deutschland
  • André Forster - Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Psychologie l – Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 6. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Winterthur, Schweiz, 28.-29.07.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dghwiV08

doi: 10.3205/22dghwi09, urn:nbn:de:0183-22dghwi095

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2022/22dghwi09.shtml

Veröffentlicht: 28. Juli 2022

© 2022 Stanzel et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Anpassung an die Mutterschaft erfordert die Bewältigung von tiefgreifenden körperlichen, psychischen und sozialen Veränderungen, deren Ausgang unsicher ist und antizipiert werden muss. Hierbei werden mehrfach Einschätzungen der Anforderungen vorgenommen und mit den persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten abgeglichen. Die Einschätzung des Bedrohungs- und Bewältigungspotentials erfolgt vor dem Hintergrund der gefestigten Lernerfahrungen, welche in komplexen und individuell unterschiedlichen Prozessen zu stabilen Persönlichkeitseigenschaften wurden.

Fragestellung: Ein niedriger sozial-ökonomischer Status und eine unzureichende familiäre Unterstützung haben sich bereits als einflussreiche Variablen in dem Prozess der Anpassung an die Mutterschaft erwiesen. Die vorliegende Untersuchung soll die bestehenden Kenntnisse über Vulnerabilitätsfaktoren und Ressourcen im maternalen emotionalen Anpassungsprozess erweitern und prüfen, in welchem Maß bestimmte Persönlichkeitseigenschaften die individuelle mütterliche emotionale Belastung vorhersagen und als benachteiligende Risikofaktoren identifiziert werden können.

Methode: Die Längsschnittuntersuchung wurde an der Frauenklinik Würzburg durchgeführt, 444 Schwangere und 385 Wöchnerinnen nahmen daran teil. In einem Selbstberichtverfahren wurden vor und nach der Geburt Ängste (Pragnancy-Related Anxiety Questionaire, PRAQ) und Sorgen (Cambridge Worry Scale, CWS) sowie die Persönlichkeitsvariablen Unsicherheit (Uncertainty Intolerance Scale-18, IUS-18), Machtüberzeugung (Personal Sence of Power Scale, PSPS), Autonomieorientierung (Trier Persönlichkeitsfragebogen-Autonomie Skala, TPF-AS) und Kontrollüberzeugung (Internale-Externale Kontrollüberzeugungskala, IE-4) gemessen. Ergänzend wurden die Lebenszufriedenheit (Algemeine Lebenszufriedenheit-1 Item Skala, L-1) sowie sozial-anamnestische und geburtshilfliche Parameter erhoben.

Ergebnisse: Das hierarchische Regressionsmodell mit PRAQ und CWS nach der Geburt als Kriterium und den Persönlichkeitsvariablen sowie L-1 als Prädiktoren erklärte 41,8% der Streuung im Kriterium. Kontrolliert wurden Geburtserfahrung, psychische Erkrankungen, Geburtsdauer, Geburtsmodus und Geburtskomplikationen. Die Unsicherheitsintoleranz erwies sich als der stärkste Prädiktor der postpartalen Ängste und Sorgen (R2=0,313, β=0,401, 95% KI für β [0,31; 0,49], p<0,001). Die weiteren Persönlichkeitsvariablen trugen mit ∆R2=0,05 zur Vorhersage bei, unter diesen leistete nur die Machtüberzeugung einen signifikanten Beitrag (β=-0,133, 95% KI für β [-0,22; -0,05], p=0,003). Im weiteren Schritt erwies sich die Lebenszufriedenheit als ein signifikanter Prädiktor (∆R2=0,03, β=-0,193, 95% KI für β [-0,28; -0,10], p<0,001), unter den Kontrollvariablen (∆R2=0,04) leistete lediglich die Geburtserfahrung (β=-0,287, 95% KI für β [-0.46; -0,11], p=0,001) einen bedeutenden Beitrag.

Fazit: Unsicherheitsintoleranz erweist sich in dem Prozess der maternalen Anpassungsleistung als ein Risikofaktor. Bei der Begleitung von Schwangeren und Mütter sollten Ängste und Sorgen gezielt angesprochen und ein flexibler Umgang mit Unsicherheit gefördert werden. Darüber hinaus sollte die individuelle Machtüberzeugung reflektiert werden, die Kommunikation der eigenen Bedürfnisse verbessert und das Einfordern von Unterstützung im sozialen Umfeld geübt werden.

Ethik und Interessenkonflikte: Die Forschungsarbeit wurde einer Ethikkommission vorgelegt. Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.