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6. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

28.07. - 29.07.2022, Winterthur, Schweiz

Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz: Psychosoziale Faktoren, kantonale Indikatoren und potenzielle Präventionsansätze

Meeting Abstract

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 6. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Winterthur, Schweiz, 28.-29.07.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dghwiV02

doi: 10.3205/22dghwi03, urn:nbn:de:0183-22dghwi030

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2022/22dghwi03.shtml

Veröffentlicht: 28. Juli 2022

© 2022 Grand-Guillaume-Perrenoud et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Seit 2002 wurden in der Schweiz jährlich ca. 11.000 Schwangerschaftsabbrüche (SSA) durchgeführt. SSA stehen in direktem Zusammenhang mit ungeplanten Schwangerschaften (US). Eine internationale Studie berichtete einen SSA bei der Hälfte aller US. Fehlende Verhütung, Medikamenteneinnahme, ein früherer SSA sowie eine gegenwärtige Behandlung für eine psychische Störung wurden als Faktoren identifiziert, die mit US in Verbindung stehen. Partnergewalt wurde ebenfalls mit dem Wunsch in Verbindung gebracht, eine Schwangerschaft abzubrechen. Die Forschung zeigt, dass Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen oft unverheiratet und sozial benachteiligt sind. Psychosoziale Faktoren können zur Erklärung von nicht-medizinisch indizierten SSA bedeutend beitragen.

Ziel/Fragestellung: Diese Studie wird die Charakteristiken von Frauen in der Schweiz beschreiben, die einen SSA durchgeführt haben. In einem zweiten Schritt wird untersucht, welche soziodemografischen und psychosozialen Charakteristiken in dieser Gruppe signifikant häufig auftreten. Schliesslich werden Inzidenz und Abbruchrate in der Schweiz nach Kanton beschrieben und mit sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren des Kantons in Beziehung gesetzt.

Methodik: Eine Sekundäranalyse der Daten von 2007–2018 zu SSA in der Schweiz des Bundesamts für Statistik (BFS) wurde durchgeführt. Die BFS-Daten umfassen sämtliche SSA, die in der Schweiz durchgeführt wurden. Je nach Kanton entstammen die Daten einem Kurzformular oder einem ausführlicheren Formular mit psychosozialen Variablen. Deskriptive Analysen wurden am Gesamtdatensatz angewandt, um die Charakteristiken der Frauen und die Inzidenz von SSA in den Kantonen zu beschreiben. Aufgrund fehlender Variablen wurden induktive Analysen nur mit den Daten der Kantone durchgeführt, die das ausführliche Formular benutzten. Chi-Quadrat-Tests, multiple lineare und logistische Regressionsanalysen wurden durchgeführt, um Gruppenunterschiede und Zusammenhänge zwischen Variablen zu untersuchen.

Ergebnisse: Im Schweizer Datensatz von 2007–2018 wurden 127.173 SSA gezählt.

Die Nationalität der meisten Frauen war unbekannt (56,8%), 21,4% waren Schweizerinnen und 21,8% Ausländerinnen. Der Zivilstand der meisten Frauen war nicht bekannt (63,9%), 20,6% waren single, 11,4% verheiratet und 4,2% vom Partner getrennt, geschieden oder verwitwet. Unter den Gründen für einen SSA berichteten signifikant mehr ausländische als Schweizer Frauen, dass ihre Schwangerschaft ungeplant war (χ2=116,4; df=1, p<0,001). Mehr Schweizer als ausländische Frauen fühlten sich von ihrer Situation überwältigt (χ2=7,7, df=1, p<0,01) und berichteten öfter über Probleme mit dem Partner (χ2=32,2, df=1, p<0,001). Von den benutzten Verhütungsmitteln wurde „keine Verhütung“ am häufigsten berichtet (39,7%), gefolgt von Kondomen (27,7%), der Pille (15,3%) und Coitus Interruptus (5,3%).

Relevanz: SSA nehmen in der Schweiz seit 2017 wieder zu. Eine US sowie bestimmte soziodemografische und psychosoziale Charakteristiken sind häufiger bei Frauen anzutreffen, die ihre Schwangerschaft abbrechen. Diese Befunde liefern wichtige Hinweise für die Prävention von SSA.

Empfehlungen/Schlussfolgerung: US führen oft zu einem SSA und betreffen oft alleinstehende, unverheiratete und sozial benachteiligte Frauen. Der häufigere Einsatz von Kontrazeptiva in diesen Gruppen könnte einen Beitrag leisten, US und SSA zu reduzieren.

Ethik und Interessenkonflikte: Es war nicht notwendig, die Forschungsarbeit einer Ethikkommission vorzulegen. Die Daten stammen vom Bundesamt für Statistik, sind vollständig anonymisiert und sind (auf Antrag) freigegeben für die Sekundäranalyse durch Dritte. Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.